Kommentar
16:32 Uhr, 06.06.2024

ASML - Der entscheidende Schritt

Auf dem Weg zum Ziel ist jeder Schritt wichtig. Manchmal braucht man bei einem oder mehrere Schritten Hilfe. Und manch ein solcher Helfer ist auch für die Stärksten, Schnellsten, Größten unverzichtbar.

Erwähnte Instrumente

So ein unverzichtbarer Helfer ist die niederländische ASML, der weltweit größte und bedeutendste Hersteller von Lithografieanlagen für die Halbleiterproduktion. Für Nvidia und die gesamt KI-Branche ist ASML das, was die Schaufelverkäufer im Goldrausch waren.

„Schaufelverkäufer“ im KI-Boom

ASML hat ein Monopol in der Wertschöpfungskette für Highend-Halbleiter, wie sie Nvidia und andere Chiphersteller liefern: Der Konzern ist bisher der einzige, der Anlagen für die fortschrittlichste Produktionstechnik EUV (extreme ultra violet) herstellt. Damit können Strukturen von unter 10 nm (= 10 Millionstel Millimeter = 2 Tausendstel eines menschlichen Haares) hergestellt werden.

Auch Nvidia ist auf ASML angewiesen, denn der Chip-Spezialist steht erst in der dritten Reihe der KI-Lieferanten: Die KI-Softwarehäuser brauchen Server, auf denen ihre Software läuft. Für die Server werden Spezialchips benötigt, die Halbleiterhersteller produzieren. Nvidia liefert „nur“ die Designs für diese Chips, lässt sie aber extern produzieren, z.B. beim taiwanesischen Hersteller TSMC. (Daher taucht Nvidia in vielen Rankings der größten Halbleiterhersteller zu Unrecht auf.) Auch Nvidia ist also „nur“ ein Zulieferer für die Chiphersteller – allerdings aus Sicht der KI-Unternehmen der wichtigste.

Die sechs wichtigsten Schritte der Halbleiterfertigung

Während Nvidia also das Design (die „Schaltpläne“) für die Chips beisteuert, liefert ASML die Maschinen für einen ganz bestimmten Schritt der Halbleiterproduktion. Diese läuft im Wesentlichen in sechs Schritten ab: Deposition, Photoresist, Lithografie, Ätzen, Ionisation and Packaging.

Zuvor werden jedoch die sogenannten Wafer als Basis für die Chips benötigt. Sie werden aus den sogenannten Ingots geschnitten, die wie große Salamis aussehen (siehe Bild).

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Quelle: ID 28192036 | © Peter Sobolev | Dreamstime.com

Dann geht es mit der eigentlichen Herstellung der Chips los. Der erste Schritt ist die Deposition. Dabei werden dünne Schichten verschiedener Materialien auf einen Wafer aufgetragen. Dies geschieht durch Dampfabscheidung, etwa so, wie sich Nebel auf eine Wiese legt. Zu den führenden Unternehmen in der Depositionstechnik gehören Applied Materials, Lam Research und Tokyo Electron Limited.

Danach kommt das Photoresist. Dabei wird eine lichtempfindliche Substanz („Fotolack“) auf den Wafer aufgetragen. Sie überträgt die Strukturen, die später den Chip bilden und seine Funktionen realisieren. Wichtige Hersteller von Photoresisten sind Fujifilm Electronic Materials, JSR Corporation und Dow Electronic Materials (eine Tochter von Dow Inc.).

Drei Lieferanten, aber einer ragt heraus

Bei der Lithografie wird das „Chip-Muster“, also das Design, das von Nvidia oder anderen entwickelt wurde, auf den Photoresist des Wafers übertragen. Sie ist einer der entscheidenden Schritte bei der Herstellung von Halbleitern, denn sie bestimmt, wie klein die Bauelemente des Chips sein können. Das ist nicht nur dafür bedeutsam, wie viele Chips auf einen Wafer passen (also für die Wirtschaftlichkeit), sondern auch für die Leistungsfähigkeit des Chips: Kleinere Strukturen ermöglichen in der Regel schnellere Verarbeitungsgeschwindigkeiten. Und genau die ist für KI- und Grafikchips (von Nvidia und anderen) entscheidend.


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Die Physik gibt vor, dass bei optischen Abbildungen, Strukturen (also Bilder) umso kleiner werden können, je kürzer die Wellenlänge ist. Daher gibt es seit Jahrzehnten ein Wettrennen zu immer kürzeren Wellenlängen. Aktuell liegt die Grenze bei 13,5 Nanometer (nm), das ist extrem ultraviolettes (EUV) Licht. (Zum Vergleich: Das sichtbare Spektrum reicht von 380 bis 750 nm, und 700 nm sind etwa ein Hundertstel der Dicke eines menschlichen Haares.)

Die einzigen Unternehmen für den Lithografieprozess sind ASML, Canon und Nikon. Sie arbeiten also permanent an der Grenze des technisch bzw. (zunehmend) des physikalisch Machbaren (dazu gleich mehr). Und hier hat ASML seit Längerem die Nase vorn: ASML ist derzeit der einzige Anbieter, der EUV-Lihografiesysteme herstellen kann.

Keine Frage: Alle Schritte auf dem Weg zum Chip sind komplex!

Der Photoresist ist generell unlöslich für bestimmte Chemikalien. Die Bereiche jedoch, die während der Lithografie dem UV-Licht ausgesetzt, werden wieder löslich. Dadurch können sie „herausgewaschen“ werden, so dass – ähnlich wie früher beim Entwickeln eines Films oder Fotos – eine Struktur auf dem Wafer entsteht. Die Bereiche des Wafers, die nun nicht mehr vom Photoresist abgedeckt sind, werden nun durch Ätzen „nass“ (durch chemische Bäder) oder „trocken“ (durch Gase) abgetragen.

