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Kommentar
14:00 Uhr, 07.11.2025

Aktienmarktbewertungen – Warum wir uns (noch) nicht in einer Blase befinden

Das derzeitige Marktumfeld weist mehrere Merkmale auf, die mit früheren Blasen übereinstimmen, darunter ein deutlicher Anstieg der absoluten Bewertungen, eine hohe Marktkonzentration und eine erhöhte Kapitalintensität bei führenden Unternehmen, erklärt Goldman Sachs Chief Global Equity Strategist Peter Oppenheimer.

Das Ausmaß der Marktbeherrschung durch führende Technologieunternehmen ist bemerkenswert: Die fünf größten US-Technologieunternehmen haben zusammen einen Wert, der die Gesamtgröße des Eurostoxx 50 und der Aktienmärkte Großbritanniens, Indiens, Japans und Kanadas übersteigt und etwa 16 Prozent des gesamten globalen Aktienmarktes ausmacht. Die zehn größten US-Aktien, von denen acht aus dem Technologiesektor stammen, machen mit einer Bewertung von fast 25 Billionen US-Dollar fast 25 Prozent des globalen Aktienmarktes aus.


Abb. 1: Schwergewichte auf dem Aktienmarkt

Die zehn größten US-Unternehmen, von denen acht zum Technologiesektor gehören, dominieren den weltweiten Aktienmarkt. Sie machen mit einer Bewertung von annähernd 25 Billionen US-Dollar fast 25 Prozent des globalen Aktienmarktes aus.

Quelle: IMF, FactSet, Datastream, Goldman Sachs Global Investment Research; Stand: 22. Oktober 2025. Bitte beachten Sie, dass frühere Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung sind.


Der Anstieg der Technologieaktien und die Begeisterung für KI weisen Ähnlichkeiten mit früheren Blasen auf – darunter die „Kanalmanie“ in Großbritannien in den 1790er Jahren, die Eisenbahnblasen der 1840er Jahre (in Großbritannien) und 1873 (in den USA) sowie die globale Technologieblase der 1990er Jahre. Sie waren auf eine neue Technologie oder Innovation konzentriert, die bei den Anlegern große Begeisterung auslöste und zu erheblichen Investitionen sowohl von bestehenden als auch von neuen Unternehmen führte. Eine Studie ergab, dass 73 Prozent der 51 wichtigsten Innovationen zwischen den Jahren 1825 und 2000 Aktienkursblasen aufwiesen, deren Ausmaß mit der Vehemenz, dem Potenzial für indirekte Netzwerkeffekte und der öffentlichen Sichtbarkeit der Innovationen zunahm.

Die derzeitige Begeisterung für KI entspricht diesen historischen Mustern, insbesondere der Dot.com-Blase Ende der 1990er Jahre. Ein technologischer Umbruch scheint sich an einem kritischen Punkt der Kommerzialisierung zu befinden, ähnlich wie das Internet in seinen Anfängen, und verspricht ein höheres zukünftiges Wachstum.

Dies stellt jedoch eine dreifache Herausforderung dar: die genaue Bewertung der zukünftigen Marktgröße, die Festlegung des Zeitplans für die Kommerzialisierung und Skalierung sowie die Identifizierung der Hauptnutznießer des zukünftigen Wachstums.

Die damit verbundene Unsicherheit veranlasst Investoren häufig dazu, Optionen zahlreicher Unternehmen zu erwerben, in der Hoffnung, den nächsten marktbeherrschenden Akteur zu identifizieren. Letztendlich entstehen Blasen, wenn der Gesamtwert der mit einer Innovation verbundenen Unternehmen die potenziellen zukünftigen Cashflows übersteigt, die sie voraussichtlich generieren werden.

