Kommentar
12:43 Uhr, 09.09.2010

Des einen Not, des anderen Streik

Deutsche Privatanleger sind optimistisch! Aktuelle Umfragen von TNS Emnid und TNS Infratest machen deutlich, dass die breite Masse in den nächsten Monaten mit steigenden Aktienkursen rechnet. Aber: Verstärkt in Dividendentitel investieren wollen die Privatanleger deswegen noch lange nicht. Nur rund ein Fünftel der Befragten zeigt sich in Aktien-Kauflaune. Der Rest streikt und bleibt lieber bei seinen Tages- und Festgeldern. Während sich die Privaten frischen Aktieninvestments mehrheitlich noch verweigern, haben institutionelle Akteure bekanntlich ganz andere Probleme: Sie wissen gar nicht, wohin mit dem Kapital. Denn der Anleihemarkt bietet derzeit nur magere Gewinnchancen. Da bleibt vielen kaum etwas anderes übrig, als die Aktienmärkte genauer unter die Lupe zu nehmen.
Doch was sie da in den letzten Tagen zu sehen bekamen, machte nicht allzu viel Freude: Dem nach wie vor schwächelnden US-Arbeitsmarkt will Präsident Barack Obama nun zwar mit einem neuen Infrastrukturprogramm in Höhe von 50 Mrd. USD beikommen. Aber selbst wenn die Maßnahmen vom Kongress gebilligt würden, seien sie nicht ausreichend, um die Arbeitslosigkeit zu senken, hieß es im Markt. Daneben wurden die europäischen Bankenstresstests noch einmal aufs Tapet gebracht. Das Wall Street Journal will herausgefunden haben, dass die Finanzhäuser nicht das ganze Ausmaß ihrer Engagements bei Staatsanleihen hochverschuldeter Länder offengelegt haben. Und damit nicht genug der Sorge um Europas Banken: Nach den neuen Basel-III-Vorschriften könnten ihnen künftig deutlich schärfere Eigenkapitalregeln blühen, gaben viele Experten zu bedenken.

Das war offensichtlich aber nicht genug, um den mittelfristig orientierten Akteuren Angst einzujagen. Warum auch? Das jüngste Engagement war für die Mehrheit der Optimisten schließlich äußerst erfreulich. Sie hatten beim DAX zu günstigen Kursen weit unterhalb der 6.000er Marke zugegriffen und geschaut, wie sich das Blue-Chips-Barometer wieder in die Mitte seiner breiten Konsolidierungszone vorarbeitete. Dass nun einige der Bullen ihre Schäfchen, will heißen: ihre Profite, ins Trockene gebracht haben und ins neutrale Lager wechselten, kann man ihnen kaum verübeln. Unterdessen zogen sich auch ein paar Bären zurück an die neutrale Seitenlinie. Unser Bull/Bear-Index bleibt ob dieser moderaten Verschiebungen unverändert und notiert weiterhin komfortabel oberhalb seines Jahresschnitts.

Der Anlagestreik der Privaten steht einem Anlagenotstand der Institutionellen gegenüber, denen kaum Alternativen zum Aktienmarkt bleiben. Per saldo ergibt sich daraus freilich eher Unterstützung als Belastung für den DAX. Dennoch hat selbiger gerade eine kleine Verschnaufpause in der Mitte seiner Seitwärtsspanne eingelegt. Entsprechend gelassen reagieren die Marktteilnehmer. Sämtliche Ängste oder auch plötzliche Anflüge von Risikoappetit währen nicht sonderlich lange – stattdessen fangen wir mannigfaltige Meinungen ein, die sich stündlich auch schon wieder ändern können. Kurz: Die Daxianer spielen das Spiel mit der Konsolidierungszone weiter munter und flexibel mit. Schieflagen bleiben weiterhin die Ausnahme, so dass die DAX-Erholung noch nicht zu Ende sein muss. Auf allzu viel Dynamik sollte man aber nicht hoffen.

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