Kommentar
07:01 Uhr, 20.07.2016

Die Angst vor dem eigenen Erfolg

Dass der Aktienmarkt von Emotionen wie Angst und Gier getrieben ist, weiß jeder. Die Angst greift nun aber auf Institutionen über, von denen man es nicht erwartet.

Paradoxe Situation

Notenbanken bleiben bei ihrer ultralockeren Geldpolitik, um das Wachstum anzukurbeln. Wenn sie damit Erfolg haben, kommt jedoch eine Lawine an Problemen auf sie zu. Keiner spricht es aus, doch man kann erahnen: Notenbanken haben ein wenig Angst davor, Erfolg zu haben.

Um die Komplexität noch etwas zu erhöhen gibt es einen eklatanten Widerspruch zwischen den Ängsten der Notenbanken und den Ängsten des Marktes. Der Markt fürchtet sich vor dem Absturz der Wirtschaft. Auch Notenbanken treibt diese Sorge um, doch aktuell scheint das Kernproblem an einem anderen Ort zu liegen. Haben Notenbanken Erfolg und kann die Wirtschaft wieder auf ihren ursprünglichen Wachstumspfad zurückkehren, dann dürften Notenbanken damit überfordert sein, ihre Geldflut effektiv wieder einzufangen.

Das Beste, was Notenbanken passieren kann, ist moderates Wachstum

Alles andere ist äußerst problematisch. Zu niedriges Wachstum bringt offensichtliche Probleme mit sich. Ist das Wachstum zu niedrig bzw. negativ, bleibt die Arbeitslosigkeit hoch, Schulden können nicht abgebaut werden, Banken werden ihre faulen Kredite nicht los und der Staat versinkt in noch mehr Schulden.

Hohes Wachstum hingegen klingt eigentlich gut, aber auch hohes Wachstum bringt große Probleme mit sich. Die derzeitige Geldflut führt nur aus einem einzigen Grund zu keinen offensichtlichen Spekulationsexzessen. Konsumenten, Unternehmen und Bürger sind skeptisch. Ihnen fehlt jegliche Euphorie für die Zukunft. In der Folge bleibt der Konsum in den meisten Ländern moderat und Unternehmen investieren wenig.


Haben die Notenbanken Erfolg und ändert sich die Stimmungslage, wird es schnell kritisch

Einerseits wollen die Notenbanken durch ihre Politik Wirtschaftsakteure dazu bewegen mit voller Zuversicht in die Zukunft zu blicken und zu investieren und zu konsumieren. Doch wenn sie dies tun während der Geldhahn offen ist, kommt es sehr schnell zu einer Fehlallokation von Kapital.

Ungleichgewichte und Spekulationsexzesse kommen insbesondere durch einen Faktor zustande: zu niedrige Zinsen für das vorherrschende Wirtschaftswachstum. Beschleunigt sich das Wachstum vom derzeitigen Niveau aus, befinden wir uns genau in dieser Situation. Beginnen sich Wirtschaftsakteure z.B. für Investitionen zu verschulden, wenn die Zinsen zu niedrig sind, stimmen Rendite der Investition nicht mehr mit dem Zinsniveau überein, sobald diese steigen.

In den letzten Jahren waren die Zinsen sehr niedrig und sie fallen aktuell noch weiter

Das ist solange kein Problem, solange die Zinsen und das Wachstum niedrig bleiben. Sobald sich das Wachstum jedoch beschleunigt, kommt es zu einem Ungleichgewicht.

Notenbanken können diesem Ungleichgewicht nicht tatenlos zusehen. Heben sie die Zinsen nicht an, verschlimmert sich die Schieflage sehr schnell. Heben sie die Zinsen jedoch an, würgen sie den Aufschwung aller Wahrscheinlichkeit nach ab.

Weltweit gibt es derzeit nur eine der großen Notenbanken, die sich über dieses Szenario ernsthaft Gedanken machen muss: die US-Notenbank. Sie zögert einen weiteren Zinsschritt mit Verweis auf die Unsicherheiten (Brexit usw.) hinaus. Je länger sie den nächsten Zinsschritt jedoch hinauszögert, desto wahrscheinlicher kommt es zu einem Überschießen der Ziele und zu einem Ungleichgewicht.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht kein Problem

Der IWF sieht bei sich beschleunigendem Wachstum lediglich eine höhere Inflationsrate oberhalb der Zielmarke von 2 %. So einfach ist das aber nicht. Die US-Notenbank hat das erkannt.

Sie hat einen gehörigen Respekt und vielleicht auch ein bisschen Angst vor der Situation, in der sich das Wachstum beschleunigt und die Ziele übertroffen werden. Sie warnt immer wieder davor, dass sie die Zinsen dann rasch anheben muss, um die entstehende Schieflage zu korrigieren. Ein rascher Zinsanstieg wiederum kann selbst zu einem Ungleichgewicht führen.

Unternehmen, Konsumenten und Staaten sind auf niedrige Inflation und minimale Zinsen eingestellt

Steigen diese dann plötzlich und entgegen der Erwartung, wird ein großer Anpassungsprozess notwendig. Dieser Prozess verläuft aller Voraussicht nach ungeordnet.

Die US-Notenbank sieht sich mit diesem Dilemma konfrontiert. In anderen Regionen ist es noch nicht soweit. Persönlich habe ich meine Zweifel, dass Notenbanken einen Wachstumsschock (höheres Wachstum) effektiv managen können. Wenn sich eine Wachstumsbeschleunigung abzeichnet, ist übermäßige Freude verfrüht. Persönlich halte ich ein sich plötzlich beschleunigendes Wachstum aktuell für das größte Risiko, größer jedenfalls als die bekannten Risiken wie Brexit usw.

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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