Kommentar
08:40 Uhr, 22.03.2016

Die EZB hat noch Munition!

Wer dachte, dass die Möglichkeiten der EZB nach dem letzten beispiellosen Maßnahmenpaket ausgeschöpft seien, der irrt. Der Chefökonom der EZB ist überzeugt, dass auch „Helikopter-Geld“ zu den verfügbaren Maßnahmen gehört.

Nachdem der Markt auf das Maßnahmenbündel der EZB zunächst enttäuscht reagierte, legt die EZB vorsichtshalber verbal noch einmal nach. Inzwischen ist zwar auch dem Markt klar geworden, dass die Maßnahmen ein nie dagewesenes Ausmaß annehmen und sogar die Politik der Bank of Japan in den Schatten stellen, doch das reicht der Zentralbank anscheinend nicht. Sie will den Patzer von Mario Draghi ausbügeln, der in der Pressekonferenz einen Stopp der Zinssenkungsorgie andeutete.

Die EZB bemüht sich derzeit darum, Draghis Aussage zu korrigieren. Es wird immer offensichtlicher, dass Draghi eine extrem ungeschickte Formulierung gewählt hat. Er wurde so verstanden, dass die EZB – egal, was kommt – nichts mehr tun wird. Das ist natürlich Unsinn, denn die EZB steht nach wie vor bereit, jederzeit einzugreifen. Der Markt muss davon nun jedoch erst einmal wieder überzeugt werden.

Die EZB geht daher in die Offensive. Letztes Beispiel ist ein Interview mit dem Chefökonomen Peter Praet, der die Lage und weitere Möglichkeiten erklärt, die der EZB zur Verfügung stehen. Am wichtigsten ist sicherlich die Aussage, dass die EZB die Wirtschaft in guter Verfassung sieht. Wieso dann so drastische Maßnahmen ergriffen hat, darf man natürlich hinterfragen.

Lesetipp: Es muss gehandelt werden!

Die EZB wollte einem möglichen Schock vorbeugen. Die Weltwirtschaft lahmt und die Eurozone ist externen Events ausgeliefert. Keiner weiß, ob ein solcher Schock wirklich kommt, doch die EZB wollte handeln, bevor sie mit einem solchen konfrontiert ist. Die Dinge im Nachhinein wieder geradezurücken ist immer schwieriger als es erst gar nicht erst zu einem Schock kommen zu lassen.

Die EZB setzt aktuell verstärkt auf eine Verbesserung der Kreditbedingungen. Sie sorgt sich aktuell weniger um den Wechselkurs. Die bisherigen Zinssenkungen dienten vor allem dem Wechselkursmanagement. Das gibt die Zentralbank recht offen zu. Weitere Zinssenkungen hätten jedoch die Profitabilität der Banken so massiv beeinträchtigt, dass die Vergabe von Krediten gefährdet gewesen wäre. Da Banken nach wie vor die wichtigsten Akteure sind und der Anleihemarkt für Unternehmen nur ein Nebenschauplatz ist, galt es Banken nicht weiter unter Druck zu setzen.

Bei allem Verständnis für die Banken stellt Peter Praet allerdings auch klar, dass die untere Zinsgrenze noch nicht erreicht ist. Mit Verweis auf andere Notenbanken (z.B. Schweizer Nationalbank mit einer Rate von -0,75 %) wird klar, wie viel Spielraum besteht. Die EZB könnte demnach den Einlagensatz noch einmal verdoppeln, also auf -0,8 % senken.

Bevor es soweit kommt müssen die Effekte der nun beschlossenen Maßnahmen untersucht werden. Die Ausweitung der Anleihenkäufe auf Unternehmensanleihen kann einen großen und positiven Effekt haben. Die EZB kauft nur Unternehmensanleihen im Investment-Grade Bereich und schließt Anleihen von Finanzinstituten aus. Es wird ein Großteil des Marktes für Unternehmensanleihen ausgeklammert, doch auch die nun beschlossenen Käufe dürften auf den gesamten Markt wirken.

Die EZB wird mit ihren Käufen Investoren aus Investment-Grade Anleihen verdrängen. Diese müssen auf andere Papiere ausweichen. Dazu gehören dann auch Anleihen von Non-Investment-Grade Unternehmen (Ramschbereich) und Bankanleihen. Sinkende Finanzierungskosten für alle Unternehmen sind die Folge. Insbesondere Banken können sinkende Finanzierungskosten entlasten und die Profitabilität stützen.

Der wahre Geniestreich der EZB liegt vermutlich im neuen TLTRO (Targeted Long-Term Refinancing Operation) Programm. Das frühere TLTRO Programm gewährte Banken hohe Geldsummen von der EZB zu niedrigen Zinsen, allerdings sanken die Zinsen unter diese bereits niedrigen Zinsen. Für Banken war es nicht mehr attraktiv, TLTRO I Kredite zu halten. Ein Großteil der Gelder wurde zurückgezahlt.

Lesetipp: Genialer Schachzug von Draghi?