Auch dieser Prozess ist hoch komplex, da nicht nur zwei-, sondern dreidimensionale Strukturen erzeugt werden – mit bis zu 175 Schichten! Oft werden auch wieder „Brücken“ gebaut, um Platz und (elektrische) Wege zu sparen. Sogar bewegliche Elemente auf Chips sind möglich, z.B. für Schalter oder einstellbare optische Bauteile (siehe Bild). Zu den größten Lieferanten für Halbleiter-Ätzsysteme gehören Lam Research, Oxford Instruments und SEMES (Südkorea).

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Quelle: Texas Instruments

Nach dem Ätzen folgt die Ionisation, wobei in die geätzten Strukturen gezielt Fremdatome eingebracht werden. Dadurch werden die elektrischen Eigenschaften des Chips eingestellt, also seine eigentliche Funktion realisiert.

Diese fünf Schritte werden zum Teil mehrfach wiederholt, wobei Strukturen, die nicht weiter bearbeitet werden sollen, durch Beschichtungen geschützt werden. Zum Schluss folgt das sogenannte Packaging, also das „Verpacken“ des Chips. Dabei wird der Chip mit äußeren Anschlüssen verbunden und ein Kühlkörper angebracht, welcher die Wärme, die im Betrieb entsteht, möglichst effizient ableitet. Zum Schluss kommt alles in die bekannten schwarzen Kunststoffgehäuse. Das Packaging übernehmen etliche Firmen. Wiliot, Ayar Labs, SPTS Technologies und Applied Materials sind nur einige von mehreren Spezialisten auf diesem Gebiet.

Warum ASML der Lieferant für Lithografiesysteme ist

Diese sechs Hauptschritte sind natürlich nur ein Teil der Arbeitsgänge bei der Chipherstellung. Darüber hinaus gibt es überall Messungen, Tests und Inspektionen, außerdem Galvanik, Planarisieren, Polieren Reinigen und vieles mehr. Aber ist Dir etwas aufgefallen? Für jeden Schritt gibt es etliche Lieferanten – bei Lithografiesystemen de facto nur einen: ASML.

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Quelle: BOCI Securities Ltd. (Stand 2020)

Ja, auch Nikon und Canon aus Japan liefern solche Anlagen. Aber die Grafik zeigt den Unterschied: Während ASML „nur“ rund 62 % der Systeme weltweit verkauft, beträgt sein Marktanteil nach Umsatz überwältigende 91 %! ASML verkauft also seine Anlagen „teurer“ – weil sie einfach besser und einzigartig sind. Nikon und vor allem Canon bieten dagegen nur „alte“ Technik. (Diese hat nach wie vor ihre Berechtigung, z.B. bei Leistungshalbleitern. Und für andere Spezialanwendungen gibt es weitere, kleinere Anbieter, z.B. für Fotovoltaik-Module.)

Kann die Konkurrenz das aufholen?

Es ist auch kaum zu erwarten, dass jemand ASML den Rang abläuft. Zu komplex sind die Probleme bei EUV-Anlagen, die bisher nur ASML liefern kann. So produziert jede Optik Verzerrungen. Diese potenzieren sich, je geringer die Wellenlänge und je größer die Bildfläche (= der Wafer) ist. Das wird durch mechanische Maßnahmen und Software korrigiert. Je kleiner die Strukturen sind, desto feiner müssen die Korrekturen erfolgen – nicht nur hinsichtlich ihrer Größe, sondern auch ihrer Anzahl. Bei EUV-Anlagen sind Korrekturen auf einem Niveau (0,3 nm), auf dem bereits die Erwärmung der Optik im Betrieb zu neuen Verzerrungen führt.

ASML hat nicht nur dafür eine Lösung gefunden (in Zusammenarbeit mit seinem Optik-Partner Zeiss), sondern auch für das Problem der lichtempfindlichen Schicht für die Belichtungsmaske (Pellikula). Diese Maske ist wie das „Filmnegativ“, mit dem früher Papierfotos hergestellt wurden. Sie und vor allem die Pellikula müssen nicht nur dem UV-Licht standhalten, das sehr aggressiv, weil energiereich ist (was Menschen mit Hautkrebs leidvoll erfahren), sondern auch den hohen Temperaturen im Innern eines Lithografiesystems. Sie dürfen sich im Betrieb nicht verformen, weil dann die Chipstrukturen ungenau wären.

Auch dafür hat ASML eine praxistaugliche (!) Lösung gefunden. Denn es geht nicht darum, diese und andere Probleme nur technisch-physikalisch zu lösen. Das ist „leicht“, und im Labor geht vieles. Aber die Lösung muss sich in der täglichen Massenproduktion von Chips bewähren, also schnell, aber dabei auch zuverlässig und wartungsfreundlich sein.

Und wenn nun die KI …?

Auf seine Weise ist ASML seinen Konkurrenten daher viel weiter voraus als Nvidia. So ist es eher vorstellbar, dass eine KI die Prinzipien des Nvidia-Chipdesigns nachvollzieht und verbessert (da dies nach relativ definierten physikalischen Gesetzen geschieht), als dass dies in absehbarer Zeit bei dem komplexen Zusammenspiel kritischer Teile wie Optik und Pellikula in Lithografiesystemen geschieht.

Möglich, dass ich das Potenzial von KI unterschätze. Dennoch ist für mich ASML vorerst das „sichere“ und damit nachhaltigere KI-Investment. Und die Lithografie der wichtigste Schritt bei der Chipherstellung.


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1 Kommentar

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  • Fritz Bowie
    Fritz Bowie

    Exzellente Analyse! Hatte ich aus der Perspektive so noch nicht realisiert...👍

    11:14 Uhr, 07.06.