Kommentar
08:21 Uhr, 18.05.2015

Die Apokalypse, die nie kam

Unser Finanzsystem hätte eigentlich schon mehrfach zusammenbrechen müssen, wenn man den Prognosen bekannter Crashpropheten glaubt. Geschehen ist es nicht. Wieso eigentlich nicht?

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  • Gold
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    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

2008 war es soweit. Das weltweite Finanzsystem stand so kurz vor dem Kollaps wie noch nie. Einzelne Länder hatten zuvor Zusammenbrüche erlebt, doch die ganze Welt, das war neu. Der Schock ist noch immer nicht ganz vergessen. Dafür sind die Folgen noch immer zu deutlich zu spürbar. In vielen Teilen der Welt sind die Folgen noch lange nicht ausgestanden. In den USA halten sich strukturelle Probleme des Arbeitsmarktes beharrlich. In Europa wäre man froh diese Probleme zu haben. Bis man in Ländern wie Spanien überhaupt feststellen kann, dass es solche Folgen gibt, vergehen wohl noch Jahre.

Japan kocht sein eigenes Süppchen. Hier sind es nicht so sehr die Folgen der Finanzkrise, die bekämpft werden, sondern demographische Probleme. Wie sich diese durch die Notenpresse beseitigen lassen, ist vollkommen offen. Die Bevölkerung beginnt ja nicht plötzlich wieder zu wachsen, nur weil die Notenbank Staatsanleihen kauft.

Wie dem auch sei, Weltuntergangsszenarien haben Hochkonjunktur. Seit dem beinahe Kollaps 2008 wird regelmäßig der Weltuntergang angekündigt. 2011 wurde angekündigt, dass der Dow Jones auf 3.000 Punkte fallen würde. Einige gingen sogar soweit und hielten 1.000 Punkte für möglich. Der Grund: es wurde vermutet, dass der Zusammenbruch, der 2008 dann doch nicht kam, eben 2011 stattfinden würde. Nun, er fand nicht statt.
Ebenfalls 2011 kündigte Alan Greenspan das Ende des Euro an. Er war überzeugt: der Euro würde scheitern und zwar eher früher als später. Jetzt, 4 Jahre später, steht die Eurozone noch immer. Dem Euro geht es überraschend gut. Die EZB hat den Kurs nach unten gedrückt, doch alles in allem ist der Euro noch immer überraschend stark.

Als Folge des Weltuntergangs sollte Gold auf mindestens 3.000 oder sogar 5.000 USD je Feinunze steigen. Davon ist der Preis weit entfernt. Seit den Hochs im Jahr 2011 gab der Preis sogar um ein Drittel nach. Die Verdreifachung oder sogar Verfünffachung lässt noch auf sich warten. Ein Grund für die hohen Goldpreise sollte hohe Inflation sein. Fast 100% der Analysten sagten hohe Inflation voraus. Nicht alle übertrieben und sahen Szenarien wie in Simbabwe (mehrere 1.000% Inflation) voraus, doch die meisten sahen die Inflation deutlich steigen. Wenn eine Notenbank Milliarden in den Markt pumpt, dann muss das doch die Folge sein.

Nichts davon ist passiert. Die Eurozone steht noch, von Hyperinflation ist weit und breit keine Spur, die nächste große Depression lauerte niemals um die nächste Ecke usw. Alle Untergangsvorhersagen waren im Prinzip für die Papiertonne. Wieso das so ist kann man kaum sagen, denn die meisten Überlegungen waren durchaus plausibel. Wer kann denn schon ahnen, dass es nicht zur Inflation kommt, wenn die Notenbanken plötzlich 20% des BIPs in Anleihenkaufprogramme stecken? Wie kann es überhaupt möglich sein, dass eine Währung überlebt, wenn die Hälfte der Mitgliedsstaaten de facto bankrott ist?

Es schien äußerst unwahrscheinlich, dass die Welt nicht zusammenbrechen würde. Trotzdem ist genau das passiert. In diesem Jahr häufen sich wieder die düsteren Prognosen. Dass sie eintreten werden ist genauso wahrscheinlich wie zuvor. Mit anderen Worten: man muss sich eigentlich keine Sorgen machen.

Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. Die meisten Untergangsprognosen wurden auf Basis von Annahmen gemacht, die zwar logisch klangen, aber am Thema vorbei gingen. Hyperinflation wurde wegen der QE Programme vorhergesagt. Das mag alles in sich schlüssig sein. Es wurde jedoch nicht beachtet, dass andere Faktoren dem entgegenwirken (Überkapazität, Überschuldung). Der Untergang des Euros wurde unter der Annahme beschworen, dass die EZB relativ machtlos sei. Das Gegenteil ist der Fall. Die Politik der EZB manipuliert den Markt stärker als jene der Fed oder der Bank of Japan.

Was die meisten übersehen sind mehr die Folgen der Politik der letzten Jahre. Der Zusammenbruch 2008 wurde verhindert, dafür wurden neue Probleme geschaffen, die kaum kontrollierbar sind. Die Rettung des Finanzsystems hat dazu geführt, dass es heute instabiler ist als damals. Wieso? Die Liquidität hat massiv abgenommen. Wenn heute Investoren Assets alle gleichzeitig verkaufen möchten, dann kommt es zu einem schnelleren und größeren Kollaps als 2008.