Trotz dieser Ähnlichkeiten deuten entscheidende Unterschiede darauf hin, dass das derzeitige Umfeld möglicherweise noch keine voll entwickelte Blase darstellt. Dazu gehören:

1. Fundamentales Wachstum vs. Spekulation: Nicht irrationale Spekulationen über das künftige Potenzial, sondern fundamentales Wachstum und robuste Gewinne waren bislang die Haupttreiber für die Wertsteigerung im Technologiesektor. Dies steht im Gegensatz zu vielen früheren Blasen, bei denen die Erwartungen hinsichtlich des zukünftigen Wachstums und der Marktdominanz die Unternehmen im Zentrum des Booms eher trieben als nachweisbare Erfolge. Der außergewöhnliche Anstieg des Gewinns pro Aktie (EPS) im Technologiesektor, insbesondere seit der globalen Finanzkrise, unterstreicht diese anhaltende fundamentale Performance.


Abb. 2: Technologiesektor übertrifft Gesamtmarkt

Die Gewinne im Technologiesektor haben diejenigen des globalen Marktes weit hinter sich gelassen. Die auf den Januar 2009 indexierten Gewinne der Technologieaktien (EPS) machen inzwischen etwa das Dreifache des Gesamtmarktes ohne Technologie aus.

Quelle: Datastream, Worldscope, Goldman Sachs Global Investment Research; Stand: 22. Oktober 2025. Bitte beachten Sie, dass frühere Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung sind.


2. Starke Bilanzen: Die Unternehmen mit den höchsten Renditen verfügen über ungewöhnlich starke Bilanzen und ein atemberaubendes Gewinnwachstum. Diese Finanzkraft bietet einen Puffer, der bei Unternehmen, die im Zentrum früherer Blasen standen, oft fehlte.

3. Dominanz etablierter Unternehmen im Bereich KI: Bislang haben einige wenige etablierte Unternehmen den KI-Bereich dominiert. Die meisten historischen Blasen entstanden hingegen in Zeiten intensiven Wettbewerbs, als sowohl Investoren als auch neue Marktteilnehmer in diesen Bereich strömten. Zwar nimmt der Wettbewerb im Bereich KI zu, doch haben etablierte Akteure die Anfangsphase angeführt.

Bewertungen: hoch, aber nicht auf Bubble-Niveau

Das Research-Team um Peter Oppenheimer hat mehrere Bewertungskennzahlen untersucht und festgestellt, dass die Bewertungen der großen Technologieunternehmen zwar hoch sind, aber nicht auf Bubble-Niveau liegen:

1. Vergleich mit früheren Blasen: Das mittlere 24-Monats-KGV für die Magnificent-7-Technologieaktien liegt bei 25 (24,5 ohne Tesla). Dies entspricht etwa der Hälfte der entsprechenden Bewertung der sieben größten Unternehmen während der Dot.com-Blase Ende der 1990er Jahre. Auch das Verhältnis von Unternehmenswert zu Umsatz (EV/Umsatz) ist deutlich niedriger als das der marktbeherrschenden Unternehmen Ende der 1990er Jahre. Die aktuellen Bewertungen sind zwar hoch, erreichen aber im Allgemeinen nicht die extremen Niveaus, die typischerweise am Höhepunkt einer Finanzblase zu beobachten sind.

2. Vergleich des Kurs-Gewinn-Wachstums (PEG): Das PEG-Verhältnis für Technologieaktien, das die Bewertung in Relation zum Gewinnwachstum setzt, bleibt mit anderen Aktien vergleichbar und liegt deutlich unter dem Niveau der späten 1990er Jahre. Ein konservativeres PEG-Verhältnis, das auf dem bevorstehenden 12-Monats-KGV gegenüber dem EPS-Wachstum der letzten drei Jahre basiert, ergibt ein aktuelles Verhältnis von 1,6, was deutlich unter dem Wert von 3,7 liegt, der auf dem Höhepunkt der Dot.com-Blase beobachtet wurde.

3. Vergleich zwischen ROE und Preis-Buchwert-Verhältnis (P/B): Der US-Technologiesektor weist historisch hohe Returns on Equity (ROE) auf, was das hohe Preis-Buchwert-Verhältnis teilweise rechtfertigt. Auch wenn der Sektor bei dieser Kennzahl etwas überbewertet erscheint, ist die Situation nicht so extrem wie 1999/2000, als das P/B-Verhältnis ähnlich war, der ROE jedoch deutlich niedriger.

