Fundamentale Nachricht
10:23 Uhr, 13.03.2017

Appell an den gesunden Menschenverstand

Die anstehende Wahl in Frankreich macht nach Einschätzung von Didier Le Menestrel, Chairman von La Financière de l’Echiquier, den Anleihekursen zu schaffen. Doch Anleger sollten ruhig bleiben.

Erwähnte Instrumente

  • CAC 40
    ISIN: FR0003500008Kopiert
    Kursstand: 4.993,32 Pkt (Euronext Paris) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Paris (GodmodeTrader.de) – In den Wochen vor der Wahl Donald Trumps hatten die Börsen nur noch Augen für den mexikanischen Peso, der je nach aktuellen Wahlprognosen an Boden verlor oder gewann. Nachdem sich das Fieber nun über den Atlantik ausgebreitet und Frankreich erreicht hat, wird der „Spread Frankreich – Deutschland“, d. h. die Differenz zwischen einer deutschen Staatsanleihe und einer französischen derselben Laufzeit, mit Argusaugen beobachtet, wie Didier Le Menestrel, Chairman von La Financière de l’Echiquier, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Im Jahr 2016 sei dieser Spread zahm gewesen und um die 35 Basispunkte geschwankt. Die Wachsamkeit und die Anleihenkäufe von Mario Draghi seien Kontrolle genug gewesen, um beim ersten Anzeichen ein Auseinanderlaufen der Spreads abzuwenden. Mit dem überraschenden Wahlausgang in den USA habe dieses Gleichgewicht geendet und es stelle sich die Frage: Wenn die Amerikaner Donald Trump wählen konnten, warum sollten die Franzosen dann nicht auch die rechtsextreme Marine Le Pen wählen können? Ihr lauthals ausposaunter Wille, aus dem Euro auszusteigen, biete an den Märkten durchaus Anlass zur Sorge: Frankreich rücke ab, hätten die Börsianer gesagt und bezögen sich damit zugleich auf das Auseinanderdriften der Spreads, heißt es weiter.

„Zu Jahresbeginn 2017 wurde dieser Prozess noch von der Affäre rund um die Kandidatengattin Penelope Fillon befeuert. Die Fokussierung der Akteure auf den berühmten Spread geriet zur Obsession. Man musste gar nicht mehr vom ‚Spread Frankreich – Deutschland‘ sprechen. Schon bei den Worten ‚der Spread‘ wusste jeder, was gemeint war. Dieser Indikator hängt von den politischen Ansagen in Frankreich ab. Die Möglichkeit einer Annäherung zwischen Benoît Hamon, dem Kandidaten der Sozialisten, und dem Linken Jean-Luc Mélenchon ließ ihn auf beinahe 80 Basispunkte klettern. Im Gegensatz dazu ließ die Ankündigung von François Bayrou, Anführer der Zentrumspartei Demokratische Bewegung, dass er Emmanuel Macron unterstützen werde, den Indikator um 5 Basispunkte sinken. Spötter meinten, es sei wohl das erste Mal, dass François Bayrou die Märkte in Bewegung gebracht habe“, so Le Menestrel.

Man sollte die Dinge etwas sachlicher betrachten: Zu Beginn der 90er Jahre sei Frankreich als erheblich risikoreicher wahrgenommen worden als Deutschland. Der Weg zur Eurozone und ihre tatsächliche Gründung, die dann gefolgt sei, habe dem Spread zu Beginn des neuen Millenniums eine hohe Stabilität verliehen. Er habe bei 0,15 Prozent gelegen. Die Krise im Jahr 2008 und dann vor allem die Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone während der Griechenland-Krise, hätten diesen Mechanismus seither außer Kraft gesetzt. Im November 2011 sei mit 190 Basispunkten ein neues Hoch erreicht worden. Selbst mit seinem aktuellen Wert von 60 Basispunkten sei der Spread Frankreich – Deutschland weit von einem Armageddon-Szenario entfernt. Genau wie die Websites für Online-Wetten zeige er nur, dass die Märkte die Wahrscheinlichkeit einer Wahl der rechtsextremen Kandidatin bei 25 Prozent sähen.

„Was würde in diesem Fall geschehen? Man muss gar nicht so weit in die politische Fiktion eintauchen: Die Investoren werden massiv aus französischen Schuldentiteln flüchten, wenn sich diese im Marineblau des Front National präsentieren. Zweifellos wird es der Europäischen Zentralbank gelingen, den Spread kurzfristig im Zaum zu halten, aber ihre Wirkungskraft würde durch die Wahl eines Präsidenten, der mit dem Euro Schluss machen will, ernsthaft beeinträchtigt“, so Le Menestrel.

Auch wenn dies nicht das wahrscheinlichste Szenario sei, sollte es bei der Steuerung frankreichlastiger Fonds berücksichtigt werden. Sofern die extremen Kandidaten nicht gewaltig einbrächen, würden die Anleger bis Mai weiterhin fieberhaft das Börsenthermometer verfolgen, heißt es weiter. „Allerdings sollten diese davon ausgehen, dass in der Welt, in der sie leben, stets Antikörper und andere natürliche Abwehrkräfte am Werke sind. Ist die neue politische Realität erstmal etabliert, wird das Fieber sicherlich so schnell fallen wie es zuvor gestiegen ist. Lassen Sie uns diese Momente nutzen, um als Anleger nach wie vor langfristig zu denken und auf den gesunden Menschenverstand sowie auf die scharfsinnige Suche nach Unternehmen mit Potenzial zu setzen“, so Le Menestrel.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

Mehr Experten