Kommentar
07:58 Uhr, 02.12.2014

Das größte Konjunkturprogramm aller Zeiten

2014 und 2015 sind die Jahre der großen Konjunkturprogramme. Es ist so groß, dass es einige bereits QE 4 nennen.

Erwähnte Instrumente

Die Jahre 2008 und 2009 halten bisher die Rekorde in Sachen Konjunkturprogramm. In den USA wurden 600 Mrd. in die Wirtschaft gepumpt, in Japan 200 Mrd., in China 300 Mrd. und in Europa etwa 200 Mrd. Insgesamt waren es ungefähr 1,3 Billionen USD. Ganz genau lässt sich die Zahl nicht festmachen, weil nicht klar ist, wie viel von den angekündigten Maßnahmen dann schlussendlich umgesetzt wurden. Angekündigt wurden zumindest etwa die genannten 1,3 Billionen USD. 2014 und 2015 dürfte es mehr werden. Der Betrag, der den Menschen zugute kommt, könnte 1,4 Billionen übersteigen.

Gemeint ist damit nicht etwa das europäische Investitionsprogramm in Höhe von 300 Mrd. EUR, sondern die Ersparnis über niedrige Rohstoffpreise. Im Sommer rechnete die Financial Times vor, dass die sinkenden Ölpreise pro Woche einen positiven Effekt von 5 Mrd. haben. Damals stand der Ölpreis noch bei unglaublichen 100 USD pro Fass. Inzwischen steht der Ölpreis 30 USD tiefer. Der Weltverbrauch liegt bei ca. 90 Mio. Barrel am Tag. Trotz steigenden Verbrauchs haben die nachlassenden Preise einen enormen Effekt auf die Gesamtkosten. 2013 hatte das weltweit verbrauchte Öl einen Gegenwert in USD von 3,6 Billionen. Berechnet ist dies auf dem weltweiten Jahresverbrauch und den Durchschnittspreisen von Öl in jenem Jahr.

2014 ist noch nicht ganz vorbei, dennoch kann man mit einer gewissen Sicherheit vermuten, dass der Durchschnittspreis im Bereich von 85 USD pro Fass liegen dürfte. Im Vergleich zu 2013 betragen die Gesamtkosten dann 780 Mrd. weniger. Nimmt man einen Durchschnittspreis von 65 USD für 2015 an, dann ergibt sich noch einmal eine Ersparnis von 640 Mrd.
Das sind enorme, und schöne Zahlen – zumindest für Verbraucher. Von den Verkäufern von Öl kann man keine Jubelschreie erwarten. Im Prinzip ist der Preisrückgang ein großes Konjunkturprogramm. In den USA spart jeder Bürger 2015 theoretisch 440 USD. Das ist fast so als würde man diesen Betrag geschenkt bekommen. Für viele wird die Ersparnis nicht notwendigerweise zu höheren Ausgaben führen. Ein Betrag von 440 USD – gespart auf 365 Tage verteilt – fällt zu wenig auf, als dass man sich sofort reicher fühlt. Viel schwerwiegender ist wahrscheinlich der Effekt an der Zapfsäule. Stehen dort nicht 4 USD pro Gallone, sondern nur noch 3 USD, dann fühlt sich das gut an und verleitet vielleicht auch zu höheren Ausgaben andernorts.

Die USA profitieren vom Ölpreisrückgang besonders stark. In allen anderen Ländern sind die Effekte deutlich geringer. Die Ersparnis in USD muss noch in die jeweiligen Landeswährungen umgerechnet werden. In der Eurozone verliert die Währung. Das mindert den Effekt des Preisrückgangs in USD. Grafik 2 zeigt, was ungefähr zu erwarten ist. Positive Werte zeigen eine Ersparnis an, negative Werte zeigen Mehrkosten an. In den USA werden 2014 schätzungsweise 161 Mrd. USD weniger für Öl ausgegeben. In Europa wären es theoretisch 130 Mrd. USD. Rechnet man dies mit der Bewegung der Währungskurse gegen, dann bleiben noch 85 Mrd. übrig. Für Deutschland bleibt ein Betrag von 14 Mrd. übrig, für Spanien bleiben 7 Mrd. Die Ersparnis für jeden Bundesbürger wäre dann 175 EUR pro Jahr. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was ein Amerikaner spart.

Immerhin sind die Effekte auch in anderen Währungsräumen zu spüren. Wie viel es wirklich sein wird hängt auch davon ab, wie viel des Preisrückgangs wirklich weitergegeben wird. Wahrscheinlich bleibt am Ende nur 50% des Rückgangs wirklich beim Verbraucher hängen. Das sind immer noch etliche Milliarden, aber es ist auch kein großes Konjunkturprogramm. Ein klein wenige Rückenwind darf man aufgrund des Ölpreistrends erwarten. Wunder wird es in Europa nicht bewirken.

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6 Kommentare

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  • netzadler
    netzadler

    ​die einwände scheinen mir berechtigt.

    sicher wird ein Großteil des geldes, was für Energie eingespart wird, wieder ausgegeben.

    bei firmen bin ich mir da noch nicht so sicher, die werden sehen, dass sie mit geringeren Produktionskosten die Margen erhöhen, damit wird die Substanz vergrößert, womit sich die Umlaufgeschwindigkeit verringern würde.

    möglich, dass bei Angebotsüberhang aber die preise purzeln (weil der einstand ja auch weiter unten ist), dann hätten wir deflationäre Effekte.

    und dann sind da die Ölproduzenten, die treten massiv auf die kostenbremse. manche gehen in die verluste und müssen wertanlagen auflösen, um die verluste auszugleichen, was auch schlecht ist für die preise.

    gesamtwirtschaftlich kann ich nicht erkennen, dass die bessere Konjunktur sich bei der Inflation bermerkbar macht. sinkende rohstoffpreise bleiben im makro ein deflationstreiber.

    ganz anders sieht es handelsbilanzmäßig aus. gerade Europa hat hier Vorteile, da die importpreise richtig fallen, das hilft natürlich beim abbau der Überschuldung.

    die ölexporteure dagegen können ruhig mal zu Gunsten Europas ein paar verluste machen. die haben solide Staatshaushalte und exportüberschüsse, so dass es dort aus der kasse genommen werden kann. dabei ist natürlich unterstellt, dass diese länder jetzt nicht gleich die Notbremse ziehen und gleichermaßen weniger aus Europa importieren, dann wäre nichts gewonnen.

    also die Sache mit QE 4 ist für mich allenfalls möglich aber keinesfalls eine sichere bank, dazu sind zuviele variablen im spiel

    14:05 Uhr, 02.12. 2014
  • 0815
    0815

    ​Ist das ganze nicht ein globaler Kreislauf? Also wenn wir weniger fürs Öl bezahlen bekommt ja irgendjemand weniger dafür und kann dann entsprechend weniger Panzer oder Mercedes von uns kaufen. Selbst bei 200$ pro Barrel kommt das Geld wieder zu uns zurück.

    Der Preisverfall wird sich natürlich positiv auswirken aber ich halte den Nettoeffekt, also abzüglich der niedrigeren Exporte in Golfstaaten für überschätzt!!

    11:17 Uhr, 02.12. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • markuss
    markuss

    Es ist wie immer in den letzten Jahren: Die Amerikaner und die USA sind die, die am meisten von den Einsparungen profitieren. Das ist kein Zufall, und darum lehnen auch immer mehr Menschen den USD und die damit verbundenen Vorteile nur für die Amerikaner als Leitwährung ab. Das ist überfällig, nachvollziehbar und richtig!​

    08:48 Uhr, 02.12. 2014
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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