Kommentar
07:42 Uhr, 05.12.2016

"Die Rente ist sicher !?"

Die kurze Antwort lautet: "nun ja". Die Finanzierungslücke für Renten ist groß und klafft nicht nur in Deutschland.

In Deutschland wird gerade über die doppelte Haltelinie bei Renten debattiert. Das Rentenniveau soll nicht unter einen bestimmten Satz fallen und die Beiträge sollen dafür nicht unbegrenzt steigen, sondern irgendwo eingefroren werden. Eine solche doppelte Haltelinie in einer Gesellschaft zu gewährleisten, in der immer weniger Menschen in die Rentenkasse einzahlen und immer mehr Rentner zu versorgen sind, ist nicht einfach.

Die Finanzierung ist daher vollkommen klar: Steuergelder. Unklar ist dabei, ob die Steuern dann irgendwann erhöht werden müssen oder ob der Staat an anderer Stelle spart, um die Renten zu finanzieren. Auf die eine oder andere Art muss der Staat jedoch einspringen. Kaum in einem anderen Land ist die Ausstattung von Pensionsfonds so mickrig wie in Deutschland.

Grafik 1 zeigt, wie viel Vermögen Pensionsfonds verschiedener Länder im Vergleich zur Wirtschaftsleistung angehäuft haben. Das Urteil ist ganz deutlich. In Deutschland haben Pensionsfonds im Vergleich zu anderen Ländern kaum Vermögen.


Das liegt nicht etwa daran, dass niemand vorsorgt, sondern am System. In Deutschland zahlt jeder brav monatlich seinen Beitrag. Dieser Beitrag wird an andere (die Renten beziehen) ausgezahlt. In Ländern wie den USA oder der Schweiz ist das System ein ganz anderes.

Dort spart größtenteils jeder für sich selbst. Es gibt zwar auch einen Beitrag für eine staatliche Sicherung, doch würde man sich darauf verlassen, ist man automatisch arm. Die staatliche Mindestsicherung ist viel zu gering, um davon leben zu können. Es bleibt daher keine andere Wahl, als sich auf die Betriebs- und Privatvorsorge zu verlassen.

Das führt zu teils gigantischen Pensionsfonds wie etwa in Japan oder Korea (Grafik 2). Einige Pensionsfonds sind so groß, dass sie mehr Vermögen haben als 90 % der Länder der Welt an jährlicher Wirtschaftsleistung ausweisen können.

Die Idee dieser Pensionsfonds ist relativ einfach, ob staatlich oder privat. Jeder zahlt ein und spart für sich an. Die Gelder werden über die Dauer der Berufstätigkeit verzinst. Im Idealfall kann am Ende dann eine ordentliche Rente ausbezahlt werden.

Vom Prinzip her ist das ein guter Ansatz. Nichts ist schöner als ein ordentlicher Zinseszinseffekt. Doch in der Praxis kommen die Pensionsfonds kaum hinterher. Grafik 3 zeigt wie kräftig in Großbritannien privat angespart wird. Pensionsfonds haben ein Vermögen von ca. 1,5 Billionen Pfund oder 80 % der Wirtschaftsleistung.

Das klingt zunächst super, doch auf den zweiten Blick wird schnell klar, dass immer noch eine große Lücke klafft. Man kann sich das so vorstellen: In Deutschland werden derzeit knapp 300 Mrd. pro Jahr vom Staat an Renten ausbezahlt. Das sind 10 % der Wirtschaftsleistung. Unterstellt man einen ähnlichen Umwandlungssatz in Großbritannien, dann hält das Vermögen der Fonds gerade einmal acht Jahre.

Nun gibt es nicht nur die privaten Fonds, sondern auch öffentliche. Das verlängert die Dauer auf 12 Jahre. Es wird zwar weiter eingezahlt, doch das reicht nicht, um den Verpflichtungen nachzukommen. In den meisten Ländern liegt der Deckungsgrad der Pensionsfonds unter 100 %. Grafik 4 zeigt die Entwicklung in den USA.


