Der Goldstandard: Ein praktikables Konzept für das neue Jahrtausend?
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Erwähnte Instrumente
von Daniel Kühn
Die Finanzkrise stellt das Weltwährungssystem in Frage: Die ersten Experten fordern die Rückkehr zum Goldstandard – und damit die Aufgabe des ungedeckten Papiergeldes („Fiat money“)
Der Chefvolkswirt von Barclays Capital prescht am deutlichsten vor: Thorsten Polleit fordert die Rückkehr der Währungssysteme zum Goldstandard, und gleichzeitig eine Belebung des Bretton Woods –Systems (die Währungen, die goldbesichert sind, haben dann folgerichtig auch feste Wechselkurse). Sein Vorschlag: Die Bindung der Bankverbindlichkeiten an die jeweils in den Zentralbanken lagernden Goldmengen – ein erstaunlich willkürlicher Ansatz. In Europa sind das rund 31.500 Milliarden EUR. Bei voller Golddeckung entspräche dies einem doch recht sportlichen Feinunzenpreis von 40.000 EUR. In den USA ergäbe der gleiche Ansatz 20.000 US-Dollar je Unze, woraus sich ein Wechselkurs von 1 EUR / 0,5 US-Dollar ergäbe (was doch recht auffällig von der Bewertung abweicht, die der Markt aktuell dem Dollar zugesteht). Selbst bei bloßer Anbindung der Geldmengen (und nicht der Bankverbindlichkeiten) käme man auf 10.000 EUR bzw. 5.000 Dollar je Feinunze.
Es ist nicht überraschend, dass in der Krise die Reformideen blühen. Aber gerade jetzt die Rückkehr zum Goldstandard zu fordern erscheint leicht grotesk. Der Patient Wirtschaft hat akute Probleme. Wenn jemand mit geöffnetem Bauch auf dem Operationstisch liegt, dann muss man ihn operieren so dass er weiter leben kann. Änderungen im Lebenswandel, die möglicherweise zu der Eingriffsnotwendigkeit geführt haben, kann man erst nach der Genesung angehen.
Aktuell fehlt es der Wirtschaft an verlässlicher Güter-Nachfrage und einer stabilen Geldversorgung. Das Papiergeldsystem mag ein Mitverursacher der Krise gewesen sein, aber akut schadet die Infragestellung des Systems mehr als sie nutzt. Schließlich soll Vertrauen einkehren und nicht Panik. Die exzessive Geldhortung und Liquiditätspräferenz zeigt zudem nicht gerade ein allgemeines Misstrauen in das Geldsystem an sich. Wenn das so wäre, müssten Anleihen extrem gemieden werden und Sachwerte stark gesucht sein. Beides ist nicht der Fall, wie man am rapiden Verfall aller möglichen Asset-Klassen ablesen kann.
Gold ist allerdings der einzige „Rohstoff“, der nahe an seinem Alltimehigh notiert. Neben seinem traditionellen Ruf als Krisenwährung trägt die Knappheit des Edelmetalls dazu bei. Die Minenproduktion liegt bei rund 2200t pro Jahr, mit Notenbankverkäufen und Recycling kommt man auf eine Angebotsmenge von etwa 3700t pro Jahr. Die Nachfrageseite wird mit knapp 70% (jedenfalls noch) von der Schmuckindustrie dominiert, die Industrie fragt 13% nach, die Investmentseite 19% (Durchschnitts-Zahlen 2003 bis 2007). In Euro gerechnet, ist der jährliche Goldmarkt also rund 75 Mrd. EUR schwer. Insgesamt gibt es derzeit rund 160.000t Gold (Quelle: Gold World Council, www.gold.org) , wobei in etwa die Hälfte in Schmuck verbaut ist, rund 18% lagern bei den Zentralbanken, und 16% im Investmentbereich (Barren, Münzen etc). Angesicht der Billionen-Summen, die derzeit ohne Wimpernzucken aus dem Boden gestampft werden, ist das natürlich nicht viel.
Zurück zum Goldstandard: Als es diesen noch gab, war die Finanzwelt eine völlig andere als heute. Bargeld und Zentralbankgeld machten den Großteil der Geldmenge aus. Heute dagegen dominiert das Buchgeld im Bankensystem stark mit ca. 90% Anteil. Schon alleine deswegen verbietet sich ein Vergleich zu früher. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit ein paar tausend Tonnen Gold in den Safes der Zentralbanken eine „Deckung“ des umlaufenden Geldes darstellen sollen (zumal über 80% des Goldes ja eben NICHT bei den Zentralbanken liegt). Wenn man eine Summe von 40.000 EUR (dafür bekommt man in manchen Gebieten schon eine kleine Eigentumswohnung) mit einer Unze Gold (31,1 Gramm!) deckt, dann kann man es gleich sein lassen. Von einem inneren Wert in die Höhe zu sprechen ist wohl leicht daneben kalkuliert.
Bleibt als einziger Vorteil die Begrenzung des Geldmengenwachstums, wenn das im heutigen Bankensystem überhaupt mit diesen Mitteln machbar ist.
Dies aber ist ein schwaches Argument. Wenn der Wille vorhanden ist, lässt sich dies auch gänzlich ohne Deckung machen – mit gesetzlichen Regelungen. Die Geldschöpfung im Banksystem lässt sich zudem hervorragend mit den Mitteln der Mindestreserve und –noch wichtiger – der Eigenkapitalunterlegung von Krediten steuern. Die Akutdiagnose Kreditklemme verlangt aber eher eine Erleichterung der Kreditvergabe.
Die Verfechter des Goldstandards unterliegen seinem Reiz in geradezu religiösem Eifer. Das muss wohl an dem faszinierenden Glanz liegen, der wirklich einen besonderen Charme hat. Der komplexen, globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts mit 6,5 Milliarden Einwohnern kann man mit dem äußerst unflexiblen Goldstandard kaum begegnen. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass er eine trügerische Sicherheit bietet. Die diversen Goldstandards in der Geschichte sind allesamt von den Regierenden wieder abgeschafft worden…schon alleine dieser Fakt sollte der Diskussion Einhalt gebieten.
Das sollte Sie aber nicht daran hindern, ihren eigenen Goldschatz zu hüten: 40.000 EUR pro Unze sollte allerdings nicht ihr Kursziel sein.
Autor: Daniel Kühn
Chefredakteur Traders-Journal
Melden Sie sich kostenlos für das Traders-Journal an unter www.traders-journal.de
Passende Produkte
WKN | Long/Short | KO | Hebel | Laufzeit | Bid | Ask |
---|
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.