Fundamentale Nachricht
15:59 Uhr, 28.06.2023

China: Wachstumsimpulse für Weltwirtschaft vergleichsweise moderat

Die Schwellenländer werden nach Einschätzung von Angelika Millendorfer, Leiterin des Teams Emerging Markets Aktien bei Raiffeisen Capital Management, wohl auf absehbare Zeit eine zunächst noch fortgesetzt heterogene Entwicklung mit vergleichsweise wenigen positiven Impulsen aus China erleben.

Globaler Überblick: Die Märkte haben zuletzt zunehmend das Szenario der „sanften Landung“ eingepreist. Es besteht andererseits das Risiko, dass die Notenbanken die Geldpolitik zu lange straffen und eine „harte Landung“ erfolgt (was wohl kaum vor 2024 zu erwarten wäre).

Die Schwellenländer werden wohl auf absehbare Zeit eine zunächst noch fortgesetzt heterogene Entwicklung mit vergleichsweise wenigen positiven Impulsen aus China erleben. Zugleich sind die globale Investorenstimmung und das Risikosentiment wohl erst einmal weiter positiv, und das sollte auch Emerging-Markets-Vermögenswerte unterstützen. Geopolitische Spannungen bleiben derweil ein Risikofaktor, ebenso die Risiken für die US-Konjunktur im kommenden Jahr.


China
: Die Erholung bei den Exporten im März/April dürfte ein vorübergehender Ausreißer gewesen sein, denn neue Exportaufträge sind rückläufig. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass gerade für viele private Haushalte der Schuldenabbau inzwischen Priorität hat - vor Konsum oder weiterer Kreditaufnahme. Parallel dazu gibt es eine Abkühlung des Immobilienbooms und eine nicht sehr ausgeprägte Investitionsbereitschaft bei den Unternehmen. Die Wachstumsimpulse (über chinesische Importe) für die übrige Welt werden vergleichsweise moderat sein.

Indien: Indiens Wirtschaftswachstum überrascht nach oben. Zugleich hat sich das chronische Leistungsbilanzdefizit in den letzten zwei Quartalen in einen Überschuss verwandelt - eine bemerkenswerte Entwicklung, auch wenn sie wohl nicht von Dauer sein wird. Die Inflation geht weiter zurück und die Aktienindizes klettern auf neue Rekordhochs.

Brasilien: Brasiliens Industrieproduktion stagniert und liegt noch immer unter dem Niveau vor der "Corona-Zeit". Positiv: Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Wohl noch sehr viel wichtiger als das ist der politische Fortschritt, den es beim neuen Rahmenwerk für staatliche Ausgaben gibt, das die bisherige strikte Ausgabendeckelung ersetzen soll. Zudem wird eine große Steuerreform wahrscheinicher.

Russland: Russlands Wirtschaft hat ein weiteres schwieriges Jahr vor sich. Es fehlt an (qualifizierten) Arbeitskräften, auch weil hunderttausende junge Männer an der Front sind und weitere hunderttausende oftmals junger Menschen, wenn nicht gar Millionen, das Land verlassen haben. Was die Rohstoffpreise angeht, so sind diese deutlich gefallen. Die westlichen Sanktionen scheinen zunehmend Wirkung zu zeigen.

Türkei: Der Machtwechsel am Bosporus fällt aus. Die Lira gab seit dem ersten Wahlgang rund 6 % gegenüber dem Dollar nach. Ein kräftiger weiterer Abwertungsschub dürfte jetzt wohl nur eine Frage der Zeit sein. Die Netto-Devisenreserven der türkischen Notenbank sind erstmals seit 21 Jahren negativ (ca. minus 60 Mrd. Dollar). Nahezu alle Türken versuchen zumindest einen Teil ihres Vermögens durch Flucht in Gold, ausländische Währungen oder Kryptowährungen zu schützen.

CE3 (Polen, Tschechien, Ungarn): Das Wirtschaftswachstum von Polen überrascht nach oben und wuchs mit 3,9 % gegenüber dem Vorquartal weitaus kräftiger als erwartet. Unterdessen hat sich Tschechien aus seiner leichten Rezession bereits wieder herausgearbeitet. Premier Fiala dämpfte unterdessen die Erwartungen an einen möglichen Euro-Beitritt Tschechiens. Ungarns Wirtschaft wiederum schrumpfte im ersten Quartal 2023 zum dritten Mal in Folge. Unterdessen leitete die Notenbank offiziell den Zinssenkungszyklus ein und deutete moderate Zinssenkungen in den kommenden Monaten an. Die Inflation lag im April bei 24 % nach 25,2 % p.a. im Vormonat. Der Vizepräsident der Notenbank zeigte sich zuversichtlich, dass die Teuerungsrate bis zum Jahresende in den einstelligen Prozentbereich zurückgehen wird. Kommentare aus hochrangigen politischen Kreisen deuten darauf hin, dass Premier Orban die Wachstumsstrategie Ungarns neu ausrichten könnte, dabei auf stärkere Zusammenarbeit mit China setzt und gegenüber der EU und den USA eine härtere Haltung einnehmen bzw. beibehalten wird.