Kommentar
17:21 Uhr, 23.08.2019

Anleihen: Wenn das nicht die Mutter aller Blasen ist!

Fast täglich gibt es einen neuen Rekord bei den Negativzinsen. Das kann nur eine Blase sein. Doch wann platzt sie?

Viele Analysten bezeichnen den Anleihemarkt als die Mutter aller Blasen. Der Anleihemarkt ist in den meisten Ländern der größte Markt. Man denke nur an Deutschland. Die Marktkapitalisierung aller Aktien liegt bei ungefähr 60 % der Wirtschaftsleistung. Die Staatsverschuldung liegt bei etwas über 60 %, rechnet aber nicht die Anleihen mit ein, die andere Akteure beitragen.

Neben den Regierungen begeben auch Unternehmen fleißig Anleihen. Selbst in den USA, wo der Aktienmarkt deutlich höher bewertet ist als im Rest der Welt, ist der Anleihemarkt größer als der Aktienmarkt. Letzterer bringt es auf immerhin 35 Billionen Dollar. Der Anleihemarkt schlägt das jedoch mit 43 Billionen deutlich.

Bildet sich auf dem Anleihemarkt eine Blase, ist das richtig ernst. Es ist der größte Markt überhaupt. Entsprechend nervös zeigen sich viele Analysten. Inzwischen rentieren 100 % der Staatsschulden einiger Länder im negativen Bereich. Die Speerspitze bildet die Schweiz, gefolgt von Deutschland, den Niederlanden und Dänemark.

In Finnland, Österreich und Schweden fehlt nicht mehr viel und auch dort sind 100 % der Schulden nur noch zu negativen Renditen zu haben (Grafik 1). Das allein ist schon gewöhnungsbedürftig, aber nicht ganz unerwartet. Schon seit Jahren notieren Anleihen mit kürzeren Laufzeiten im negativen Bereich.


Das reicht nicht, um gleich von einer Blase auszugehen. Trotzdem gehen genau davon viele aus. Es sind auch nicht nur einfach Analysten, die Panik schüren wollen. Namenhafte Investoren wie Jeffrey Gundlach, immerhin Halter des Titels Bond-König, lassen sich immer wieder dazu hinreißen, den Anleihemarkt als haltlos überbewertet zu bezeichnen.

Wenn man die Fakten betrachtet, kann man auch kaum zu einem anderen Schluss kommen. Wer heute eine 20-jährige Anleihe kauft, verliert Geld. Kauft man heute eine deutsche 20-jährige Anleihe und lässt sie bis zur Fälligkeit liegen, verliert man 8 %. Geht man nun davon aus, dass es auch noch Inflation gibt, wird das Minus größer.

Setzt man die Inflation bei 0,5 % an, verliert man real 17 %. Geht man sogar davon aus, dass die von den Notenbanken propagierte Inflationsrate von 2 % erreicht wird, verliert man fast 40 % (Grafik 2). In 20 Jahren 40 % zu verlieren ist schon ziemlich massiv. Es geht aber noch schlimmer. Wer eine 50-jährige Schweizer Anleihe kauft, kann bei 2 % Inflation über die Laufzeit real mehr als 70 % verlieren.


Das ist einfach nur Wahnsinn. Man fragt sich, ob dieser Wahnsinn wirklich Bestand haben kann. Es macht für Anleger überhaupt keinen Sinn, Anleihen zu kaufen. Irgendwann muss die Flucht in andere Anlagen beginnen. Solange die Zinsen immer weiter sinken, ist der Anreiz natürlich gering. Schweizer Anleihen mit Laufzeiten von 40 Jahren konnten in diesem Jahr um 40 % steigen.

Die Kursgewinne sind dank fallender Zinsen enorm. Dafür können die Kursverluste entsprechend groß sein, wenn der Trend umkehrt. Jeder will und muss dann sofort durch die gleiche Tür. Die Gefahr ist groß. Aber glaubt wirklich jemand, dass Notenbanken dann tatenlos zusehen? Wohl kaum. Solange der Glaube an die Notenbanken nicht erschüttert ist, sehe ich den Anleihemarkt weniger kritisch als viele andere.

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11 Kommentare

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  • wolp
    wolp

    China hält still aus Eigeninterresse. Kein Ballon platzt wenn die Luft langsam rausgelassen wird. Aber Angst verkauft sich halt gut und die meisten springen auf. Zittrige halt. Merci

    08:31 Uhr, 24.08.2019
  • BB Utz
    BB Utz

    Ich empfehle das Video mit Markus Krall auf 'Tichys Einblicke'

    22:40 Uhr, 23.08.2019
  • Wolfi 1981
    Wolfi 1981

    Kann man die Anleihen eigentlich leerverkaufen? Die müsste man ja am Ende nur noch für den Nominalbetrag zurückkaufen und hätte so den Zins ins Positive gedreht.

    20:21 Uhr, 23.08.2019
    2 Antworten anzeigen
  • bad loan
    bad loan

    Was wohl erst los ist, falls in den USA die Zinsen richtig sinken...

    Schon jmd. gierig geworden? ;)

    18:21 Uhr, 23.08.2019
  • wizardmw
    wizardmw

    "Aber glaubt wirklich jemand, dass Notenbanken dann tatenlos zusehen?" Glauben Sie, daß die Notenbanken sich ewig den Markt zurecht biegen können? Wenn ja, werden wir bis zum Ende unseres Sionnensystems weiter wachsen und wir haben das Perpeduum Mobile erfunden. Wenn Sie jetzt schon dran glauben Herr Schmale, kann ja wirklich nichts mehr schief gehen.....

    17:36 Uhr, 23.08.2019
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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