DIW: Auf Erdgas aus Russland kann schon 2022 verzichtet werden
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Berlin (Godmode-Trader.de) - Der Ukraine-Krieg ist in gewisser Hinsicht auch ein Katalysator. Er zwingt westliche Regierung in sicherheits- und energiepolitischer Hinsicht zum Umdenken. Großes Ziel ist es, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern, wenn nicht gar auf Null zu senken. Und das am besten schon ‚gestern’. Gerade in Deutschland hat die Regierung nun ambitionierte Pläne. Der Ausbau Erneuerbarer Energien soll nochmals forciert werden. Dazu hat das Kabinett in Berlin ein „Osterpaket“ zum Ausbau erneuerbarer Energien verabschiedet und sieht dies auch als Antwort darauf, „was die sicherheitspolitischen Interessen der deutschen Politik sind“, wie der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck betonte. Es gehe darum, sich zunächst von russischen fossilen Energieimporten unabhängig zu machen und dann von fossilen Trägern generell.
Doch so schnell wie gewünscht ist das Ganze nicht machbar. Die Bundesregierung geht davon aus, dass etwa auf russisches Gas erst ab Mitte 2024 verzichtet werden kann. Erst zu diesem Zeitpunkt seien alternative Lieferpotenziale und Einsparungen so weit, dass russisches Erdgas obsolet werde. Deutschland bezog bisher rund 55 Prozent seines Erdgases aus Russland.
Nun aber hat sich das DIW Berlin der Frage gewidmet, wie das deutsche Energiesystem im europäischen Kontext schnellstmöglich von den Russland- Importen unabhängig werden könnte. Das Ergebnis überrascht und gibt Hoffnung: „Wenn Einsparpotenziale maximal genutzt und gleichzeitig die Lieferungen aus anderen Erdgaslieferländern so weit wie technisch möglich ausgeweitet werden, ist die deutsche Versorgung mit Erdgas auch ohne russische Importe schon im laufenden Jahr und im kommenden Winter 2022/23 gesichert“, heißt es in der Studie.
Für einen schnelleren Abschied ist es der Studie zufolge nicht erforderlich, dass Deutschland eigene Terminals für das von anderen Förderstaaten per Schiff gelieferte Flüssiggas (LNG) baut. „Der Bau von LNG-Importterminals an der Küste ist aufgrund der langen Bauzeiten und dem mittelfristig stark rückläufigen Erdgasbedarf nicht sinnvoll", schreibt das DIW-Autorenteam. Stattdessen sollten die Erdgasimporte aus klassischen Lieferländern wie Norwegen oder den Niederlande deutlich ausgeweitet werden. Allein durch mehr Importe aus dem skandinavischen Land könnten etwa ein Fünftel der bisherigen russischen Einfuhren eingespart werden.
Die Versorgungssicherheit würde es zudem stärken, wenn die Pipeline- und Speicherinfrastruktur effizienter genutzt werde. Auf der Nachfrageseite gebe es ein kurzfristiges Einsparpotenzial von 19 bis 26 Prozent der bisherigen Erdgasnachfrage, so die DIW-Forscher. Mittelfristig sei ein Schub in Richtung erneuerbarer Wärmeversorgung und höherer Energieeffizienz notwendig. „Zwar reicht das zusätzliche Angebot nicht aus, um die gesamten bisherigen russischen Erdgasimporte zu ersetzen", so das DIW. In Kombination mit einem rückläufigen Erdgasverbrauch könne die deutsche Energieversorgung jedoch gesichert werden. „Während Erdgas im Stromsektor kurzfristig durch alternative Energieträger ersetzt werden kann, gehen die Einsparungen bei der Industrie mit einem Produktionsrückgang einher", räumen die Experten ein. „Die besonders betroffenen Branchen sollten daher entschädigt werden."
Deutschland verbrauchte im Jahr 2020 laut Eurostat rund 868 Terawattstunden (TWh) Erdgas. Das sind rund 86,8 Mrd. Kubikmeter Erdgas. Die wesentlichen Verbraucher sind die Industrie (255 TWh, also 29 Prozent des gesamten Erdgasverbrauchs), Haushalte (252 TWh, 29 Prozent, ohne Fernwärme), Gewerbe/Kleinverbraucher (116 TWh, also 13 Prozent) sowie der Energiesektor mit Stromerzeugung, Wärmeerzeugung und Erdgasnutzung in Raffinerien (insgesamt 243 TWh, 28 Prozent). Rund 95 Prozent des Erdgasverbrauchs wurden zuletzt importiert. Aus Russland stammten mehr als 50 Mrd. Kubikmeter Erdgas, also mehr als die Hälfte der Importe.
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