Kommentar
13:24 Uhr, 20.05.2015

Das denkt Mario Draghi über die “Kollateralschäden” von QE!

Letzte Woche hielt EZB-Chef Mario Draghi eine Rede mit der Kernbotschaft, dass das QE-Programm auf jeden Fall wie geplant durchgezogen wird. Aber auch der Rest ist lesenwert…

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In der weitläufigen und umfangreichen Diskussion über die unbestreitbar vorhandenen Nebenwirkungen der ultralockeren Geldpolitik stechen zwei Argumente hervor, die auch Draghi in seiner Rede aufgreift: Allokation (von Kapital) und Verteilungseffekte.

Fehlallokation von Kapital als Folge von QE?

Hinsichtlich der Allokation lautet eine häufig geäußerte Befürchtung, dass ein extrem lockeres geldpolitisches Umfeld zu einer Fehlleitung von Kapital führt, die letztlich die Finanzstabilität gefährden könnte. Dies geschehe z.B. über das stark erhöhte Risiko, das Marktteilnehmer eingingen, eine verzögerte Bilanzbereinigung und und schließlich einem unwiderstehlichen Druck auf die Zentralbank, die Normalisierung der Geldpolitik hinauszuzögern.

Es ist kaum überraschend, dass Draghi den Argumenten wohl Gehört schenkt, aber sofort versucht, diese zu widerlegen.

So betont der EZB-Präsident, dass die niedrigen Zinsen Bilanzbereinigungen unterstützt hätten. In diesem Zusamenhang geht er auch darauf ein, dass das Verhältnis von Zinsausgaben zum BIP der Staaten der Eurozone zwischen 2012 und 2014 um 0,4 Prozentpunkte gefallen ist. Analog ist die Schuldenlast von Haushalten und Unternehmen zurückgegangen. All dies mache es leichter, die Geldpolitk mittelfristig wieder zu normalisieren, so Draghi.

Ferner erläutert der EZB-Chef, dass die Maßnahmen in einem breiteren Gesamtgefüge betrachtet werden müssen, was auch Befürchtungen hinsichtlich der Finanzstabilität eindämmen soll. Stichwort Bankenunion.

Insgesamt sieht Draghi derzeit keine größeren Gefahren für die Finanzstabilität; vor allem weil zwei wesentlichen Faktoren unter Kontrolle scheinen: Exzessive Kreditvergabe ist nicht zu beobachten, und die Immobilienpreise steigen nur moderat. Freilich ist dabei zu betonen, dass Draghi sich um Einzelphänomene wie deutsche Großstädte nicht kümmert. Wie bei der Inflation auch geht es ihm hier um die gesamte Eurozone.

Draghis Fazit in Bezug auf die Allokationsfrage: Nach einer großen Finanzkrise führt eine lockere Geldpolitik nicht notwendigerweise zu einer laxen Bewertung von Risiken durch Marktteilnehmer, sondern eher zu einer normaleren Betrachtung und Bepreisung derselben, was wiederum “produktives risk-taking” begünstigt.

Verteilungseffekte gibt es immer; auch wenn die EZB nichts tut

Sehr niedrige Zinsen über einen längeren Zeitraum benachteiligen Sparer zugunsten von Kreditnehmern. QE führt tendenziell zu steigenden Asset-Preisen (Aktien, Immobilien) und die werden eben diejenigen begünstigen, die bereits Assets haben. Dies führt zu wachsender Ungleichheit.

Diesen kaum bestreitbaren Fakten begegnet Draghi in seiner intellektuell durchaus bestechenden Art mit einem Argument, das ihn schon fast eine Sekunde lang als unschuldig erscheinen lässt (allerdings nicht viel länger). Denn auch die Inaktivität der Zentralbank führe ja zu Verteilungseffekten!

Wenn die EZB ihr Inflationsziel (nahe, aber runter 2%) dauerhaft verfehlt, dann trifft das Schuldner in der Hinsicht, dass ihre reale Zinslast steigt. Und dies treffe vor allem jüngere Haushalte (von 16 bis 44), die Nettoverschuldung aufweisen, wie Daten aus der Eurozone nahelegen. Ältere Haushalte dagegen verfügen in der Regel über Nettovermögen. Das Nichterreichen des Inflationsziels (Nichtaktivität der EZB!) führe demnach zu einer Umverteilung von Vermögen von jung zu alt.

Ferner habe schlicht jede geldpolitische Entscheidung auch distributive Effekte, wie Draghi betont. Jede Zinssenkung führt nunmal zu weniger Erträgen von Sparern und Einsparungen bei Kreditnehmern. Dies sei aber notwendig, um Haushalte sowie Unternehmen zu Konsum und Investitionen ermutigen. Das ist eben die Kehrseite der Medaille.