Der Deckungsgrad sagt aus, wie viel Prozent der Verpflichtungen gedeckt sind. In den USA sind es derzeit nur knapp 80 % und das nach einer jahrelangen Rallye an der Börse. Man kann seit vielen Jahren eine abnehmende Tendenz feststellen. Viele führen das auch auf die niedrigen Zinsen zurück.
In vergangenen Zyklen stieg der Deckungsgrad im Aufschwung rapide an, was dem Aktienmarkt aber auch generell höheren Zinsen zu verdanken war. Heute wird durch Anleihen nur noch 1-2 % verdient. Früher waren es einmal 5 %. Ob die niedrigen Zinsen die Ursache allen Übels sind, kann man allerdings hinterfragen.

Die letzte Grafik zeigt die durchschnittliche Jahresperformance von Pensionsfonds in Lokalwährung und in Dollar über die letzten fünf Jahre. Die meisten Fonds können eine jährliche Performance von 5-10 % vorweisen. Die meisten Kleinanleger wären über eine solche Rendite mehr als froh.
Man kann bezweifeln, dass höhere Zinsen das Problem lösen können. Es würde Druck von den Fonds nehmen, doch das Problem nicht beseitigen. Höhere Zinsen transferieren letztlich Vermögen vom Staat an die Gläubiger (häufig Pensionsfonds). Die Zeche zahlt der Steuerzahler.

Sind die Zinsen niedrig, dann ist es schwieriger hohe Deckungsgrade zu erzielen, dafür spart der Staat viel Geld. Sind die Zinsen hoch, dann haben Pensionsfonds ein besseres Auskommen, doch die Schulden des Staates steigen sehr viel schneller.

Niedrige Zinsen begünstigen ein Rentensystem wie in Deutschland, weil es Umlagen basiert ist. In Ländern, wo das nicht der Fall ist, sind niedrige Zinsen problematischer. Doch selbst wenn die Zinsen höher wären, bleibt immer noch eine Deckungslücke, die enorm ist. Um breite Altersarmut zu verhindern, wird auch in diesen Ländern der Staat früher oder später einspringen müssen. Diese Ausgaben sind bisher noch nicht Teil der Haushalte. Kommt es einmal dazu, dann würden die Defizite der meisten Staaten plötzlich um 3-5 % der Wirtschaftsleistung pro Jahr in die Höhe schnellen.

In einer überalternden Gesellschaft, die niedrige Zinsen bedingt, ist – so absurd es erscheint – ein Umlagesystem wie in Deutschland noch am effizientesten. Trotz aller Probleme sind die Renten hierzulande vermutlich sicherer als andernorts, obwohl praktisch kein Vermögen in Pensionskassen vorhanden ist.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • Seemann_11
    Seemann_11

    Sehr interessanter Artikel, aber die Schlussfolgerung kann ich nicht nachvollziehen. Bei uns werden die Renten heute schon mit 90 Mrd. € Steuergeldern bezuschusst, weil die Einnahmen aus dem Umlagesystem nicht ausreichen. Wenn die Babyboomer in Rente gehen wird, soll dies teilweise durch sinkende Rentenniveaus ausgeglichen werden, aber das wird auch nicht reichen. Die Steuerzuschüsse werden aller Voraussicht weiter zunehmen müssen. Kann es in den anderen Ländern mit Vermögensstöcken in den Rentenfonds, die zumindest einen Teil der Rentenverpflichtungen abdecken schlimmer kommen?

    14:52 Uhr, 06.12. 2016
  • netzadler
    netzadler

    sehr gut

    wieder mal ein top Artikel, für den der wissen will, wo der hase lang laufen wird.

    Wirtschaftswachstum kann man im westen de facto vergessen aufgrund der demografie. dagegen hat der westen einen Großteil des weltvermögens angehäuft.

    noch fragen ?

    also wenn die Linkspartei den Elfmeter nicht verwandelt, sind sie selbst schuld

    08:52 Uhr, 05.12. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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