Der Mythos der ETF-Gefahren
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In den (Finanz-)Medien werden immer wieder Fragen aufgeworfen wie "Verstärken ETFs Übertreibungen an den Aktienmärkten?" und "Sind ETFs nicht Mogelpackungen?"
Ein weiterer ETF-Mythos
Oft wird dabei behauptet, ETFs müssten laufend stark gestiegene Aktien nachkaufen bzw. stark gefallene Aktien verkaufen, um ihren Vergleichsindex stets korrekt nachzubilden. Ich weiß nicht, ob solche Aussagen der Unwissenheit der Autoren geschuldet oder ein Dienst an der "Fondsindustrie" sind.
Klar ist, solche Aussagen sind falsch und die Behauptung, ETFs würden Trends verstärken, ist ein Mythos. Ein ETF, der einen Index abbildet, hat im Idealfall die Aktien dieses Index in der entsprechenden Gewichtung im Depot. Wenn eine Aktie (z.B. Nvidia) nun sehr stark steigt, steigen sowohl der Index als auch der ETF. Nachkaufen muss der ETF deshalb nicht – das tut der Index schließlich auch nicht! Und sofern der ETF keine neuen Mittel erhält, hat er auch gar kein Kapital für Nachkäufe. Bei fallenden Kursen gilt das Gleiche. Hier könnte der ETF zwar verkaufen, aber dann hätte er einen entsprechenden Cash-Anteil, der das Index-Tracking verwässern würde.
Richtig ist allerdings, dass mit steigenden Kursen einer Aktie deren Marktkapitalisierung steigt. Und wenn der Aktienkurs stärker steigt als der Index insgesamt, steigt auch der Anteil der betreffenden Aktie im Index. Diese höhere Gewichtung vollziehen aber sowohl Index als auch ETF automatisch.
Warum Fonds – auch ETFs! – meist trotzdem die Trends verstärken
Dennoch verstärken Fonds (nicht nur ETFs!) in der Regel die Trends tatsächlich. Das geschieht, wenn ihnen Mittel zufließen, weil z.B. mehr Anleger durch die steigenden Kurse an die Börse gelockt werden. ETFs müssen dann sofort die Aktien ihres Index im entsprechenden Verhältnis nachkaufen, um ihren Index nachzubilden. Das tun sie auch dann, wenn die Kurse längst in eine Übertreibung übergegangen sind. Und wenn die Anleger in einer Panik bei fallenden Kurse ihre ETFs abstoßen, müssen die ETFs Aktien verkaufen, um die Anleger auszuzahlen. So sind halt die Regeln.
Dadurch werden die Trends in beide Richtungen zwar verstärkt, aber das geschieht nicht durch eine "Fehlfunktion" der ETFs, sondern durch das Fehlverhalten der Anleger. Das ist bei Fonds, die aktiv gemanagt werden, übrigens nicht anders. Sie könnten zwar theoretisch in einer Übertreibung neu zufließendes Kapital als Cash halten. Dadurch verwässern sie aber ebenfalls ihre Performance. Und falls das über längere Zeit geschieht (weil die Übertreibung doch noch länger läuft), dann gibt es mit den Kunden und dem Management Ärger.
Um diesen zu vermeiden, investieren die Profis trotzdem. Und daher müssen sie auch in der folgenden Baisse Aktien verkaufen, wenn die Kunden ihre Gelder aus Panik abziehen – schließlich brauchen sie Cash, um die Kunden auszuzahlen. Daher werden auch "normale" Fonds zu Trendverstärkern. Sie agieren vielfach ebenfalls wie ETFs, die Kunden müssen dafür nur mehr bezahlen. Und wegen dieser Kosten (und mancher Fehlgriffe der Manager) ist am Ende die Performance sehr oft (viel) schlechter als bei ETFs, wie die Grafik in Folge 1 zeigt.
"Schuld" sind Indizes!