Unter dem gleichen Gesichtspunkt müsse man die durch QE steigenden Assetpreise betrachten. Ja, die Wohlhabenden werden dadurch noch wohlhabender, Reiche noch reicher. Aber die Finanzierungskosten für Unternehmen sinken, Konsumenten bekommen günstigere Kredite und ziehen Ausgaben womöglich vor, wenn sich Sparen nicht mehr lohnt. Und das wiegt schwerer - meint Draghi.

Einen kleinen Ausflug in Sachen Mitleid und Einsicht scheint man zu erkennen, wenn Draghi kurz auf den extrem wichtigen Aspekt der alternden Gesellschaften eingeht. Er gesteht zu, dass bei Pensionären und solchen die kurz davor stehen und für die Rente sparen, die extrem niedrigen Zinsen den exakt gegenteiligen Effekt haben dürften: Sie könnten in der Gegenwart nicht mehr, sondern weniger konsumieren, um die künftig niedrigeren Zinseinnahmen auszugleichen.

Draghi wäre aber nicht Draghi, wenn er diesem Punkt zu viel Gewicht schenken würde. Er schließt mit der Behauptung, dass es auch im Interesse der alternden Langfristsparer sein muss, dass die EZB ihr Mandat weiter aggressiv verfolgt. Denn auch ihre Finanz-Assets sind ein Anspruch auf den Wohlstand, den der produktive Teil der Bevölkerung generiert. Somit muss es im Interesse aller sein, den Output der Volkswirtschaft zu maximieren.

Mario Draghi ist ein ausgebufftes Schlitzohr: Man merkt an fast jeder Stelle, dass er bei den Jesuiten gelernt hat...

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25 Kommentare

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  • Investor
    Investor

    Generell unterschreibe ich den Satz, daß es "im Interesse aller sein muß, den Output der Volkswirtschaft zu maximieren".

    Aber dafür hat die EZB kein Mandat (Fehler der EZB Vertrages) und dies wird in einer globalisierten Wirtschaft nicht mehr durch die Geldpolitik einer Notenbank bestimmt. Wenn dt Firmen die Produktion nach Polen oder China verlagern, spielt die Geldpolitik der EZB keine Rolle. Die sehen wir auch in der schwachen Kreditnachfrage.

    Falsche Maßnahmen der EZB

    Aber auch die Politik muß ihre Aufgaben machen:

    - Megatrend Verstädterung findet sich nicht in der Politik, Ausweisung von Bauland, höhere Geschoßhöhen usw.. Mietbremse hilft hier wenig.

    - Zukunftsperspektive für die nicht-städtischen Gebiete.

    - Ankurbelung der Nachfrage durch steigende Löhne

    - Senkung des Leistungsbilanzdefizites um die de-Industrialisierung Europas zu vermeiden

    - Sozialer Ausgleich

    - Demokratisierung der EU, Entmachtung der Regierungen in EU Rat und Übertragung der Entscheidung an das EU Parlament

    - Staatsfinanzausgleich um den Wohlstand in der EU besser zu verteilen.

    18:45 Uhr, 20.05.2015
    1 Antwort anzeigen
  • moneymaker22
    moneymaker22

    Ohne Draghi verteidigen zu wollen, ist es m.M.n. falsch ihn jetzt als Hassobjekt für alle Sparer hinzustellen. Die eigentlichen Verantwortlichen sitzen in den Regierungen der Staaten, die so verschuldet sind das sie die Zinsen nicht mehr bezahlen können und Draghi hat ihnen Luft verschafft, übrigens 1,5 Jahre lang nur durch warme Worte ! Aber anstatt die Vorlage zu nutzen und Schulden abzubauen, verschulden sich insbesondere die Südländer weiter.

    17:20 Uhr, 20.05.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Bradley
    Bradley

    Ich greife nur ein Beispiel aus der Rede von Draghi auf, "die Immobilienpreise steigen nur moderat", wobei dieser "Blender" ganz genau weiß, dass die Immobilienpreise in den Metropolen wie München, Hamburg, Paris und nicht zu vergessen London, gerade so explodieren. Für wie blöd hält er uns eigentlich. Für mich ist eines klar, bei der nächsten Demonstration gegen die EZB in Frankfurt bin ich dabei.

    16:32 Uhr, 20.05.2015
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    Weg mit Draghi !!!!!!!!!!!!!!!!!!

    10:52 Uhr, 20.05.2015
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Al Draghone und seine Billionengang ziehen dem konservativen Sparer auch noch die Unterhose aus und verkaufen das als großes Event für die EU. So dreist muss man erst mal sein.

    10:47 Uhr, 20.05.2015
  • kingkong007
    kingkong007

    Der einzige der die Finanzstabilität gefährdet ist

    Don Draghinio mit seiner EZB. (Eine Zeit Bombe)

    10:22 Uhr, 20.05.2015
  • der Joe
    der Joe

    und zudem ist er italiener. :)

    09:34 Uhr, 20.05.2015

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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