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14:32 Uhr, 19.05.2022

Erdogans Spiel mit der NATO

Der türkische Präsident Erdogan hält am Veto seines Landes gegen die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die NATO fest. Die Kritik an seinem Vorgehen wächst.

Washington (Godmode-Trader.de) - Wenn es darum geht, die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die NATO zu verzögern, um Zugeständnisse zu erzwingen, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan offenbar alle Trümpfe in der Hand. „Wir haben den Verantwortlichen in der NATO gesagt, dass wir Nein zum Beitritt Finnlands und Schwedens sagen werden. Und so werden wir auch weiter verfahren," sagte Erdogan am Donnerstag im Staatssender TRT.

Finnland und Schweden wollen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in die westliche Militärallianz. Am Mittwoch hatte die Türkei den Start der Aufnahmegespräche mit beiden nordischen Ländern im NATO-Rat blockiert. Erdogan verlangt von Schweden und Finnland, dass sie ihre (angebliche) Unterstützung für kurdische Kämpfer (in seinen Worten „Terroristen“) einstellen, die „sowohl innerhalb der Türkei als auch jenseits der Grenze in Syrien operierten“. Er besteht auch darauf, dass die Länder die Beschränkungen für den Export von Waffen in die Türkei aufheben. Der Waffenhandel ist winzig, aber für Erdogan ist er politisch bedeutsam.

Die Staats- und Regierungschefs Schwedens und Finnlands sind heute in den USA und könnten sich bei Präsident Joe Biden dafür einsetzen, den Verkauf von Waffen an die Türkei zu beschleunigen, den Erdogan als weiteren Anreiz angestrebt hat.

Aber auch die USA könnten Druck ausüben. Das diplomatische Tauwetter zwischen Ankara und Washington ist relativ frisch und steht noch auf wackeligen Beinen. Ankara will in den USA Kampfjets kaufen - in Washington war ein möglicher Deal zuletzt aber politisch umstritten. Eine weitere Blockade Ankaras könnte dazu führen, dass die Verhandlungen wieder eingefroren werden und das Weiße Haus etwaige Waffenanfragen in die unterste Schublade steckt.

Es besteht auch die Gefahr, dass Erdogan als Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin angesehen wird. Die Türkei hat sich in Bezug auf den Krieg vorsichtig verhalten und Moskaus Vorgehen nicht offen verurteilt, aber auch die Ukraine mit Drohnen beliefert.

Die Türkei läuft nicht selbst Gefahr, aus der NATO ausgeschlossen zu werden, wenn sie sich nicht bewegt. Aber Erdogan könnte sich dadurch noch mehr isolieren.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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