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14:51 Uhr, 20.07.2022

China: Hypothekenboykott droht zu eskalieren

Der Markt sorgt sich, dass die Immobilienkrise auf das Finanzsystem übergreifen und somit noch stärkere Unruhen auslösen könnte. Die Frage ist nun, was die Zentralregierung in Peking dagegen unternehmen wird.

Normalerweise richten sich Proteste in China, die mit finanziellen Angelegenheiten zu tun haben, gegen lokale Behörden oder Unternehmen, und die Zentralregierung in Peking schaltet sich oft ein, um in irgendeiner Form Abhilfe zu schaffen. Nun aber weigern sich Tausende von frustrierten Hauskäufern, Hypotheken für Wohnungen zu zahlen, die von den Bauträgern noch nicht fertiggestellt wurden.

Das Besondere an diesem Fall sind sowohl die Vorgehensweise als auch das Ausmaß der kollektiven Aktion: Die Boykotte haben sich auf mindestens 301 Projekte in 91 Städten landesweit ausgeweitet. Und nun weigern sich auch einige Zulieferer und Bauunternehmer, ihre Schulden zu begleichen, weil ihnen wiederum Immobilienfirmen säumig sind.

Anfang Juli ging der Bauträger Shimao in die Insolvenz. Parallel dazu kämpft der Immobilienkonzern Evergrande gegen den Kollaps. Nun drohen auch verstärkte Zahlungsausfälle bei Käufern von Wohnimmobilien.

Jüngste Berichte über die zunehmende Verweigerung von Zahlungen haben zu Verlusten bei chinesischen Bankaktien und Anleihen von Bauträgern geführt. Der Markt sorgt sich, dass die Immobilienkrise auf das Finanzsystem übergreifen und somit noch stärkere Unruhen auslösen könnte.

Bloomberg berichtete bereits Anfang dieser Woche, dass die Behörden reagierten und einen Vorschlag unterbreiteten, der es Käufern ermöglicht, Hypothekenzahlungen für festgefahrene Projekte vorübergehend einzustellen, ohne dass sie dafür Strafen zahlen müssen. „Doch jede Reaktion muss sorgfältig kalibriert werden, um nicht noch mehr Nachahmungstaten zu provozieren, die die Wirtschaft noch weiter ausbremsen könnten“, schrieb Bloomberg dazu.

Für den chinesischen Präsident Xi Jingping könnte der Zeitpunkt schlechter kaum sein. Er ist nur noch wenige Monate von einem alle fünf Jahre stattfindenden Treffen der Kommunistischen Partei entfernt, auf dem er sich eine dritte Amtszeit sichern und seine Erfolge bei der Verbesserung des Lebens der Durchschnittsbürger anpreisen will.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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