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14:59 Uhr, 29.04.2022

Deutschland steht Öl-Embargo nicht mehr im Weg

Deutschland hat signalisiert, dass es sich einem Embargo der Europäischen Union gegen russisches Öl nicht widersetzen würde, zeigte sich aber skeptisch, dass dies das wirksamste Mittel ist, um Wladimir Putin zu schaden.

Berlin (Godmode-Trader.de) - Infolge der russischen Aggression gegen die Ukraine haben westliche Länder umfangreiche Sanktionen verhängt, die vor allem darauf abzielen, Russlands Zugang zu harten internationalen Währungen zu beschränken. Russland ist jedoch nach wie vor der weltweit größte Exporteur von Öl und Gas, was bei den derzeitigen Energiepreisen hohe Devisen-Einnahmen ermöglicht. Während der Krieg weitergeht, stehen die europäischen Regierungen unter zunehmendem Druck, ihre Energiesanktionen zu verschärfen, nachdem die USA, Großbritannien, Kanada und Australien bereits entsprechende Importverbote beschlossen haben.

Nun ist auch für Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck ein Öl-Embargo der Europäischen Union gegen russisches Öl tragbar. Ein Stopp der russischen Ölimporte würde der größten europäischen Volkswirtschaft zwar ernsthafte Schmerzen bereiten, einschließlich Versorgungsengpässen und „enormen Preissteigerungen“, sagte Habeck am Donnerstagabend im ZDF. „Aber wir werden keine nationale Katastrophe mehr erleben“. Man habe große Fortschritte erzielt und könnte sich einem Embargo nun anschließen, wenn es beschlossen werden würde. „Deutschland steht dem nicht im Wege."

Habeck hatte diese Woche bereits erklärt, dass Deutschland seine Abhängigkeit von russischem Öl bereits so weit reduziert habe, dass ein vollständiges Embargo „überschaubar" wäre. Der Anteil des russischen Öls an den deutschen Importen sei von 35 Prozent vor dem Einmarsch in der Ukraine auf etwa 12 Prozent gesunken, sagte Habeck am Dienstag bei einem Besuch in Warschau.

Im ZDF machte er am Donnerstag aber deutlich, dass er einem Ölembargo skeptisch gegenüberstehe. Ein solcher Schritt könnte „kontraproduktiv" sein, da er es Russland ermöglichen würde, andere Länder zu einem noch höheren Preis zu beliefern. Putin könnte das Öl auch nutzen, um Länder zu nötigen, seinen Kurs zu unterstützen, sagte Habeck. „Wir müssen verhindern, dass der Ölpreis weltweit so steigt, dass nur Deutschland, Westeuropa, die USA und vielleicht Kanada sich das leisten können", fügte er hinzu. „Und dann kommt Putin und sagt: Seht ihr, was passiert, der kapitalistische Westen macht euch arm, ich helfe euch und ihr bekommt von mir 20 Prozent Rabatt. Ich möchte, dass du mein Verbündeter bist.“

Es gebe andere Möglichkeiten, die die westlichen Verbündeten diskutierten, um Russland zu schaden und zu versuchen, den Krieg zu beenden, sagte Habeck, ohne Einzelheiten hierfür zu nennen.

Die Folge eines Ölembargos der EU gegen Russland könnten hohe Öl- und damit auch Benzin- und Dieselpreise sein. Nach dem Ausstieg aus Kohleimporten aus Russland wäre ein Ölstopp durch die EU ein nächster Schritt, um Russland die Finanzierung des Ukraine-Krieges möglicherweise zunächst zu erschweren. Laut der Denkfabrik Bruegel wäre es für Europa aber der effizienteste Weg, russische Energie zu sanktionieren, statt auf sie zu verzichten. Zu denken wäre an die Einführung eines Einfuhrzolls, der flexibel eingesetzt werden könnte, um das Ausmaß des wirtschaftlichen Drucks auf Russland zu steuern. Fraglich ist nur, was Wladimir Putin davon hält und wie seine Reaktion aussähe.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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