Die zweite Frage nach der "Mogelpackung" zielt auf die US-Lastigkeit vieler ETFs ab. Das gilt insbesondere bei der beliebten MSCI-World-Familie. Der Name suggeriert, dass man sich damit "die Welt" kauft. Das ist aber ein Trugschluss, der auch historisch entstanden sein mag: Als MSCI in den 1970er-Jahren seine Indizes aufbaute, bestand die Börsen-"Welt" tatsächlich überwiegend aus den etablierten Märkten. In den Ländern, die wir heute zu den Emerging Markets zählen, waren Investments damals vielfach unmöglich.
Inzwischen hat sich die Welt geändert, der Name ist geblieben. Und so kommt es, dass im MSCI World nur die Aktien aus den (großen) Industrieländern enthalten sind, von den USA bis Österreich. Und da die MSCI-Indizes – wie fast alle Indizes nach Marktkapitalisierung gewichtet und die USA nun einmal der größte Aktienmarkt der Welt sind, haben US-Aktien den größten Anteil am MSCI World (72,02 %), während Portugal als kleinster Vertreter des MSCI World auf 0,04 % kommt.
Quelle: iShares (Stand 31.03.2025)
Von „Mogelpackung“ oder gar "Schummel-Index" kann also keine Regel sein. Es ist nicht die Schuld der ETFs, dass nicht drin ist, was draufsteht. Das hat die genannten historischen Ursachen, die Indexanbieter MSCI dadurch zu korrigieren versucht, dass man den MSCI ACWI (All Countries World Index) aufgelegt hat, in dem auch die Emerging Markets vertreten sind.
Nur: Da all diese Indizes nach Marktkapitalisierung gewichtet sind, sind auch dort US-Aktien mit 65,75 % vertreten. Das kann man schlecht finden, keine Frage. Aber so sind halt die (Index-)Regeln. Die ETFs können nichts dafür. Man kann auch ETFs auf anders gewichtete (Welt-)Indizes kaufen. Ob das eine oder andere besser ist und ob der "Run" auf ETFs die aktiven Anleger aus dem Markt drängt, habe ich vor einiger Zeit in diesem Artikel beleuchtet.
Wie Du ein echtes Welt-Depot zusammenstellst
Wenn Du also wirklich "die Welt" kaufen willst, solltest du selbst ein "Welt-Portfolio" zusammenstellen. Dazu nimmst du am einfachsten je einen ETF auf die USA, Europa, Asien/Pazifik bzw. Japan (das diesen Regionalindex ebenso stark dominiert wie die USA den MSCI World) sowie gegebenenfalls die Emerging Markets (deren Indizes allerdings stark China-lastig sind…).
Dann musst Du Dir nur noch überlegen, wie Du die einzelnen Teile gewichten willst. Ob Du damit aber dann besser als der MSCI World Index fährst? Einfacher ist es jedenfalls nicht.
Klar, das mag unbefriedigend erscheinen, und natürlich kann man diese Verhältnisse als "Mogelpackung" bezeichnen. (Einige Autoren tun dies auch gelegentlich, um Aufmerksamkeit zu erheischen.) Aber auch mit dem "Gaspedal" im Auto dosiert man längst kein Gas mehr. Trotzdem weiß jeder, was gemeint ist.
Und alle Anleger sollten sich vor jedem Investment informieren, wohin sie ihr Geld stecken. Das ist bei ETFs besonders leicht – es gibt nur für wenige Finanzprodukte so gute und ausführliche Information direkt von den Anbietern wie über sie.
Fazit
Es bleibt also dabei: ETFs sind gute Instrumente, um in (sehr) breite Märkte zu investieren. Ihre Eigenschaften, ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile sind auf die Indizes zurückzuführen, auf denen sie basieren.
Im stockstreet Geldanlage-Brief, dem Börsendienst für Vermögen und Wohlstand, nehme ich ebenfalls ETFs ins Depot. Bei der Auswahl berücksichtige ich natürlich auch die (Klumpen-)Risiken. Überzeuge Dich selbst – mit dem 30-tägigen kostenlosen Probeabo, inklusive vollem Zugriff auf das Online-Archiv ab 2018, auch während der Testphase!
Und hier die Links zu den bisherigen Folgen dieser Serie:
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