4. Dividendendiskontierungsmodell (DDM): Ein einstufiges DDM, das von einer Aktienrisikoprämie (ERP) von 4,5 Prozent ausgeht, impliziert ein nominales jährliches Wachstum von 8 Prozent für den US-amerikanischen Technologie-, Medien- und Telekommunikationssektor (TMT). Dies ist hoch im Vergleich zu den letzten Jahren (4 bis 5 Prozent), aber niedriger als die 10 Prozent, die 1999/2000 impliziert wurden. Mit einem dreistufigen Modell kommen die Analysten von Goldman Sachs zu ähnlichen Ergebnissen.

Investitionsausgaben und Finanzierung

Während die Bewertungskennzahlen im Allgemeinen weniger extrem sind als die, die typischerweise während früherer Blasen zu beobachten waren, kommt es zu einem Anstieg der Investitionen und Investitionsausgaben, was ein typisches Merkmal früherer Technologieblasen war.

Unternehmen, die an der Spitze bedeutender technologischer Innovationen stehen, erzielen oft nicht die Renditen, die ihre hohen Bewertungen vermuten lassen, da die Grenzkosten sinken und die Kapazitäten steigen. Gleichzeitig können neue Marktteilnehmer bestehende Investitionen nutzen, indem sie neue Produkte und Dienstleistungen anbieten.

Während die derzeitigen Marktführer mit einem relativ kapitalarmen Modell ein außergewöhnliches Gewinnwachstum erzielt haben, sind ihre Investitionsausgaben seit dem Aufkommen von ChatGPT im Jahr 2022 rapide gestiegen. Dies erhöht das Risiko, dass die künftigen Renditen dieses Kapitals geringer ausfallen könnten als derzeit vom Markt erwartet.

Allerdings ist der Boom bei der Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung, der typischerweise bei früheren Blasen zu beobachten war, noch nicht eingetreten. Während die Investitionsquote im Technologiesektor in den USA stark ansteigt, bleibt das Verhältnis von Investitionen zum freien Cashflow relativ niedrig.


Abb. 3: Investitionsquote im US-Technologiesektor gestiegen

Der Boom bei der Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung, der bei früheren Blasen zu beobachten war, ist noch nicht eingetreten. Zwar ist die Investitionsquote im Technologiesektor in den USA stark angestiegen, das Verhältnis von Investitionen zum freien Cashflow ist jedoch nach wie vor relativ niedrig.

Quelle: Datastream, Goldman Sachs Global Investment Research; Stand: 22. Oktober 2025. Bitte beachten Sie, dass frühere Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung sind.


Das bedeutet nicht, dass führende Unternehmen nicht durch neue Marktteilnehmer korrigiert oder gefährdet werden können, sondern vielmehr, dass ihre Finanzierungsmodelle zumindest bisher nachhaltiger waren. Dementsprechend dürften die Auswirkungen einer Marktkorrektur weniger systemisch sein, insbesondere angesichts der Stärke der Bankbilanzen. Allerdings deuten die zunehmenden Beispiele für Kreditfinanzierungs- und Lieferantenfinanzierungsmodelle darauf hin, dass die Risiken steigen.

Marktkonzentration

Während die Bewertungen und Finanzierungsmodelle darauf hindeuten, dass wir uns noch nicht in einer Blase befinden, hat die deutliche Outperformance des Technologiesektors tatsächlich zu einer gefährlichen Marktkonzentration über Regionen, Sektoren und Aktien hinweg geführt. Die konstante Outperformance des US-Marktes in den letzten 15 Jahren, die es mit sich brachte, dass dieser auf über 60 Prozent des globalen Aktienmarktes anwuchs, ist weitgehend auf den Rekordanteil des Technologiesektors am US-Index zurückzuführen. Diese Konzentration ist extrem, da allein die zehn größten US-Unternehmen fast ein Viertel des globalen Aktienmarktes ausmachen.

Eine hohe Marktkonzentration allein ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Blase. In der Vergangenheit haben dominante Sektoren ihre Führungsposition über längere Zeiträume hinweg behauptet, was die jeweils vorherrschenden wirtschaftlichen Triebkräfte widerspiegelt.


