Basieren Trends nur auf kognitiven Verzerrungen?
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Dr. Wilhelm Berghorn ist Gründer von Mandelbrot Quantitative Research UG sowie der Mandelbrot Asset Management GmbH. Er hat Mathematik und Informatik studiert und wurde im Jahr 1999 in der Mathematik promoviert. In seiner Diplomarbeit und in seiner Promotion beschäftigte er sich mit der Anwendung von Wavelet-Analysen.
Momentum-Serie (Teil 5)
Hier finden Sie bereits auf GodmodeTrader veröffentliche Artikel der Momentum-Serie von Dr. Wilhelm Berghorn
Können Märkte effizient sein? (Teil 1)
Höhere Renditen mit Momentum-Strategien (Teil 2)
Wegweisende Erkenntnisse zum Verhalten von Aktienkursen (Teil 3)
Momentum: Das Langzeitgedächtnis des Marktes? (Teil 4)
Momentum-Strategien sind als Renditealternativen derzeit stark gefragt, aber nicht jedem Investor sind die Grundlagen dafür präsent. In einer Serie zum Momentum-Effekt bereitet Dr. Wilhelm Berghorn deswegen kompakt und anschaulich die jahrzehntelange Kapitalmarktforschung renommierter Forscher wie Benoît Mandelbrot oder Nobelpreisträger wie Eugene Fama auf.
Im Kontext der Theorie der Effizienten Märkte hat Momentum durch die abnormale Risiko-Rendite-Charakteristik eine Ausnahmestellung hinsichtlich aller anderen Anomalien, wie beispielsweise „Value“- oder „Low Volatility“-Ansätzen. Im Zusammenhang mit der Grundannahme dieser Theorie der Effizienten Märkte, dass Investoren rational handeln, landet man schnell auch bei Erklärungsansätzen, die diese Grundannahme in Frage stellen.
Eines ist das Gebiet der „Behavioral Finance“. Unterschiedlichste Arbeiten zeigen, dass Investoren diversen kognitiven Verzerrungen unterliegen. Bekannte Verzerrungen sind unter anderem: Der „Ankereffekt“, das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten, die asymmetrische Beurteilung, also die stärkere Wahrnehmung von Verlusten im Vergleich zu entgangenen Gewinnen, und vieles andere mehr. Im Zusammenhang mit Momentum wird oftmals der Herdentrieb, aber auch die Unterreaktion, damit ist das Festhalten an vergangenen Überzeugungen gemeint, auf neue Informationen genannt.
Basiert Momentum auf kognitiven Verzerrungen?
Ist also Momentum auf kognitive Verzerrungen zurückzuführen? Drei Arbeiten ziehen diese Erklärung stark in Zweifel. Grundlegend ist hierbei der Abgleich der Bilanzkennzahlen mit dem jeweilig vorherrschenden Momentum-Portfolio. So konnten wir für eine Momentum-Strategie anhand der vergangenen 12 Monatsrenditen und einem 10 % Dezil zwischen 2005 und 2014 mit monatlichem „Rebalancing“ auf dem Prime-Standard in Deutschland zeigen, dass über ein Drittel der Aktien länger als ein Jahr gehalten wird. Dies gilt für das Gewinner-Portfolio ebenso wie für das Verlierer-Portfolio. Für diese Kohorte können wir dann auf Basis der Jahresbilanz die mittlere Veränderung pro Jahr, von 2005 bis 2014, mit der mittleren Veränderung des Marktportfolios pro Jahr abgleichen:
Es lässt sich relativ einfach zeigen, dass sich statistisch und im Mittel diese lang gehaltenen Momentum-Titel hinsichtlich der jährlichen Zunahme der Dividenden-Rendite, des Buchwertes, des EBIT und des Nettoergebnisses wesentlich besser, und zwar bis zum Zweifachen, als ein reines Marktportfolio entwickeln. Bei den Gewinnen pro Anteilsschein ist es noch dramatischer. Hier liegt die Gewinnentwicklung pro Jahr mit einem Faktor über 4 deutlich über dem Mittelwert des Marktes.
Betrachtet man die Verlierer-Aktien, also Invers Momentum, so stehen für den Investoren nicht nur erhebliche Unterrenditen an. Auch auf der Bilanzseite drohen im Mittel pro Jahr harte Einschnitte im Vergleich zum Markt. Momentum ist also ein fundamentaler Faktor. Das Ganze ist kompatibel mit den Arbeiten von Novy-Marx, der auf Basis der US-amerikanischen Quartalszahlen zeigt, dass Überraschungen bei Quartalszahlen im wesentlichen Momentum erklärt.
Hier spätestens muss man sich die Frage stellen, ob Investoren überhaupt in der Lage sind, Gewinnentwicklungen von Unternehmen richtig und im Sinne der Theorie der Effizienten Märkte einzuordnen. Können also Bilanzveränderungen nicht antizipiert werden?
Wachstumsprozesse
An dieser Stelle kann man viele Beispiele aufführen, wo Unternehmen immer wieder den Markt überraschen und Preisanpassungsprozesse nach sich ziehen. Ein eindrückliches Beispiel ist sicherlich Apple, die am 9. Januar 2007 das iPhone bei einem bereinigten Aktienkurs von 13 US-Dollar präsentierten. Damals wusste man sicherlich nicht, welchen disruptiven Charakter dieses Gerät entfalten würde und welche Märkte damit geschaffen würden. Schon Ende des Jahres lag der Kurs von Apple bei 28 US-Dollar, hatte also im besten Sinne „Momentum“. Die Geschichte ist bekannt: Das Unternehmen wuchs enorm,ist im September 2018 mit einem Aktienkurs über 225 US-Dollar das größte Unternehmen der Welt und nun ein attraktiver „Value“-Titel.
An diesem Beispiel wird sehr deutlich, warum die Theorie der Effizienten Märkte sicher im kurzfristigen Bereich eine gute Annahme darstellt, sich längerfristig aber Abhängigkeiten von der Vergangenheit (Trends) ausbilden, die von Momentum ausgenutzt werden. Natürlich verarbeitet der Markt neue Informationen effizient mit schnellen Kursanpassungen. Allerdings haben die Investoren oftmals nicht die Möglichkeit, die längerfristige Entwicklung zu antizipieren. Schon einfachste Bewertungsmodelle und Aussagen über zukünftige Kapitalströme fußen auf verschiedensten Annahmen, die dann von der tatsächlichen Entwicklung des Unternehmens oftmals überholt werden. Und so verwundert es nicht, dass Investoren immer wieder von der Gewinnentwicklung überrascht werden.
Was kann ein Investor in dieser Situation tun? Was macht eigentlich ein Roboter, der sich in einem unbekannten Raum zurechtfinden muss, von dem er kein Modell hat? Er misst das, was man messen kann – bei Aktienpreis-Zeitreihen ist es Momentum …
Dr. Wilhelm Berghorn
Dieser Artikel ist im Rahmen der Momentum-Serie für die Universal Investment-Gesellschaft mbH erschienen.
Auf der Website www.mandelbrot.de finden Sie viele weitere Analysen zur Kapitalmarkttheorie und dem Mandelbrot-Markt-Modell, welche Mandelbrot Asset Management auch in zwei Fonds umsetzt.
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