Fundamentale Nachricht
15:02 Uhr, 29.04.2016

Draghi lügt: "Realzinsen früher niedriger!"

EZB-Präsident Mario Draghi gibt den Sparern in Deutschland eine Mitschuld an der Niedrigzinsphase und rät zu einem anderen Anlageverhalten. Die Realzinsen seien außerdem früher niedriger gewesen, betont der EZB-Präsident. Doch die Behauptung stimmt gar nicht.

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EZB-Präsident Mario Draghi hat sich in einem Zeitungsinterview gegen die Kritik aus Deutschland an den niedrigen Zinsen gewehrt. Deutsche Sparer hätten zudem eine Mitschuld an ihren niedrigen Erträgen: “Die Sparer müssen ihr Geld nicht nur auf dem Sparbuch anlegen, sondern haben auch andere Möglichkeiten“, betonte Drahi in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung.

Draghi stellt in dem Interview eine gewagte Behauptung auf: "Derzeit liegt der reale Zins, also die Verzinsung minus Inflation, höher als im Durchschnitt der 90er-Jahre“, sagte Draghi. Der Zins habe früher "nur auf den ersten Blick gut" ausgesehen, in Wahrheit seien die realen Erträge "aber viel geringer" gewesen.

Hat Draghi recht? Es stimmt natürlich, dass der Realzins oft aussagekräftiger ist als der Nominalzins. Ein Beispiel: Liegt der Zins aktuell bei 3 %, die Inflationsrate aber ebenfalls bei 3 %, so wird der vom Anleger erhaltene Zins durch Preissteigerungen komplett wieder aufgefressen. Der Sparer hat nichts davon, wenn er zwar 3 % mehr Geld auf dem Konto hat, gleichzeitig aber auch für alles 3 % mehr bezahlen muss. Entscheidend ist also die Differenz aus dem nominalen Zins und der Inflationsrate. Genau das ist der Realzins. Es stimmt also, dass Anleger auf den Realzins achten sollten und nicht so sehr auf den nominalen Zins.

Doch Draghis Behauptung, dass die Realzinsen heute höher liegen als im Durchschnitt der 90er Jahre, stimmt für Deutschland nicht. Das zeigt auch die folgende Grafik. Denn die Zinsen sind in Deutschland in den vergangenen Jahren noch viel stärker gesunken als die Inflationsrate. Die Realzinsen waren zwar im Jahr 2013 schon einmal tiefer als heute, aber nicht im Durchschnitt der 90er Jahre, wie Draghi behauptet.

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Die in der Grafik dargestellten Realzinsen sind die Differenz der Umlaufrendite von Bundesanleihen der angegebenen Restlaufzeit und der Inflationsrate.

Wie kommt Draghi zur Behauptung, dass die Realzinsen in den 90er Jahren niedriger gewesen seien als heute? In den südlichen Eurozone-Ländern gab es vor der Euro-Einführung oft noch eine zweistellige Inflationsrate. Seit Einführung des Euro ging die Inflationsrate in diesen Ländern dramatisch zurück. Die Zinsen sanken zwar ebenfalls, aber oft nicht so stark wie die Inflationsrate. Deshalb stimmt es für Länder wie Italien, dass die Realzinsen früher schon niedriger waren als heute. Allerdings stimmt der von Draghi angegebene Zeitraum (Durchschnitt der 90er Jahre) auch für Italien nicht. Niedrigere Realzinsen als heute gab es in Italien und einigen anderen südlichen Euro-Ländern Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre.

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Doch für die deutschen Sparer ist das kein Trost. Draghi wendet sich auch nicht an die italienischen Sparer, sondern an die deutschen Sparer, wenn er der "Bild"-Zeitung ein Interview gibt. Sein Hinweis, dass die Realzinsen früher niedriger gewesen seien als in den vergangenen Jahren, ist für die deutschen Sparer definitiv falsch. Mario Draghi lügt also.

