Kommentar
12:45 Uhr, 23.05.2014

Die Junk-Bubble Teil 1: "CONOP 8888" und Streuobstwiesen

Erster Teil einer Mini-Serie über den Junk-Bond-Sektor in den USA. Nach einem einleitenden Teil, folgt eine sehr chartlastige Betrachtung, bevor dann ein abschließendes Resümee gezogen wird.

Die letzten Wochen und Tage waren emotional sehr belastend. Für mich persönlich.

Auslöser für einiges an Aufregung war Larry Summers, der angefangen hat auf einmal den Begriff „Zombie Enterprises“ in den Raum zu stellen, also Unternehmen, die eigentlich schon tot sind und nur noch aufgrund von rekordniedrigen Zinsen überleben können:

„I worry when interest rates are extremely low, coupons on bonds are near to nothing, zombie enterprises can go on for a very long time which I don’t think is a very healthy environment for the private sector.“

Als guter Freund der US-amerikanischen Unterhaltungsserie „The Walking Dead“ wurde ich zwar hellhörig, aber der Alltag ging vorerst relativ routiniert weiter.

Etwas weniger hilfreich war dann jedoch in den letzten Tagen das Publikwerden von „CONOP 8888“, sprich den detaillierte Schlachtplänen des Pentagon zur Bewältigung einer „Zombie-Apokalypse“.

Spätestens hier fing ich an 1 und 1 zusammenzuzählen, und fragte mich, wie es (so schnell) passieren konnte, dass die Problematik des „Untotseins“ von Netflix in die Realwirtschaft überspringen konnte. Hatte sich ein unplanmäßiger „Transmission Channel“ von QE geöffnet, oder haben nun endlich die berüchtigten „Unintended Consequences“ zugeschlagen, vor denen so lange und ausdauernd gewarnt wurde?

Die Surrealität war Realität geworden: Innerhalb weniger Tage warnte einer der renommiertesten Ökonomen vor der „Zombifizierung“ der amerikanischen Wirtschaft, während kurze Zeit später die mächtigste Militärmaschinerie der Welt entsprechende Abwehrpläne lancierte. Starker Tobak, und auch einfach zu viel für jemanden wie mich, der sich öfter selbst dabei ertappt, wie er nach dem Konsum der eingangs erwähnten Fernsehserie verstohlen die eine oder andere Dose Bohnengemüse zusätzlich in den Einkaufwagen packt. Ich musste der Sache auf den Grund gehen. Aber der Reihe nach..

Welche Denkweise steckt eigentlich hinter den Aussagen von Ökonomen wie Summers, und anderen, die sich in ähnlicher Richtung äußern?

Man kann es in etwa so erklären: Im gegenwärtigen Umfeld von kaum mehr vorhandener Volatilität und Selbstzufriedenheit nehmen Investoren im Rennen um jedes noch so kleine Quäntchen mehr an Rendite zunehmend unverhältnismäßige Risiken in ihre Portfolios auf. Dies wird zum Beispiel daraus (aber nicht nur) ersichtlich, dass viel Geld in Abfall (Junk-Bonds) recycelt wird, und die entsprechenden Zinsen in Folge dessen auf nie dagewesene Tiefstände abdriften.

Jetzt kann man die Sache natürlich wie jedes Glas im Leben entweder als halb leer oder halb voll bewerten.

John Williams von der San Francisco-Fed hält zum Beispiel die aktuellen Zinsen für einen willkommenen Stimulus, welcher Unternehmen mit Finanzierungsschwierigkeiten aus der Klemme hilft, während für Larry Summer klar ist, dass die Firmen die Umstände (aus)nutzen, um dem kapitalistischen Grundprinzip von „fail fast“ eine Nase zu drehen, und sich verzweifelt versuchen an ihr eigentlich längst verwirktes Dasein zu klammern.

Welche realwirtschaftlichen Auswirkungen ein Platzen dieser potenziellen Blase haben könnte, darüber kann nur spekuliert werden. Für die Käufer der Papiere wäre es aber auf jeden Fall eine bittere Geschichte, wenn die Zinsen im zwei Billionen US-Dollar schweren Müllmarkt irgendwann nach oben federn würden. Umgekehrt gilt natürlich, dass sich hier für Shortseller eventuell ungeahnte Möglichkeiten ergeben könnten, um Ramsch in Gold zu verwandeln – ein selbst für den gemeinen Alchemisten fantastischer Gedanke.

Nun aber genug der Worte, und auf zur Tat - wie stellt sich die Situation im Schrottsektor gegenwärtig überhaupt dar?

Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Renditen am High-Yield-Markt. Der Chart bildet eine Situation ab, die tatsächlich äußerst ungute Assoziierungen generiert. Die Zinsen haben sich trotz Eurokrise, multiplen Beinahe-Government-Shutdowns und Krim-Annexion nicht davon abbringen lassen, sukzessive auf Niveaus abzusinken, welche selbst in den Boom-Phasen der Vorfinanzkrisenzeit undenkbar waren. Das kann nicht nachhaltig sein. Die Zombie-Apokalypse wird plötzlich sehr greifbar und reflexartig überschlägt man den Kauf der nächstbesten Streuobstwiese.

Die-Junk-Bubble-Teil-1-CONOP-8888-und-Streuobstwiesen-Kommentar-Simon-Hauser-GodmodeTrader.de-1

Doch halt, zum Glück ist ja alles relativ und so setzt bei Blick auf Grafik 2 wieder etwas Erleichterung ein. Hier wird der Abstand zu Staatsanleihen abgebildet, und wie unschwer zu erkennen ist, kann von einer Übertreibung wie im Jahre 2006 plötzlich nicht mehr gesprochen werden. Zwar ist der Spread ziemlich eng, aber eine Implosion der vermeintlichen Blase scheint nicht mehr ganz so akut bevorzustehen.

Die-Junk-Bubble-Teil-1-CONOP-8888-und-Streuobstwiesen-Kommentar-Simon-Hauser-GodmodeTrader.de-2

Warum dennoch alles viel schlimmer ist, kann man dann morgen unter dem Titel „Die Junk-Bubble Teil 2: Vorfinanzkrisenwahnsinn und Hartgeld-Forum“ nachlesen ;).

Simon Hauser

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Über den Experten

Simon Hauser
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Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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