Was heute verhindert werden muss ist, dass alle gleichzeitig durch dieselbe Tür wollen. Auslöser für Panikverkäufe kann man nun aber schlecht kontrollieren. Die nächste Krise kommt schließlich bestimmt. Es lässt sich gar nicht vermeiden, dass eine Wirtschaft früher oder später auch wieder in die Rezession fällt. Konjunkturzyklen sind ja nicht abgeschafft.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Vermögenswerte heute so hoch bewertet sind wie selten zuvor. Kommen Investoren Zweifel am makroökonomischen Umfeld, dann kann dieser Funke schnell zu einem Flächenbrand werden.

Die Lage wird sich in den kommenden Jahren kaum entspannen. Es gibt mehr als genügend potentielle Auslöser für eine Krise. Genannt sei hier nur die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft, ein Abschwung der US Wirtschaft oder politisches Chaos in Europa (Syriza, Podemos).

Um zu verhindern, dass aus einem Auslöser, der durchaus für sich allein genommen unbedeutend erscheinen mag, ein Flächenbrand entsteht, müssen die Notenbanken auch in Zukunft in den Finanzmarkt eingreifen. Die Instabilität, für die sie selbst gesorgt haben, können sie nur kontrollieren, wenn sie immer mehr der Risiken selbst übernehmen. Um einen Zusammenbruch des Anleihenmarktes zu verhindern, müssen Notenbanken Liquiditätsgeber werden. Um einen Zusammenbruch des Aktienmarktes zu verhindern, müssen sie notfalls auch Aktien kaufen (wie in Japan bereits üblich).

Das Spiel lässt sich nur eine begrenzte Zeit lang fortsetzen. Irgendwann kommt man nicht darum herum, einen radikalen Schnitt zu wagen. Wie aber beseitigt man Risiken, die geschaffen wurden, um das System zu retten? Dafür gibt es keine einfache Antwort. Bisher hat sich noch keine Option aufgetan, die schonend über die Bühne gehen würde. Stattdessen muss man befürchten, dass es ohne einen Reset nicht geht. Je länger der Markt manipuliert und Risiken von ihm „ferngehalten“ werden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit eines Kollaps. Das ist eigentlich unausweichlich. Davon sind inzwischen viele überzeugt. Dazu gehöre auch ich. Aber kommt der Kollaps schon heute oder morgen? Höchstwahrscheinlich nicht. Die für die kommenden Jahre angekündigten Weltuntergänge werden sehr wahrscheinlich nicht stattfinden. Als Anleger muss man wachsam bleiben. Doch bis die Party wirklich vorbei ist können noch viele Jahre ins Land streichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kollaps erst einmal nicht kommt ist höher, als dass er kommt. Man darf daher als Anleger durchaus auch in diesem überbewerteten und verrückten Markt aktiv sein.

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8 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Also wenn dann im Endstadium Mehrheiten an allen wichtigen Firmen den Notenbanken gehören, der Staat sowieso, und gleichfalls davon ausgegangen, dass das noch immer etwas anderes ist als "unser" Volkseigentum - was tun dann die früheren Investoren, die dann auf riesigen Cash-Beständen sitzen müssten? Schauen die sich nur noch in Entwicklungsländern nach Hochrisikinvestments um? Quasi mit dem Notenbankgeld? Irgendwas stimmt noch nicht mit dieser Analyse. (Ist die fehlende Komponente im Chaos eine genügend linke Regierung?)

    10:41 Uhr, 18.05. 2015
  • Martin2013
    Martin2013

    Eine Bitte Herr Schmale. Sie haben genug Intelligenz um nicht vom Weltuntergang zu schreiben. Sie sind doch kein Astrophysiker, oder etwa doch? Im Jahr 2009 dachte ich der Finanzkollaps wird 2016 kommen. Allerdings haben sich jetzt viele Dinge anders entwickelt als ich angenommen habe. Der Crash lässt auf sich warten, daher die Zeit nutzen und sich gewisse Basisfähigkeiten anlernen.

    10:22 Uhr, 18.05. 2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Fazit: ALLES ist moeglich und das Jederzeit! Der grosse Knall wird unweigerlich kommen. Die Frage ist nicht mehr OB, sondern wann. Das Ganze erinnert derweil an die beruehmte "Reise nach Jerusalem" ein beliebtse Kindergeburtstagsspiel. Happy trading(Wahnsinn)

    09:38 Uhr, 18.05. 2015
  • netzadler
    netzadler

    mal kurz nebenher, Kompliment herr schmale

    sie posten hier laufend Fragestellungen im makro, die allesamt nachdenkenswert.

    insofern stechen Sie hier als Kommentator deutlich heraus

    Sie wären bei einem think tank sicher gut aufgehoben...oder Sie machen selber einen auf

    09:14 Uhr, 18.05. 2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Danke Herr Schmale - bin völlig Ihrer Meinung. Ich sehe es auch so, dass der Kollaps irgendwann kommen muss, aber nicht in den nächsten 5 Jahren. Die Frage wird noch sein, ob man Mechanismen etabliert, die dafür sorgen,dass Risiken in Zentralbankbilanzen "verschwinden". Das Problem dabei ist 1. Ein solcher Mechanismus etabliert und verschärft weitere Vermögensungleichgewichte 2. Die Rolle der Zentralbanken entwickelt sich immer mehr zu einer Central Planning Instanz, die über alle wirtschaftliche Aktivität die "Hand" hält (durch die Versorgung mit Geld).

    Letztlich könnte man alle Schulden der Staaten in den Zentralbankbilanzen verschwinden lassen. Das Problem ist: Die ganze Geschichte geht dann von vorne los ;-).

    08:36 Uhr, 18.05. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
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