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25 Kommentare

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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Zitat:

    Wie kommt Draghi zur Behauptung, dass die Realzinsen in den 90er Jahren niedriger gewesen seien als heute?

    Antwort:

    Weil Draghi ein verlogener und halbkrimineller Drecksack ist ...

    12:56 Uhr, 01.05. 2016
  • 0815
    0815

    Herr Baron die Heranziehung 10 Jähriger Bundesanleihen für die reale Verzinsung deutscher Kleinsparer verzerrt das Bild deutlich. Betrachtet man den durchschnittlichen Sparbuchzins bzw. Spareckzins ist Draghis Aussage durchaus korrekt. Und kaum ein Bild Leser hält Bundesanleihen, sondern viele bleiben beim Sparbuch, obwohl selbst 3/6 monatiges Festgeld mehr einbringt.

    11:20 Uhr, 30.04. 2016
  • lunita
    lunita

    Dragi luegt! Aha, Herr Baron, nennen Sie mir einen Politiker oder Banker der nicht luegt. Einen! Und nicht vergessen: In der EU gibt es nicht nur Deutschland!

    21:43 Uhr, 29.04. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Chapeau Herr Baron zu diesem mutigen Artikel. Anhänger des Zentralbankenkults dürften nicht amüsiert sein, wenn sie ihre Zeilen lesen. In deren Augen grenzt Ihr Artikel

    an Blasphemie. Dennoch befindet sich der amtierende Obergelddrucker als ertappter Lügner in bester Gesellschaft, denn EU-Boss Juncker ist auf dem Gebiet der Lüge ein erfahrener Zeitgenosse, ja sogar ein bekennender Lügner. Nun scheint es so zu sein, das die da oben, die da unten generell für ein klein wenig dämlich halten und erst ins Grübeln kommen, wenn der Wähler damit beginnt, dieser ehrenwerten Gesellschaft die auf Zeit erteilten Machtbefugnisse wieder wegzunehmen. Des Politikers Traum geht doch so:.........und im Überfluss der Diäten, platzen meine Taschen aus den Nähten......

    Bekannterweise hat sich für etliche Politiker der Altparteien der Diätentraum ausgeträumt und völlig unvorhersehbar hört man plötzlich Töne aus der Ecke der Altparteien, das man kaum mehr seinen Ohren trauen mag:

    Andrea Nahles: Die linke Umverteilerin will den Migranten an den Geldbeutel. Erst nach 5 Jahren Arbeit in Deutschland soll es künftig Hartz 4 geben.

    Die ÖSI-Truppe macht den Brenner für Flüchtlinge dicht. Auch in ÖSI-Land gilt: Hast die Diäten du erlangt, gib sie niemals aus der Hand. Da ist man sich auch für eine 180 Grad Kehrtwende nicht zu schade.

    Dann hätten wir noch Justiz-Heiko, bis dato der Vater aller Gutmenschen:

    Er will die Sanktionen des Gesetzgebers bei sexuellen Übergriffen massiv verschärfen.

    Hat man da noch Töne?

    Fazit: Draghi, Juncker und Co. haben wahrscheinlich ihre besten Zeiten hinter sich. Das auch ein smarter Zentralbanker wie Draghi nun bereits zur Lüge greifen muss, zeigt nur an, das sich die Probleme langsam auf einen Punkt zubewegen, ab dem sie sich nicht mehr von den Zentralplanern beherrschen lassen. Die Entwicklung an den Finanzmärkten scheint diese Einschätzung zu bestätigen.

    P.S.

    Ein amtierender Würdenträger der Partei, die aktuell den Altparteien soviel Kopfzerbrechen bereitet, hat ja dieser Tage geäußert, das es das Recht der Bürger auf Selbstverteidigung wäre, Flüchtlingsunterkünfte in Brand zu stecken. Bislang befindet sich dieser Parteigenosse noch immer in seinem Amt..............er hat damit imo seine Partei in einer Art und Weise diskreditiert, das sie nicht mehr als wählbare Alternative betrachtet werden kann. Ist die Intelligenz in der Politik eher weniger verbreitet als in der normalen Bevölkerung? Man könnte geneigt sein, diese Frage mit einem ja zu beantworten.

