Kommentar
07:10 Uhr, 09.01.2017

ETF-Anlage: Warum „Keep it simple“ so schwierig ist

Die einfachste Form erfolgreicher Geldanlage mit ETFs besteht darin, soviel wissen Sie nachdem Sie einige der Artikel auf diesem Guidants-Desktop gelesen haben, ein Portfolio zusammenstellen (das Ihren persönlichen Ansprüchen und Zielen entspricht), und es passiv für Sie die Marktrendite erwirtschaften zu lassen. Während Ihr Fondsdepot für Sie tagsüber an den Märkten wirtschaftet, können Sie Ihr Leben genießen, Dinge tun, die Ihnen Spaß machen, mehr Zeit mit Ihren Kindern verbringen oder etwas neues lernen.

Diese Form Geld anzulegen ist so einfach, dass die meisten Menschen, denen ich davon erzähle, es eigentlich nie glauben wollen oder zweitens (das ist die amüsantere Reaktion) mir erklären wollen, warum es nicht funktionieren kann. Der Gedanke, dass ein Fondsportfolio, das nur dem DAX oder dem Dow Jones Index hinterherläuft, besser sein soll, als jede ausgeklügelte Finanzstrategie, lässt einige Menschen fast verrückt werden.

Dabei ist die passive Anlagestrategie mit ETFs in Wirklichkeit viel anspruchsvoller, als die meisten glauben. Ich meine damit nicht, dass Sie eine besondere Strategie oder Markttechnik beherrschen müssen. Sie brauchen auch keine teuren Seminare besuchen oder Bücher lesen. Und dennoch ist das Nichtstun so unglaublich schwierig. Warum?


Kontrolle verlieren

Im Leben möchten wir meist alles unter Kontrolle behalten. Das genügt unserem Bedürfnis nach Ordnung und Sicherheit, was eine Überlebensstrategie ist. Beim passiven Investieren muss man jedoch loslassen und vertrauen können. Man muss sich eingestehen, dass alles was man bisher geglaubt hat über Märkte zu wissen keinen Mehrwert gebracht hat. Zum anderen darf man erkennen, dass Kontrolle und Sicherheit eine Illusion sind, gar kontraproduktiv wirken können. Das ist wie mit einem Teenager und seinen Eltern. Je strenger die Regeln, desto aufsässiger und anstrengender werden die Heranwachsenden (jedenfalls war das in meinem Fall so).

Wenn wir versuchen, jede Kursschwankung zu vermeiden oder die Märkte „einzufangen“, haben wir schon verloren. Wie man sein Bedürfnis nach Kontrolle produktiv an den Märkten einsetzt, statt sich seine Rendite zu beschneiden, das werde ich in weiteren Artikeln zeigen.


Nachrichten ignorieren

Auf meinem Smartphone gibt es seit einem Update eine Funktion, bei der mir im Hauptmenü sofort die aktuellen Nachrichten angezeigt werden (meist Autounfälle und Klatsch und Tratsch, eben das was die meisten Menschen am liebsten anklicken, vermute ich). Ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich das abgestellt bekomme.

Nachrichten zu ignorieren wird heutzutage immer schwieriger. Schauen wir allein ins Jahr 2016, dann stellen wir fest, dass alle dort diskutierten „News“ letztlich für langfristige Investoren keinen Mehrwert gebracht haben. Im Gegenteil, oftmals haben die Märkte das komplette Gegenteil gemacht. Irrsinnigerweise waren sogar die Tage nach dem „Brexit-Schock“ die Einstiegsgelegenheit des Jahres in den DAX.

Schaut man sich das Treiben mit etwas Abstand an, so wird klar, dass weniger oft mehr ist. Bleiben Sie informiert, aber ignorieren Sie den täglichen Strom unendlicher Nachrichten. Sie werden mehr Zeit für angenehme Dinge haben, weniger Stress spüren und Ihr Portfolio wird es Ihnen auch danken.