Abb. 4: Jeweils größte Unternehmen nach Sektor

Die größten Unternehmen sind in der Regel in dem jeweils dominanten Sektor tätig. Dabei ist eine hohe Marktkonzentration allein nicht gleichbedeutend mit einer Blase. In der Vergangenheit haben dominante Sektoren ihre Führungsposition oft über längere Zeiträume hinweg behauptet.

Quelle: Fortune 500, Datastream, Goldman Sachs Global Investment Research; Stand: 22. Oktober 2025. Bitte beachten Sie, dass frühere Wertentwicklungen, Simulationen oder Prognosen kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung sind.


Auswirkungen auf Investitionen: Fokus auf Diversifizierung

Insgesamt besteht zwar weiterhin das Risiko einer Blasenbildung, doch nach der aktuellen Einschätzung des Goldman Sachs Research-Teams befinden wir uns noch nicht in einer solchen Situation. Die gesunde Bilanzlage des privaten Sektors, die geringere Verschuldung zur Finanzierung des aktuellen Ausgabenbooms und die starken Bankbilanzen dürften ebenfalls das Risiko gesamtwirtschaftlicher Auswirkungen mindern, sollte das Vertrauen der Anleger in KI schwinden. Dennoch bleibt eine Marktkorrektur möglich, wenn die Wachstumsaussichten für Technologie und KI nach unten korrigiert werden.

Angesichts dieser Risiken empfiehlt das Goldman Sachs Research-Team um Peter Oppenheimer, sich auf mehrere Diversifizierungsstrategien zu konzentrieren:

1. Regionale Diversifizierung: Trotz geringerer Technologieexposition außerhalb der USA waren die regionalen Wertentwicklungen seit Jahresbeginn ähnlich. Nicht-US-Aktienmärkte haben in US-Dollar gemessen eine Outperformance erzielt, wobei einige Regionen wie Deutschland, Italien, Spanien und Korea deutliche Gewinne verzeichneten.

2. Faktor- und Sektordiversifizierung: Die Anlagelandschaft erweitert sich über die Zweiteilung in „Wachstum“ und „Wert“ hinaus, die das Jahrzehnt nach der Finanzkrise geprägt hat, und bietet damit ein wachsendes Spektrum an Möglichkeiten in verschiedenen Anlagestilen und Sektoren.

3. Infrastruktur-Interdependenz: Das Schicksal führender Technologieaktien ist zunehmend mit der physischen Infrastruktur verbunden. Die steigende Nachfrage nach Strom erfordert beispielsweise reale Investitionen in die Energieerzeugung und -verteilung, was die Wachstumsaussichten für Branchen wie Investitionsgüter, Energie, Rohstoffe, Immobilien und Transport verbessert.

4. Diversifizierung innerhalb der Technologiebranche: Innerhalb des Technologiesektors selbst dürften sich die Renditen verbreitern. Zwar dürften die derzeitigen Marktführer ihre dominante Stellung behalten, doch dürfte die rasante Innovation, insbesondere im Bereich des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz, eine neue Welle von Technologie-Superstars hervorbringen, die in der Lage sind, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und dabei vom aktuellen Investitionsboom zu profitieren.


Dieser Artikel wird ausschließlich zu Informationszwecken zur Verfügung gestellt. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen stellen keine Empfehlung einer Goldman Sachs-Einheit für den Empfänger dar, und Goldman Sachs erteilt weder durch diesen Artikel noch für den Empfänger eine Finanz-, Wirtschafts-, Rechts-, Anlage-, Buchhaltungs- oder Steuerberatung. Weder Goldman Sachs noch eines seiner verbundenen Unternehmen gibt eine ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherung oder Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der in diesem Artikel enthaltenen Aussagen oder Informationen, und jegliche Haftung (einschließlich in Bezug auf direkte, indirekte oder Folgeschäden) wird ausdrücklich abgelehnt.


Quelle: Der Beitrag wurde am 22. Oktober 2025 von Goldman Sachs Global Investment Research in einer Publikation mit dem Titel „Top Of Mind – AI: In a Bubble?“ veröffentlicht, die im Bereich Insights auf www.goldmansachs.com verfügbar ist. Bitte beachten Sie, dass die darin getroffenen Aussagen keine Anlageempfehlungen darstellen.


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