Kommentar
11:00 Uhr, 16.11.2016

Achtung: Die Inflationserwartungen steigen rasant!

Manche Entwicklungen passieren wirklich über Nacht. Wenn man dann aufwacht, ist die Welt plötzlich eine ganz andere.

Wer in diesen Tagen eine Rundumschau von Charts macht, der traut seinen Augen nicht. Die Welt hat sich innerhalb sehr kurzer Zeit, fast schon Tagen, grundlegend verändert. Viele Anleger haben das noch nicht begriffen und investieren unter Annahmen, die heute nicht mehr gelten.

Eine dieser Annahmen ist, dass die Inflation niedrig bleibt. Niedrig heißt in den verschiedenen Weltregionen jeweils etwas anderes. In der Eurozone bedeutet niedrige Inflation eine Teuerungsrate in der Nähe von 0 %. In den USA ist es ca. 1 %, in China sind es 2 % und in Großbritannien 1,5 %.

Die Erwartung einer ewig niedrigen Inflation hat zu einer problematischen Assetallokation geführt, denn niedrige Inflation bedeutet auch niedrige Zinsen. Wer durch Anleihen keine Gewinne generieren kann, der sucht Zinsen andernorts. Das waren in den letzten Jahren insbesondere Dividendentitel und bis zu einem gewissen Grad Aktien generell (Stichwort Anlagenotstand).

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Seit kurzem ist das anders. Die Inflationserwartungen steigen so schnell an wie seit vielen Jahren nicht mehr. In den USA stieg die kurzfristige Inflationserwartung von 1,3 % auf 1,85 % (graue Linie im Chart). Die langfristige Erwartung, repräsentiert durch die 5-Year, 5-Year Forward Rate (Inflationsrate in den fünf Jahren, die in fünf Jahren beginnen, also von 2021-2026), stieg von 1,4 % auf 2 %.

Die Sensation an der Sache ist nicht nur der Anstieg an sich, sondern auch das Timing und die Geschwindigkeit der Trendwende. Die Inflationserwartungen bildeten Anfang 2016 ein Tief aus, konnten sich aber nicht nachhaltig nach oben absetzen. Das lag am Ölpreis, der bei 50 Dollar seinen Rallyemodus aufgab.

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In den meisten Ländern machen Energiepreise an die 10 % des Warenkorbes aus, der die Inflation bestimmt. Ein rascher Anstieg des Ölpreises kann die Inflation entsprechend nach oben drücken. Das ist auf absehbare Zeit jedoch keine große Gefahr. Der Ölpreis hat seine Tiefs wohl gesehen und der negative Effekt auf die Inflationsrate ebbt ab, doch noch gibt es keinen großen Rückenwind. Der Ölpreis steht heute dort, wo er auch vor einem Jahr stand.

Wegen des großen Einflusses von Energiepreisen auf die Inflationsrate bewegen sich Inflationserwartungen parallel zum Ölpreis. Seit gerade einmal drei Wochen ist das anders. Der Ölpreis fällt regelrecht in sich zusammen und die Inflationserwartungen gehen durch die Decke. Das ist etwas, was man nicht alle Tage sieht.

Das hat nicht einmal besonders viel mit den Präsidentschaftswahlen in den USA zu tun. Viele berichten, dass aufgrund Trumps Ankündigungen die Inflation ansteigen wird. Das mag sein, doch erst müssen die Ankündigungen auch politisch durchgesetzt und dann implementiert werden. Bevor Trump einen faktischen Einfluss auf die Inflation hat, vergeht mindestens ein Jahr.

Die Erwartungen können natürlich trotzdem bereits jetzt ansteigen. Sie steigen aber nicht erst seit dem 8. November an, sondern schon seit mehreren Wochen. Als die Trendwende begann, war von Trumps Wahlsieg noch keine Rede.

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Anleger sind ganz von alleine, ganz ohne Trump, auf die Idee gekommen, dass die Inflation global einen Boden ausgebildet hat. Man lässt sich dabei auch nicht von kurzfristigen Ölpreisschwankungen beirren. Der Zug scheint kaum noch aufzuhalten zu sein. Großanleger haben das erkannt und rennen los. Sie schichten im großen Stil Anlagen um.

Kleinanleger brauchen für gewöhnlich länger, um diese Trends zu erkennen und danach zu handeln. Bis sich durchgesetzt hat, dass die Inflation nun kommt, ist ein Großteil des Trends auch schon wieder vorbei. Den Kursen nachrennen würde ich nicht. Wer noch nicht Anleihen short und Rohstoffe long ist, sollte dem jungen Trend nicht nachlaufen. Das aktuelle Tempo der Trendwende wird nicht durchzuhalten sein und Rücksetzer für einen besseren Einstieg kommen bestimmt.

Clemens Schmale

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1 Kommentar

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  • Hausverstand
    Hausverstand

    Hallo Herr Schmale,

    was ich in diesem Zusammenhang nicht verstehe ist, daß die Inflation stark steigen soll, gleichzeitig aber der Goldpreis abschmiert ? Vor einiger Zeit habe ich einmal gelesen, daß in der Vergangenheit nicht Gold der beste Inflationsschutz war sondern Weizen. Können Sie das bestätigen ?

    11:30 Uhr, 16.11.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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