    21:00 Uhr, 29.04. 2016
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    PS:
    >>> GMT-NEWS vom heutigen Tage (gehört m.M.n. auch mit zum Thema) >>>

    "Für deutsche Unternehmen war es noch nie so einfach wie derzeit an Neukredite zu kommen, wie die aktuelle ifo Kredithürde anzeigt. Der Indikator für die gewerbliche Wirtschaft ist im April von 15,2 auf 14,2 Prozent gefallen. Das ist ein neuer historischer Tiefstand. Die Kredithürde sank in allen Branchen. Damit habe sich das Finanzierungsumfeld für deutsche Unternehmen noch einmal verbessert, so das ifo-Institut. Hintergrund sei die Flutung der Märkte mit dem Geld der EZB."

    17:58 Uhr, 29.04. 2016
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    Ach ja, wie schön...

    Draghi lügt also?! TOLLE NEWS!!
    Der feine Herr Weidmann würde so etwas natürlich nie tun, gelle??
    Oder andere Banker oder gar Politiker? Lachhaft...

    Draghi hat m.M.n. lediglich auf einen GRUNDSÄTZLICH richtigen Fakt aufmerksam gemacht: nominal ist NICHT gleich real. Ob er nun im beschriebenen Zeitraum daneben liegt bzw. die Zahlen etwas schönt - so what!! Was erwartet Herr Baron von einem GS-Mann?

    Das ist momentan übrigens sogar sein Job: beruhigen und das Wirtschaftssystem "Kapitalismus" retten..
    Ob das überhaupt richtig ist sei hier mal dahingestellt, aber wenn man "im System" argumentiert macht er tendenziell eher einen guten Job - wohlgemerkt wenn man "in" bzw. "für" diese "Wirtschaftsform" argumentiert.

    Und Herr Baron mal ganz ehrlich - Sie interpretieren sehr viel in die Aussagen hinein:

    "Draghi wendet sich auch nicht an die italienischen Sparer, sondern an die deutschen Sparer, wenn er der "Bild"-Zeitung ein Interview gibt. Sein Hinweis, dass die Realzinsen früher niedriger gewesen seien als in den vergangenen Jahren, ist für die deutschen Sparer definitiv falsch."

    >>> Hat Draghi nicht "das Ganze" (Euro, EU, Verschuldung,...) zu bewerten?
    Er ist eben nicht Bundesbank-Chef (dessen Kompetenz ich übrigens klar anzweifele)!!
    Darf er deswegen keiner deutschen Zeitung ein Interview geben? Draghi als EZB'ler argumentiert eben ganz anders - muss er doch aber auch!
    Ihre Unterstellungen was er sagen "darf" und wen er "anspricht" finde ich etwas anmaßend!?

    Ich finde es noch verlogener als Draghi selbst, ihm "LÜGE! LÜGE!" vorzuwerfen, wenn man dabei "vergisst" dass er mit seiner EZB auch deutschen Banken ihre Schrottpapiere abnimmt und damit EVTL. auch "der Oma ihre 5000€" bei solchen Instituten "schützt"?

    Ob das auf ewig funktioniert? Wer weiß...
    Die Argumentation des Artikels finde ich jedoch kaum "ehrlicher" als den gescholtenen Draghobert selbst...

    VIELE GRÜßE

    17:48 Uhr, 29.04. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • Brigand
    Brigand

    es gebe keine Inlfation ist auch eine Lüge! Für da Regal im Supermarkt mag diese Aussage stimmen. Wer aber heute Handwerker, Immobilie, Aktien oder auch den Eintritt ins Schwimmbad bezahlen muss weiß, dass es Inflation noch gibt...

    17:19 Uhr, 29.04. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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