Europäischer Aufschwung unsicher
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Frankfurt am Main/Boston (BoerseGo.de) - Seit fünf Jahren erholt sich die Weltwirtschaft, aber eine große Party feiern wir nicht. Anders als früher ist der Aufschwung verhalten, insbesondere in den Industrieländern. Hinzu kommt die mangelnde Synchronität. Die einzelnen Regionen und Länder befinden sich an verschiedenen Stellen des Konjunkturzyklus – mit individuellen Positiv- und Negativfaktoren. Dadurch unterscheiden sich die Aussichten für Inflation, Geldpolitik und Fiskalpolitik, wie Robert Spector, CFA, Institutional Portfolio Manager bei MFS, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
In Großbritannien und in den USA etwa spreche vieles dafür, dass der Konjunkturzyklus hier am weitesten fortgeschritten sei. Haushalte und Unternehmen hätten in großem Umfang Schulden abgebaut, die Hauspreise hätten sich erkennbar erholt und nirgendwo sonst hätten die Arbeitsmärkte größere Fortschritte gemacht. Die Bank of England und die Fed dürften daher als erste wichtige Notenbanken die Leitzinsen erhöhen, wenn auch nicht sofort, heißt es.
„Die Äußerungen des Offenmarktausschusses im Juni und Janet Yellens Worte auf der anschließenden Pressekonferenz zeigen, dass nach dem Abschluss des Taperings am Jahresende übereilte Zinsschritte vermieden werden sollen. Man will sich auf langsame Zinserhöhungen sowie auf ein im Vergleich zu früheren Straffungsphasen niedriges Niveau beschränken. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Konjunkturprognosen so entwickeln, wie die Fed heute glaubt. Dennoch besteht das Risiko einer überraschend hohen Teuerung, wenn sich die Wirtschaft so erholt, wie wir es vermuten. Wir sind uns daher nicht sicher, ob die Erwartungen der Fed wirklich eintreffen“, so Spector.
In Europa und Japan sei die Erholung noch nicht so weit fortgeschritten. In beiden Regionen werde die Konjunktur noch immer stark von der Geldpolitik gestützt. Im Euroraum sei der Aufschwung weiter unsicher; die Kreditvergabe schrumpfe, den Banken stünden Stresstests bevor und die Region reagiere vergleichsweise stark auf den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. All dies führe zu Deflationsrisiken. Die Wirtschaft sei zwar gewachsen, doch gebe es Anzeichen für eine nachlassende Dynamik. Da überrasche das entschlossene Handeln der EZB nicht. Sie habe einen negativen Anlagenzins eingeführt und eine Reihe von Maßnahmen bekanntgegeben, um die Liquidität im Bankensystem zu stärken und Hindernisse für die Kreditvergabe zu beseitigen. Weitere Maßnahmen seien nicht ausgeschlossen, da ohne Wachstum Deflationsrisiken drohten und eine Haushaltskonsolidierung schwer fiele, heißt es weiter.
„Aufgrund des überraschend starken Euros haben wir aber unsere Zweifel an den kurz- und mittelfristigen Wachstumsaussichten für Europa. Japan hat die jüngste Mehrwertsteuererhöhung überraschend gut verkraftet – ein ermutigendes Zeichen. Im Mai betrug die Inflation (im Vorjahresvergleich) 3,7 Prozent. Eine höhere Teuerung ist ein wichtiges Ziel der Abenomics, aber die Reallöhne steigen noch nicht. Genau das ist aber eine wichtige Voraussetzung für Wachstum. Auch die Strukturreformen haben noch keine wirklichen Fortschritte gemacht. Eine erneute Lockerung der Geldpolitik noch in diesem Jahr würde uns daher nicht überraschen“, so Spector.
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