Fundamentale Nachricht
21:20 Uhr, 14.07.2015

Deutschen Sparern entgehen in den nächsten fünf Jahren bis zu 200 Milliarden Euro

Das dauerhaft niedrige Zinsniveau ist ein Ergebnis der Zentralbankenpolitik und realwirtschaftlicher Faktoren. Trotz der jüngsten Renditeanstiege an den Anleihemärkten scheint auf absehbare Zeit ein Vermögensaufbau mit risikoarmen Anlageformen schwierig.

Frankfurt (Godmode-Trader.de) - Wie lang wird das Niedrigzinsumfeld noch anhalten und wie wirkt es sich auf die Vermögenssituation der Deutschen aus? Mit dieser Fragestellung setzt sich die aktuelle Analyse des Center for Financial Studies (CFS) an der Goethe-Universität Frankfurt im Auftrag von Union Investment auseinander. „Die gegenwärtig niedrigen Zinsen sind nicht nur ein kurzfristiges, sondern ein potenziell langfristiges Phänomen“, sagt Uwe Walz, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Goethe-Universität Frankfurt und Leiter der Analyse „Ein Argument sind auch strukturelle Verschiebungen der Weltwirtschaft weg von kapitalintensiven hin zu digitalen Industrien, die weniger Kapital benötigen.“ Daher erwartet er für die kommenden drei bis fünf Jahre mit einer hohen Wahrscheinlichkeit niedrige reale Zinsen am kurzen und langen Ende. Der Realzins, also der Zins nach Abzug der Inflation, wird sich weiter in einer Spanne von 0 bis 2 Prozent bewegen. Das ist weit unter dem Durchschnitt der Nachkriegszeit.

Das trifft private Haushalte in Deutschland in doppelter Hinsicht: direkt über ausbleibende Zinserträge und indirekt über geringere Renditen bei Anlageprodukten etwa für die Altersvorsorge. „Die weitverbreitete Strategie bundesdeutscher Haushalte, in sehr liquide, risikoarme und daher niedrig verzinsliche Anlagen zu investieren, ermöglicht keinen langfristigen Vermögensaufbau etwa zur Altersvorsorge“, erklärt Professor Walz. Denn tatsächlich stieg in den vergangenen Jahren der Anteil von Bargeld und Einlagen sowie der hohe Anteil privater Lebensversicherungen weiter an, während sich der Wertpapierbesitz am Bruttogeldvermögen deutscher Haushalte rückläufig entwickelt. Zudem findet eine Umschichtung in Immobilien und langlebige Konsumgüter statt.

Um die zukünftigen Vermögenseffekte auf die privaten Haushalte abzuschätzen, ermittelten die Forscher des CFS die kumulierten entgangenen Zinserträge. So könnten sich etwa die Bruttovermögensverluste in den nächsten fünf Jahren bei einem unterstellten Zinsnachteil von zwei Prozent gegenüber dem langfristigen Durchschnitt auf 224 Milliarden Euro belaufen. Unter Berücksichtigung der Vorteile geringerer Kreditzinsen etwa bei der Immobilienfinanzierung wären es in fünf Jahren netto immer noch knapp 60 Milliarden Euro. Pro Haushalt entspräche dies einem Bruttovermögensverlust von 5605 Euro, netto 1586 Euro.

Doch bisher würden Privatanleger ihr Verhalten kaum anpassen. Sie erhöhten ihre Sparquote nicht, stattdessen blieben niedrigverzinsliche Anlagen, Immobilien und Konsum im Fokus. Die Folge sei ein Verzicht im Alter, da durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld deutlich weniger Vermögen zur Verfügung steht. „Vollkasko bei der Geldanlage ist in diesem Umfeld keine Option mehr. Wenn in einem neuen Umfeld alte Muster nicht mehr greifen, braucht es Veränderungen“, sagt Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment. „Bei Anlegern muss ein Umdenken einsetzen. Es ist wichtiger denn je, sich neuen Anlageklassen zu öffnen.“

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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