Kommentar
19:49 Uhr, 18.09.2023

Diese 600-Milliarden-Dollar-Wette könnte schiefgehen

Hedgefonds haben mit sehr hohem Hebel Short-Positionen auf US-Anleihenfutures aufgebaut. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sieht große Risiken.

Mit einer Größe von mehr als 51 Billionen (also 51.000 Milliarden) US-Dollar ist der US-Anleihenmarkt der größte Markt auf dem Planeten, noch vor dem US-Aktienmarkt. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die auch als "Zentralbank der Zentralbanken" bezeichnet wird, hat jetzt vor Risiken für die Finanzstabilität angesichts hoch gehebelter Wetten auf US-Staatsanleihen gewarnt.

In den vergangenen Monaten hätten Hedgefonds Short-Wetten auf US-Anleihenfutures im Volumen von 600 Milliarden Dollar aufgebaut, schrieben die beiden Autoren Fernando Avalos und Vladyslav Sushko im aktuellen BIZ-Quartalsbericht. Eine unkontrollierte Reduzierung dieser Short-Positionen habe das Potenzial, "Kernanleihemärkte zu destabilisieren", heißt es.

Bei Turbulenzen auf dem Repo-Markt im September 2019 sowie im Zusammenhang mit dem Corona-Crash im März 2020 kam es bereits zu so großen Turbulenzen, dass der Markt für US-Staatsanleihen temporär völlig illiquide war und die Hedgefonds Schwierigkeiten hatten, entsprechende Positionen ohne große Verluste zu schließen. Nur ein Eingreifen der US-Notenbank Fed verhinderte damals Schlimmeres. Im Vorfeld dieser beiden Episoden sei das Short-Exposure von Hedgefonds in den US-Anleihenfutures auf einem ähnlichen Niveau gewesen wie heute, warnen Avalos und Sushko.

Rund 40 Prozent der Positionen beziehen sich den Angaben zufolge auf die Futures für US-Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von zwei Jahren. Diese Anleihen stehen unter anderem wegen der mittelfristigen Aussichten für die Geldpolitik der US-Notenbank Fed besonders im Fokus. Mit Short-Positionen auf die Anleihenfutures wetten die Hedgefonds auf einen weiteren Renditeanstieg der entsprechenden Anleihen (Kurse und Renditen bei Anleihen entwickeln sich immer invers zueinander).

Der folgende Chart zeigt die Entwicklung der zweijährigen US-Staatsanleihenrendite seit Anfang 2020. Seit Anfang 2022 kam es zu einem deutlichen Renditeanstieg, der vor allem mit der höheren Inflation und den Zinsanhebungen durch die US-Notenbank Fed im Zusammenhang steht.

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Ein Großteil der Wetten der Hedgefonds ist nur darauf ausgerichtet, von winzigen Kursdifferenzen zwischen den Anleihefutures und den zugrundeliegenden Anleihen zu profitieren. Im Rahmen einer häufigen kurzfristigen Arbitrage-Strategie gehen Hedgefonds dabei Short-Positionen in den Anleihefutures ein und erwerben im Gegenzug die zugrundeliegenden Anleihen als Long-Positionen, die eine etwas höhere Rendite bieten. Dabei geht es um sogenannte "Off-the-run-Anleihen". Das sind bereits vor längerer Zeit emittierte Anleihen, die häufig illiquider sind und deshalb eine etwas höhere Rendite als entsprechende "On-the-run-Anleihen" bzw. die entsprechenden Anleihefutures aufweisen. Mit den Short-Positionen im Future und den Long-Positionen in den Anleihen selbst versuchen die Hedgefonds, diese Renditedifferenz für sich zu vereinnahmen. Solange die Märkte dabei ordnungsgemäß funktionieren, ist der Trade gegen Zinsänderungen abgesichert. Da die Preis- und Renditedifferenzen sehr gering sind, setzen die Hedgefonds allerdings häufig einen sehr hohen Hebel ein, um von den Differenzen zu profitieren.

Solange die Anleihenmärkte ordnungsgemäß funktionieren, können entsprechende Strategien den darauf spezialisierten Hedgefonds regelmäßige, eher kleine Gewinne bescheren. Kommt es zu größeren Marktturbulenzen und trocknet die Liquidität der Anleihenmärkte aus, können solche Strategien aber sehr große Verluste einfahren. Ein typisches Bild für solche Strategien mit einem asymmetrischen Risiko-Rendite-Potenzial ist es, "Pfennige vor einer heranfahrenden Dampfwalze einzusammeln". Solange alles gut geht, profitiert man mit einer solchen Strategie von regelmäßigen, kleinen Gewinnen. Im schlimmsten Fall muss allerdings ein sehr hoher Preis bezahlt werden.

Die beiden Autoren Avalos und Sushko warnen im BIZ-Bericht dabei vor einer sogenannten "Margin-Spirale". Eine höhere Volatilität führt dabei automatisch zu höheren Marginanforderungen, durch die Hedgefonds zusätzliches Geld benötigen oder Positionen schließen müssen. Das Schließen der Positionen kann dabei die Volatilität zusätzlich erhöhen, was weitere Verluste zur Folge hat. Verluste können sich über diesen Mechanismus selbst verstärken.

Montagnacht kam es auf dem Markt für zweijährige US-Staatsanleihen bereits zu einem kurzzeitigen deutlichen Renditeanstieg, der anschließend wieder korrigiert wurde. Dies schien mit dem Rollen der Terminkontrakte und möglicherweise auch mit einem Datenfehler im Zusammenhang zu stehen.

Fazit: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt in ihrem aktuellen Quartalsbericht vor hoch gehebelten Wetten von Hedgefonds auf dem Anleihenmarkt. In den vergangenen Monaten wurden Short-Wetten auf US-Anleihenfutures im Volumen von 600 Milliarden Dollar aufgebaut. Eine unkontrollierte Reduzierung dieser Short-Positionen habe das Potenzial, "Kernanleihemärkte zu destabilisieren", heißt es. Ein Anstieg der Volatilität könne sich dabei über eine Margin-Spirale selbst verstärken. Bereits im September 2019 und während des Corona-Crashs im März 2020 war es zu ähnlichen Entwicklungen bei US-Staatsanleihen gekommen.

Externer Link: BIS Quarterly Review

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    Wieso sollen die Kurse der Anleihen im Falle eines Short-Squeeze fallen?

    21:14 Uhr, 18.09.2023
    1 Antwort anzeigen

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Oliver Baron
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Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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