Kommentar
12:39 Uhr, 22.10.2014

Anlegern steht ein volatiles Jahresende bevor

Die unruhigen Märkte der letzten Wochen stellen laut den Experten von J.P. Morgan Asset Management eine Rückkehr auf ein normales Schwankungsniveau dar: „Die niedrige Volatilität über den Sommer wog Anleger in einer trügerischen Sicherheit. Nun, da die Schwankungsintensität wieder gestiegen ist, scheinen die Marktteilnehmer darauf nicht vorbereitet zu sein“, betont Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. So notiert der Volatilitätsindex VIX derzeit bei 27 – ein ähnliches Niveau wie 2012. Im Jahr 2011 war er sogar fast doppelt so hoch. Es sei für Anleger wichtig, die höheren Schwankungen in Perspektive zu setzen: „Von April bis Juli gab es nicht einen einzigen Tag mit einer Veränderung von mehr als +1 Prozent oder -1 Prozent im S&P 500. Im Verhältnis zu diesen niedrigen Niveaus, erscheinen die heutigen Marktbewegungen enorm. Allerdings sind solche Bewegungen innerhalb kürzester Zeit durchaus üblich, denn historisch betrachtet treten Rückschläge zwischen ein bis zwei Prozent über mehrere Tage hinweg regelmäßig mehrfach pro Monat auf“, so der Experte. Zudem stellen sich durch die Kursrückgänge die Bewertungsniveaus attraktiver dar – diese Bewertungskorrektur könne sich als Wiedereinstiegschance anbieten.

Divergenz bleibt beherrschendes Thema

Insgesamt stellt die aktuelle Situation an den globalen Kapitalmärkten jedoch zunehmend eine Herausforderung für Anleger dar: „Die unterschiedliche Lage der weltweit größten Volkswirtschaften lässt die jeweiligen Zentralbanken gegenläufige Wege einschlagen“, erläutert Galler. Während sich die Bilanzsumme der Federal Reserve (Fed) stabilisiert, betreibt Japan nach wie vor eine expansive Politik und die Europäische Zentralbank (EZB) bemüht sich, nach der seit 2012 eingetretenen Kontraktion eine Trendwende einzuleiten. Galler sieht darin aber auch Chancen, da sich die divergierenden geld-politischen Ansätze in deutlichen Preisunterschieden der Anlagen niederschlagen dürften. So sei das bevorstehende geldpolitische Auseinanderdriften bereits auf dem Anleihenmarkt zu beobachten, wo sich amerikanische und britische Renditen von den europäischen abgekoppelt haben. „Die regionalen Muster der Anleihenrenditen spiegeln die Erwartung wider, dass Wachstum und Inflation in den bedeutenden angelsächsischen Ländern ebenso steigen werden wie die Zinsen“, betont Galler.

Bei den kurzfristigen Zinsen dürften demnächst größere Unterschiede auftreten, weil in den USA eine Anhebung der Leitzinsen bevorsteht, während die europäischen Zinssätze auf ihrem sehr niedrigen Stand bleiben werden. Das globale Wesen des Anleihenmarktes verhindere allerdings zu große Unterschiede am langen Ende der Kurve. „Weltweit könnten Investoren vor allem bei anhaltenden geopolitischen Spannungen die Sicherheit von US-Staatsanleihen zu schätzen wissen. Außerdem dürften sowohl die zusätzliche Nachfrage nach sicheren Anlagen aufgrund der alternden Bevölkerung in den Industrieländern als auch aufsichtsrechtliche Vorschriften, die Pensionsfonds zum Halten eines größeren Anteils festverzinslicher Anlagen mit langen Laufzeiten zwingen, auch in Zukunft und selbst in Ländern mit steigenden Leitzinsen den Anstieg der Anleihenrenditen drosseln“, unterstreicht der Experte.

Aktivere EZB-Politik bringt den Euro unter Druck

Der Euro wird dagegen aufgrund der Pläne der EZB, ihre Bilanz mit Anleihenkäufen wieder auszuweiten, seinen Abwärtstrend verlängern. „Die Wende in der europäischen Geldpolitik ist eine Reaktion auf die Abschwächung des Wachstums in der Eurozone im Sommer 2014 und auf das anhaltend sehr niedrige Inflationsniveau. Die Euro-Abwertung sollte eine Verbesserung an beiden Fronten herbeiführen“, sagt Galler. Das Ergebnis beider Maßnahmen sei für den Erfolg der europäischen Wirtschaft und somit auch der europäischen Aktien entscheidend. Denn die europäischen Gewinne hinken bisher dem allgemeinen Wirtschaftsaufschwung hinterher. „Wir erwarten, dass der schwächere Euro die Gewinne und somit auch die Aktienkurse in Europa im kommenden Jahr unterstützen wird. Doch angesichts der aktuellen Bewertungen erweist sich das dynamischere Gewinnwachstum als ein wichtiges Glied in der Kette. Noch scheint offen, ob die Rückkehr zu höherer Rentabilität gelingt, was europäischen Aktien einen Aufschwung bescheren würde.

Ertragsströme diversifizieren

Selten war das Marktumfeld für Investoren so anspruchsvoll wie heute. Jahre einer extrem lockeren Geldpolitik der wichtigsten Zentralbanken führen den Spruch „Cash is King“ ad absurdum und Staatsanleihen erzielen kaum noch Erträge oberhalb der Inflationsrate. In dieser Situation sind Anleger gefordert, über die traditionellen

Ertragsquellen hinaus zu denken und Anlagechancen bei Aktien, festverzinslichen Papieren und alternativen Anlageklassen ausnutzen, um reale Erträge zu erzielen. Wenn nun die Zentralbanken Großbritanniens und der USA nach über einem halben Jahrzehnt die Zinsen wieder anheben, werden sich die Finanzmärkte an ein Umfeld steigender Zinsen anpassen müssen. Dies bedeutet, dass der Anstieg der Volatilität ein längerfristigeres Phänomen sein wird – und das über alle Anlageklassen hinweg. „Mit diesem Szenario im Hinterkopf sind Anleger gut beraten, sich durch eine angemessene Diversifizierung ihrer Portfolios auf volatile Ertragsströme vorzubereiten“, betont Galler. Ausgewogene und gut diversifizierte Portfolios können langfristig attraktive Renditen generieren, ohne die Schwankungen, die mit Investitionen in nur eine Anlageklasse einhergehen. Dasselbe gilt auch für die Suche nach regelmäßigen Erträgen: Anleger, die zur Ertragsgenerierung auf eine breitere Palette von Anlagen setzen, haben deutlich bessere Chancen, über alle Marktunebenheiten hinweg stabile Ertragsflüsse zu erzielen. „Nach wie vor bieten sich Anlageklassen wie Hochzinsanleihen und Dividendenpapiere für Anleger an, die mit ihren Erträgen über die Inflationsrate kommen wollen“, so Tilmann Gallers Fazit.

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