Selbstdisziplin

Die Märkte und ihre Entertainment-Industrie bieten jeden Tag ein neues Programm, auf das man umschalten könnte. Da eine verlockende Analyse, hier eine neue bewährte Anlagestrategie.

„Investieren Sie jetzt in Banken, der Sektor erholt sich. Verkaufen Sie Gold, es fällt unter 1.000 Dollar. Emerging Markets sehen wieder gut aus, jetzt einsteigen.“ Usw. Sie kennen das.

Ein Weg zum Erfolg mit Indexfonds ist streng zu sich selbst zu sein. Ja, die Banken sehen wirklich verdammt günstig aus. Das sahen die Versorger vor zwei Jahren aber auch schon. Vielleicht habe ich mit den Banken Glück und kann meine Verluste mit den Versorgern aufholen? Wer dieses Spiel mitspielt, ist schon zum Verlierer geworden.

Seien Sie diszipliniert und ignorieren Sie alles, was nicht unmittelbar mit Ihrer Anlagestrategie zu tun hat.


Etwas leisten wollen

„Von nichts kommt nichts.“ Die Vorstellung, dass wir Geld durch Geld verdienen können, ist uns fremd. Den meisten jedenfalls. Finanzautoren wie Robert Kiyosaki („Rich Dad Poor Dad“) haben gezeigt, dass genau diese Einstellung den Top 1 % der Welt zu ihrem Reichtum verholfen hat. Wir alle haben den Drang etwas zu schaffen. Ich kenne einige Daytrader, die fast blöd vor Langeweile vor ihren Tradingbildschirmen geworden sind oder angefangen haben nervös hin- und herzutraden, einfach weil sie mit ihrer Zeit nichts anzufangen wussten. Warren Buffett spielt acht Stunden Bridge die Woche, weil er als Investor die Zeit dazu hat. Nassim Taleb hat den Beruf des Traders als schönsten der Welt bezeichnet, weil er da viel Zeit zum Lesen hat. Ich nutze meine Zeit um Artikel zu schreiben und Wissen weiterzugeben.

Verabschieden Sie sich von dem Gedanken, dass man hart arbeiten muss, um an der Börse erfolgreich zu sein und setzen Sie Ihre Energie dort ein, wo sie wirklich einen Mehrwert für Sie oder Ihre Familie erzeugt.

Dieses Mal ist alles anders

Das hartnäckigste Kontra-Argument, das ich oft höre (und das ich nie wirklich widerlegen kann), ist der Einwand von kritischen Zuhörern oder Lesern, dass es doch keine Garantie gäbe, dass sich die Märkte immer wieder erholen würden. Meist führen die kritischen Stimmen dann die Gründe an, warum die Märkte die letzten Jahrzehnte gestiegen sind und warum es so einfach nicht weitergehen kann.

Wissen Sie was, ich bin mir ziemlich sicher, dass man ähnliche Stimmen auch in den vergangenen Jahren immer wieder gehört hat. Ich erinnere mich noch gut an die Jahre nach der Finanzkrise 2008/2009. Was wurde nicht auf Ben Bernanke und seine Notenbankpolitik geschimpft. So um 2012 herum erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt. Große Marktteilnehmer wie George Soros oder Marc Faber warnten vor einem Kollaps der Märkte. Wie mir gestern ein Kollege mitteilte, hat Soros wohl seine milliardenschwere S&P 500 Shortposition im letzten Quartal geschlossen. Der Zusammenbruch blieb einfach aus.

Die Crux beim passiven Investieren ist, dass die Krisen jedes Mal anders sind. Das ist auch logisch, denn wenn die Nachrichten nicht neu und unbekannt wären, dann hätten die Kurse sie schon längst eingepreist. Der Trick ist über den Tellerrand hinauszublicken und sich nicht beim „Graswachsen-Zusehen" aufzuhalten. Meist ist die Zeit, in der uns eine Krise besonders schlimm und unüberwindbar erscheint, die beste Möglichkeit Aktien zu kaufen.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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