Das neue TLTRO Programm gewährt Banken Kredite zu Nullzinsen. Es gilt der MRO (Main Refinanicing Opertion Zinssatz – Leitzins) Satz. Vergeben Banken mehr Kredite zwischen Januar 2016 und Januar 2018 als nach einer Benchmark vorgesehen, dann sinkt der Zinssatz auf den Einlagensatz der EZB zum Zeitpunkt der TLTRO Vergabe. Borgt sich eine Bank bei der ersten TLTRO Zuteilung im Juni Geld, dann kann der Zinssatz bis -0,4 % sinken, wenn der Einlagensatz im Juni -0,4 % beträgt.

Letztlich bewirken die TLTROs vor allem eines: Je mehr Banken verleihen, desto weniger Zinsen zahlen sie bzw. erhalten sogar Zinsen. Das soll das Kreditwachstum beschleunigen. Ob das wirklich funktioniert, wird man sehen. Banken zahlen ja immer noch für Überschussreserven. Wenn sie bei einem TLTRO zugreifen, das Geld dann jedoch nicht verleihen können, dann hilft ihnen das gar nicht.

Wird aus der Wirtschaft zu wenig Kredit nachgefragt und bleiben die TLTROs dadurch wirkungslos, dann hat die EZB weitere Werkzeuge zur Verfügung. Dazu gehören nicht nur weitere Zinssenkungen und die Verlängerung des Anleihenkaufprogramms, sondern ganz andere Werkzeuge, die noch rabiater sind.

Das extremste Mittel ist Helikopter-Geld. Die Notenbank würde in diesem Fall Bürgern einfach einen bestimmten Geldbetrag schenken. Wenn also alles andere nicht hilft, dann verschenkt man einfach frisch gedrucktes Geld. Die EZB sieht aktuell keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme, doch sie bekennt sich klar zu der Möglichkeit. Es liegt innerhalb ihrer Möglichkeiten Geld zu verschenken, wenn sie will.

Lesetipp: Helikoptergeld: Die EZB und das bedingungslose Grundeinkommen

Man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Sollten die Dinge aus dem Ruder laufen, dann wird jedem Bürger der Eurozone einfach so Geld geschenkt. Die Notenbank kann dies tun. Einen Haken gibt es dabei natürlich: Es entwertet das bereits bestehende Geld. Durch die Ausgabe von Schecks wird die Geldmenge ausgeweitet und „verwässert“ bestehendes Geld. Letztlich äußert sich das durch Inflation. Wer also in der Vergangenheit mühsam gespart hat, erhält zwar zusätzliches Geld, doch gleichzeitig wird das Ersparte entwertet. Ein Allheilmittel ist Helikopter-Geld wirklich nicht. Dennoch: die EZB kann und wird weiter handeln, wenn sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert.

Früher klang die Aussicht auf noch mehr Geld gut. Heute klingt es eher wie eine Drohung. Den Märkten, die von billigem Geld nicht genug bekommen können, kommen die Aussagen der EZB gerade recht. Sie können sich im Prinzip darauf verlassen, dass der Geldstrom niemals enden wird, wenn es notwendig sein sollte.

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33 Kommentare

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  • wollicgn
    wollicgn

    was war denn bei uns die Abwrackprämie 2.500 € für nen haufen Schrott auf 4 Rädern. Letztendlich doch auch Helikopter-Geld

    20:31 Uhr, 22.03. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Lumpazi
    Lumpazi

    Das Helikoptergeld ist ein alter Hut.

    Japan 1999: Die Regierung verschenkt Konsum-Gutscheine.

    Und? Hat's geholfen?

    19:18 Uhr, 22.03. 2016
    2 Antworten anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • wollicgn
    wollicgn

    wie die Bilanzen von Banken ganz legal durch entsprechende Gesetze frisiert werden dürfen kann man nachlesen. Da wären sicher 90% bankrott bei ehrlicher Buchführung.

    Jeder andere ob Unternehmen oder Privatperson würde bei gleicher kreativer Buchführung in den Knast wandern und dann würde der Schlüssel weggeworfen.

    16:46 Uhr, 22.03. 2016
  • max01
    max01

    EZB können auch noch gebrauchte Fahrräder aufkaufen

    16:26 Uhr, 22.03. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    In den Vereinigten Staaten, in Europa und Japan sind die Schulden in den letzten Jahrzehnten exponentiell gewachsen. Jedem vernünftigen Menschen sollte allerdings klar sein, dass exponentielles Wachstum sich nicht sehr lange fortsetzen lässt, aber die Politiker (von geraubtem Geld lebend), Zentralbanker („Gottspieler“ - Roland Baader) und Star-Ökonomen (Keynesianer) werden die Quadratur des Kreises versuchen, indem sie ihre Helikopter-Phantasien umsetzen. Wohl dem, der da ein Rettungsboot hat.

    16:21 Uhr, 22.03. 2016
  • wollicgn
    wollicgn

    @ Herrn Hoose,

    der nächste Bailout steht vor der Tür und Mister D. versucht das klopfen zu überhören um Zeit zu schinden.

    Ob es ein Finaler-Bailout wird, wird sich zeigen, ist aber zu befürchten.

    Noch scheint die breite Masse ahnungslos und vertrauensvoll zu sein, aber wenn dann das Heli-Geld kommt und alle merken was gespielt kann es schnell mit dem Vertrauen zu ende sein und dann Gnade uns Gott.

    16:16 Uhr, 22.03. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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