Der Bärendienst der Fed
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So wies ich am vergangenen Montag darauf hin, dass „der DAX weiter nach oben angetrieben wird“, nachdem er die Marke von 18.500 Punkten bzw. die blaue Linie überschritten hat. Weiter hieß es: „Damit ist potenziell ein Anstieg bis 19.000 Punkte bis zum Verfallstag möglich.“ Und genau bei diesem runden Verfallstags-Kursziel landete der DAX – allerdings schon am Donnerstag, nachdem die Börsen die Fed-Entscheidung feierten:
Abgerechnet wurde der DAX aber „nur“ bei 18.858,13 Punkten. Der Grund: Die Partylaune hielt nur kurz an.
Daher überschrieb ich auch die Wochenausgabe meines Geldanlage-Briefs am Freitag mit „Die erste Reaktion ist nie die letzte!“ Tatsächlich sind es meist sogar drei…
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Die drei Marktreaktionen nach wichtigen Ereignissen
Die erste Reaktion erfolgt unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Hier tummeln sich meist nur News-Zocker und Algorithmen, die weitgehend automatisch reagieren. Oft gibt es dabei ein starkes Hin und Her, weil die einen schnell Gewinne mitnehmen, die anderen ihre Verluste sofort begrenzen.
Die zweite Reaktion gibt es im weiteren Verlauf mit einer Verzögerung. In dieser Zeit bewerten die ersten Investoren das Ergebnis und positionieren sich entsprechend.
Beides war nach der Fed-Entscheidung deutlich erkennbar:
Zunächst gab es starke Ausschläge unmittelbar danach sowie in den folgenden Minuten (gelbes Rechteck). Dann entstand ein klarer, nachhaltiger Aufwärtstrend, der den Dow Jones auf ein neues Hoch führte.
Dort stagnierte der Kurs, was mit Blick auf das bevorstehende Wochenende auch verständlich ist – vorerst wollten sich die Anleger nicht weiter aus dem Fenster lehnen.
Warum nun auch ein Kursrückgang möglich ist
Nun warten wir auf die dritte Reaktion. Aus charttechnischer Sicht ist eigentlich die Wiederaufnahme der Aufwärtstendenz zu erwarten – schließlich ist die jüngste Seitwärtskonsolidierung eine Fortsetzungsformation; der Anstieg sollte also weitergehen.
Ich halte aber einen Rückgang für ähnlich wahrscheinlich. Der Grund ist das „Drumherum“ der Fed-Entscheidung.
Sven Weisenhaus hat am Donnerstag aus dem Nähkästchen geplaudert, dass wir nur einen normalen, kleinen Zinsschritt (-0,25 Prozentpunkte) der Fed erwartet hatten. Die Konjunkturdaten machten aus unserer Sicht den „Jumbo-Schritt“ nicht nötig: Weder die Frühindikatoren noch die Arbeitsmarktzahlen signalisieren eine stärkere Abkühlung der US-Wirtschaft oder gar eine Rezession. Und die Inflation sinkt zwar, aber das Fed-Ziel von 2 % ist noch ein gutes Stück entfernt.
Mit dieser Ansicht standen wir nicht allein – alle volkswirtschaftlichen Kommentatoren sahen das genauso. Selbst die Märkte erwarteten bis eine Woche vor dem Fed-Meeting noch ganz klar nur einen kleinen Schritt (siehe Börse-Intern vom 17.09.2024). Bis dahin zeigten sich also auch die Investoren rational – schließlich haben sie ebenfalls ökonomischen Sachverstand!
Spekulationen über die Motive der Fed
Doch dann stieg die Wahrscheinlichkeit für den großen Schritt anhand der Fed Fund Futures – also der Markterwartungen – plötzlich rasant an. Konkrete Auslöser dafür gab es nicht – wenn man von einem Artikel im Wall Street Journal absieht, der den großen Zinsschritt wieder ins Spiel brachte und dessen Autor als gut vernetzt mit den Fed-Mitgliedern gilt. Einzelne von ihnen äußerten sich damals ebenfalls aufgeschlossen dazu.
Da sich die Datenlage nicht geändert hat (und folglich auch die Volkswirte weiterhin nur einen kleinen Schritt erwarteten) nährt dies Spekulationen, dass die Fed eine vorgefasste Meinung hatte und die Märkte „vorbereiten“ wollte. Schließlich ist seit Jahren jede Zinsentscheidung der Fed von den Märkten vorher erwartet worden – wie auch immer diese Markterwartung zuvor entstanden ist. Und ein großer Zinsschritt, obwohl die Märkte nur den (logischen) kleinen erwartet haben, hätte sicher zu kräftigen Turbulenzen geführt.
Was die Frage aufwirft, warum die Fed diesen „Jumbo-Schritt“ getan hat – eine Frage, die Fed-Chef Powell auf seiner Pressekonferenz nicht plausibel beantworten konnte. Und die Frage nach dem Warum stellt sich auch mit Blick auf die deutlich reduzierten weiteren Leitzinserwartungen der Fed, die sie am Mittwoch veröffentlicht hat. (Über all das herrscht unter den Ökonomen seit Mittwoch ein großes Rätselraten. Das geben sie in ihren einschlägigen Kommentaren meist auch offen zu.)
Eine zwiespältige Situation für die Märkte
Aus Anlegersicht ergibt sich damit eine zwiespältige Situation: Einerseits können sich die Börsianer über deutlich sinkende Zinsen freuen. Andererseits kommen die starke Zinssenkung und die deutlich reduzierten Erwartungen überraschend – auch wenn die Märkte noch „irgendwie“ rechtzeitig vorbereitet wurden.
Aus meiner Sicht hat die Fed den Märkten aber mit all dem keinen Gefallen getan, sondern vermutlich sogar einen Bärendienst erwiesen. Erwartung hin oder her – nach diesem Schritt werden die Konjunktursorgen nicht kleiner, weil bei allen im Hinterkopf spukt, ob die Fed etwas weiß, das wir nicht wissen. Diese Diskussion wird in den kommenden Monaten nicht verstummen und „passende“ Daten könnten die Finanzmärkte daher immer mal wieder in Aufruhr versetzen
Das sind keine erfreulichen Aussichten – zumal in der aktuellen saisonal schwachen Börsenphase. Also wundern Sie sich nicht, wenn die Kurse demnächst wieder den Rückwärtsgang einlegen oder die Turbulenzen zurückkehren. Das wäre dann die dritte Reaktion auf die Fed-Entscheidung…
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