Kommentar
07:01 Uhr, 22.04.2016

Die EZB und die großen Geldscheine

Der heutige EZB Entscheid war unterm Strich unspektakulär. Im Detail gab es jedoch spannende Erkenntnisse.

Zu allererst sind die EZB und Draghi nach wie vor bemüht, den Kommunikationspatzer des Notenbankpräsidenten in der letzten Pressekonferenz auszuräumen. Im März hatte Draghi gesagt, dass die Zinsen nach der neuerlichen Senkung auf einem angemessenen Niveau seien. Das wurde prompt so interpretiert: Es wird keine Zinssenkungen mehr geben.

Um einem solchen Patzer dieses Mal vorzubeugen, wurde das Thema im verlesenen Statement gleich eingebaut. Wörtlich wurde gesagt: "We continue to expect them (interest rates) to remain at present or lower levels for an extended period of time, and well past the horizon of our net asset purchases." Sinngemäß übersetzt bedeutet dies: Die EZB erwartet mittelfristig einen Zinssatz, der auf dem aktuellen Niveau oder darunter liegt und dort auch über das Ende des QE Programms hinaus verharrt.

Mit diesem Statement gab es kaum noch Raum für Missverständnisse.

Auch ein anderes Thema wurde vorerst aus der Welt geschafft: Helikoptergeld (Lesen Sie dazu auch:Helikoptergeld - Kann der Geldregen der Zentralbank funktionieren)

Draghi zeigte ein gewisses Unverständnis für die Diskussion, in der es darum geht, dass die EZB Bürgern Geld schenken könnte. Abgesehen von einer akademischen Diskussion wird in Helikoptergeld aktuell kein sofort einsetzbares Instrument gesehen.

Das klang vor wenigen Wochen noch anders, aber glauben wir der EZB, dass es ein Gedankenexperiment war. Aus dem Gedankenexperiment kann schnell ein Realversuch werden, wenn die Dinge nicht so laufen wie sie sollen. Bevor die EZB jedoch Geld vom Himmel regnen lässt, dürfte sie die Zinsen weiter senken. Das ist freilich mit anderen Problemen verbunden.

Sinken die Zinsen zu tief und beginnen Banken die Negativzinsen an ihre Kunden weiterzugeben, dann könnten diese in Bargeld flüchten. Das lässt sich nur verhindern, indem die Bargeldnutzung erschwert wird. Eine Möglichkeit die Bargeldnutzung zu erschweren ist die Abschaffung großer Stückelungen. Im Schussfeld steht derzeit der 500 Euroschein. Eine Abschaffung wird mehr oder minder ernst in Erwägung gezogen.

Das Ganze geschieht nicht unter dem Aspekt der Bargeldabschaffung, sondern der Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Geht es nach einigen Notenbankern und Politikern, dann ist die Abschaffung des 500 Euro-Scheins die Lösung aller Probleme. Das ist natürlich Unsinn.

Der Unsinn zeigt sich insbesondere anhand einer Tatsache: die Nutzung des 500 Euroscheins erfreut sich keiner wachsenden Beliebtheit!

Grafik 1 zeigt die Anzahl sich in Umlauf befindender Geldscheine. Seit Jahren ist die Zahl an großen Banknoten konstant. Die Anzahl der 200 und 500 Euroscheine bewegt sich seit 2009 kaum noch nach oben, ganz im Gegensatz zu den kleineren Stückelungen.

Grafik 2 zeigt den Wert der umlaufenden Geldscheine. Hier nehmen die großen Noten eine prominentere Rolle ein. Anhand der 500 Euronote sieht man gut, dass sich der Umlaufwert seit Jahren kaum noch verändert. Man kann also nicht behaupten, dass immer Menschen auf große Banknoten umsteigen, um ihre Geschäfte vor der Steuer zu verstecken oder illegale Transaktionen durchzuführen.

Wenn die Nutzung großer Geldscheine ein Ausdruck von Steuerhinterziehung und Kriminalität sind, dann geht beides zurück, auch ganz ohne Abschaffung der großen Banknoten. Besonders interessant ist der Rückgang des Umlaufwertes in den letzten Wochen. Obwohl die Notenbank die Geldpolitik weiter gelockert hat, fliehen Konsumenten und Unternehmen nicht in Bargeld.
Am eindrücklichsten zeigt sich dieser Umstand, wenn man die Wachstumsrate des Bargeldes betrachtet. Grafik 3 zeigt dieses Wachstum. Kurz nach der Euroeinführung war das Wachstum hoch, weil altes Bargeld durch neues ersetzt wurde. Seit Jahren ist das Wachstum nun relativ konstant. Einen Anstieg gab es nach der Pleite von Lehman Brothers. Danach normalisierte sich die Lage wieder.

Seit Mitte 2015 ist das Wachstum des Bargeldbestandes vergleichsweise niedrig, obwohl die Geldpolitik immer weiter gelockert wurde. Derzeit scheint noch keine Flucht in Bargeld stattzufinden. Vermutlich wird sich auch nicht beginnen, wenn die Zinsen auf -1 % sinken.

Verbraucher scheinen sehr träge zu sein. Vermutlich braucht es nicht die Abschaffung des Bargeldes, um deutlich tiefere Zinsen durchzusetzen. Es geht auch so. Persönlich bin ich jedoch deutlich zufriedener, wenn ich weiß, dass ich jederzeit 500 Euro-Scheine bei meiner Bank bekommen kann.

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Über den Experten

Clemens Schmale
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Finanzmarktanalyst
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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