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11:30 Uhr, 10.08.2015

Chinas Wirtschaft kühlt schneller ab als gedacht

Die jüngsten chinesischen Konjunkturdaten erhöhen den Druck auf die politische Führung in Peking, Maßnahmen zur Wachstumsunterstützung zu ergreifen. Immer deutlicher wird es, dass China das ausgebebene Wachstumsziehl von 7 Prozent in diesem Jahr nicht erreichen kann.

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Peking (Godmode-Trader.de) - Die chinesische Wirtschaft - in den vergangenen Jahren der wichtigste Wachstumsmotor der Weltwirtschaft - verliert dramatisch an Dynamik. Dies verdeutlichen die bereits am Samstag veröffentlichten Zahlen zur Preisentwicklung und zum Außenhandel: Der überraschende Export-Rückgang ist auf eine Nachfrageschwäche aus dem Ausland zurückzuführen. Insbesondere die Ausfuhren nach Japan sowie in die EU blieben hinter den Erwartungen zurück. Der ausgeprägte Import-Rückgang unterstreicht zudem die schwache Binnendynamik. Die Preisentwicklung wiederum spiegelt sowohl eine spürbare Nachfrageschwäche als auch akute Überkapazitäten wider.

So sind die Erzeugerpreise im Juli um 5,4 Prozent zum entsprechenden Vorjahresmonat gefallen. Die Zentralregierung hat auch nach 41 Monaten Talfahrt offenbar noch kein adäquates Mittel gefunden, um die Überkapazitäten in Chinas Industrie abzubauen. Die Produzentenpreise befinden sich nun auf dem niedrigsten Niveau seit sechs Jahren. Die Konsumentenpreise legten zwar um 1,6 Prozent zu. Dies liegt aber vornehmlich am kräftigen Anstieg der stark gewichteten Schweinefleischpreise. Die Gesamtentwicklung verliert hingegen schleppend.

Wie die Zollverwaltung mitteilte, sanken die Exporte im Berichtsmonat um 8,3 Prozent auf 195,10 Milliarden Dollar. Im Juni waren die Ausfuhren erstmals seit Februar gestiegen und hatten damit die Hoffnung auf eine Belebung des chinesischen Außenhandels geweckt. Und auch bei den Einfuhren ist der leichte Hoffnungshauch vom Juni schon wieder verpufft. Der Rückgang bei den Importen beschleunigte sich auf 8,1 Prozent (152,1 Mrd. Dollar). Es war der neunte Rückgang in Folge. Die Aktienmärkte in China verbuchten zu Wochenbeginn trotz der schwachen Daten Kursgewinne, der Leitindex SSE Composite Index in Shanghai legte sogar 4,9 Prozent zu.

Die jüngsten chinesischen Konjunkturdaten erhöhen den Druck auf die Regierung, Maßnahmen zur Wachstumsunterstützung zu ergreifen. Laut der NordLB dürfte es in Bezug auf weitere geldpolitische Lockerungen wohl kaum mehr um die Frage des „ob", sondern vielmehr um die Frage des „wann" gehen. Die Experten rechnen noch in diesem Quartal mit weiteren Zinssenkungen sowie Mindestreservelockerungen.

Der schwache Außenhandel gilt neben den geringen Investitionen von Unternehmen als größte Gefahr für das von Ministerpräsident Li Keqiang ausgerufene Wachstumsziel von 7 Prozent. In den ersten beiden Quartalen stieg das Bruttoinlandsprodukt laut offiziellen Angaben genau um diesen Wert. Doch auch diese Zahl könnte zu hoch gegriffen sein. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls eine Studie des Kieler Weltwirtschaftsinstituts, die an diesem Montag veröffentlicht wird und aus der die Süddeutsche Zeitung zitiert. Die beiden Ökonomen Klaus-Jürgen Gern und Philipp Hauber schreiben laut SZ, die Führung in Peking unterschätze das Ausmaß der wirtschaftlichen Abkühlung. Dadurch sei die Wahrscheinlichkeit einer sogenannten harten Landung der Konjunktur gestiegen.

Die Kieler Ökonomen griffen in ihrer Untersuchung auf den von der Wirtschaftsleitung „Economist“ kreierten sog. Li-Kequang-Index zurück. Dieser zeigt demnach „eine ausgeprägte Abkühlung“ an. Premier Li hatte wohl bereits 2007 vor amerikanischen Diplomaten schwadroniert, dass er den offiziellen Zahlen nicht traue. Er schaue sich stattdessen lieber drei andere Indikatoren an: Den Energieverbrauch, die Kreditvergaben und die Eisenbahnfrachttonnen. Nach diesen Faktoren ermittelte der "Economist" besagten Index. Sehe man sich zum Beispiel den Stromverbrauch des vergangenen Jahres an, falle auf, dass dieser im selben Zeitraum nur um gut ein Prozent stieg, so die Kieler Ökonomen. Schon dieser Punkt sei nicht mit den Wachstumszahlen von sieben Prozent vereinbar, auch wenn China nun überdurchschnittlich viel Energie eingespart habe.

Die Regierung in Peking will die Wirtschaft auf einen nachhaltigeren Kurs bringen. Der Binnenkonsum soll gestärkt und die Exportabhängigkeit verringert werden. Ziel ist es, innerhalb von zehn Jahren das Land von der Werkbank der Welt zu einer innovativen Industrie umzuwandeln.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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