Kommentar
07:30 Uhr, 15.05.2014

Die EZB hat sich in eine Sackgasse manövriert

Im Juni muss gehandelt werden. Der Meinung sind nicht nur die EZB Entscheidungsträger selbst. Die Erwartungen der Öffentlichkeit und der Investoren sind nach den öffentlichen Gedankenspielen der EZB ziemlich hoch gestiegen.

Erwähnte Instrumente

Seit der letzten Zinssenkung vergangenen Jahres spricht Draghi in jeder Pressekonferenz davon weiteren Handlungsspielraum zu haben. Es wurde über mehr oder minder radikale Schritte philosophiert. Erst waren es weitere Zinssenkungen, dann ein europäisches Quantitative Easing Programm, bei dem ABS (Asset Backed Securities) gekauft werden sollten und letztlich kam dann noch ein "echtes" QE ins Gespräch. Der Kauf von Staatsanleihen scheint wieder vom Tisch zu sein. Hier steht der EZB ihr Mandat im Weg.

Der Ankauf von ABS Papieren wäre zwar möglich, allerdings ist der Markt in Europa so klein, dass der Effekt nahe null sein dürfte. Was nun für die kommende Sitzung im Juni bleibt, sind weiter Zinssenkungen. Jeder erwartet es. Kommt nichts, dann würde der Euro wahrscheinlich nach oben ausbrechen können. Verbal hat Draghi seit 6 Monaten gegen einen starken Euro interveniert. Schon oft hieß es, es könnte gehandelt werden. Passiert ist bisher nichts. Irgendwann ist die Kraft der Verbalintervention verloren. Das weiß die EZB genau. Daher muss sie im Juni handeln.

Das Dilemma ist jetzt, dass die EZB ihr Pulver im Juni wohl verschießen wird. Die Erwartungen der Marktteilnehmer sind hoch. Eine Absenkung des Leitzinses von 0,25 auf 0,2% wird es wahrscheinlich nicht tun. Stattdessen wird eine Senkung auf 0,1% oder evtl. gar eine Range wie in den USA von 0 bis 0,25 oder von 0 bis 0,15% realistisch sein. So oder so hat die Zinssenkung nur symbolischen Charakter. Das dürfte die Markterwartung auch kaum treffen.

Über die symbolische Zinssenkung hinaus hat die EZB wenig Spielraum.Momentan parken Banken bei der EZB ca. 86 Mrd. Euro. Für diese Einlagen bekommen sie kein Geld mehr. Der Einlagensatz der EZB liegt bereits bei 0%. Bereits vergangenes Jahr wurde ein negativer Einlagensatz diskutiert. Dieser könnte nun mit -0,1% kommen. Auch das ist eher symbolisch. Was werden die Banken dann nämlich tun? Anstatt Strafzinsen zu zahlen, werden Banken entweder weniger Milliarden bei den Refinanzierungsgeschäften beantragen und so ihre Überschussliquidität abbauen (das hätte den gegenteiligen Effekt zu dem, was die EZB eigentlich bezwecken will) oder sie nutzen schlichtweg die Einlagefazilität der EZB nicht mehr (overnight deposit facility). Dann müssten sie die Überschussliquidität allerdings woanders unterbringen (Interbankenmarkt). Ob sie das wirklich tun, bleibt abzuwarten. Als Bank würde ich dann eher knapper kalkulieren und notfalls bei der EZB über die Übernachtkreditfazilität Geld besorgen. Mehr Kredite werden Banken deswegen kaum vergeben.

Sparer werden dadurch wahrscheinlich noch stärker enteignet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Banken einen solchen Schritt nicht nutzen würden, um die Zinsen für Konten auf 0% zu senken. Vielleicht bleibt es bei homöopathischen 0,05%.

Was auch immer die EZB tut, es wird keinen Effekt auf die Lage der Wirtschaft haben. Es werden nicht mehr Kredite vergeben, noch werden Bürger wie blöd anfangen, ihr Geld zum Fenster rauszuschmeißen. Das ist wahrscheinlich auch nicht die Absicht. Wichtig ist lediglich, dass der Euro nicht weiter aufwertet, um die niedrige Inflation nicht noch weiter sinken zu sehen. Den Effekt, den Euro zu schwächen oder zumindest stabil zu halten dürfte es geben - kurzfristig. Und dann? Die EZB wird ihr Pulver, welches in ihrem Mandat liegt, im Juni verschießen. Das wirkt vielleicht ein paar Wochen. Investoren sind aber auch nicht ganz dumm. Nur diesmal kann die EZB ihnen wenig entgegensetzen. Mit der QE Rhetorik Draghis hat sich die EZB in den letzten Monaten in eine Sackgasse manövriert. Es dürfte sehr spannend werden, wie sie da wieder herauskommt.

Ein spannendes Thema, das Sie unbedingt mit mir diskutieren sollten. Und zwar auf meinem Guidants-Desktop.

Clemens Schmale

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    Die größte Wirkung erzielt man, wenn man in den Aufbau eines Landes investiert: Infrastruktur, Ausbildung von Fachkräften, Verbesserung des Gesundheitssystems, Ausschreibung von Großprojekten, Vergabe von zinsgünstigen Krediten an Forschung und Entwicklung. Das schafft Arbeitsplätze und damit stabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse für Investoren.

    Die Austeritätsmaßnahmen des IWF und der TROIKA in den Südländern vergrößern die Arbeitslosigkeit und treiben die Bevölkerung in die Armut. Dort schrumpft die Wirtschaft und das Sozialsystem, die Steuern werden aber erhöht, um die Auslandskredite zu bedienen. So spart man alles kaputt und erzeugt chaotische politische und wirtschaftliche Verhältnisse, denen vernünftige Investoren besser fernbleiben.

    Die EZB kann es drehen und wenden wie sie will: der Euro als einheitliche Währung ist für die einen Mitgliedsländer zu stark, weil deren Wirtschaft in desolatem Zustand ist. Für die anderen Mitgliedsländer wie Deutschland ist der Euro zu schwach, weil unsere produktive Wirtschaft 30% mehr Leistung gegenüber den Südländern bringt. Das sind Abgründe, die vor allem die armen Euroländer nicht aushalten.

    Die humanste Lösung wäre, den Euro zumindest für die Südländer aufzugeben, damit sie ihre eigene Währung wieder einführen und zum Euro um 30% abwerten und um gegenüber dem starken Deutschland wieder konkurrieren zu können. Die Auslandsschulden werden ersatzlos gestrichen - was auch nur Vermögen anderer Leute ist, die das angelegte Geld derzeit nicht brauchen. Da könnte man sich eine Lösung für besondere Härtefälle überlegen. Aber auch nicht mehr.

    Wenn man nicht einsehen will, dass das Geld zu dienen hat und nicht umgekehrt, werden uns die sozialen und politischen Errungenschaften des Abendlandes eines nahen Tages um die Ohren fliegen.

    01:21 Uhr, 15.05.2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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