Kommentar
10:00 Uhr, 20.12.2019

Absurd? Japan lockert die Geldpolitik, indem es die Zinsen anhebt

Bei uns stehen zwar die EZB und Fed im Fokus, doch der Blick nach Japan lohnt sich. Die dortige Notenbank führt die meisten Experimente durch und früher oder später kommen diese auch zu uns.

Keine Notenbank ist so experimentierfreudig wie die Bank of Japan. Die US-Notenbank Fed hat QE zwar groß gemacht, allerdings experimentierte Japan schon zur Jahrhundertwende damit. Dabei verdoppelte sie die Bilanzsumme innerhalb von zwei Jahren. Als Erfolg wurde das nicht gewertet. Die BoJ reudzierte die Bilanzsumme vor der Finanzkrise wieder um ein Drittel.

Nach der Finanzkrise ging es erst richtig los. Anfang 2013 lief die Druckerpresse heiß. Die Bilanzsumme stieg von 1,5 Billionen Dollar auf 4,5 Billionen innerhalb von nur vier Jahren. Seither ist das Tempo moderater. Ein Ziel von QE war es, die Zinsen zu senken und das ist der BoJ gut gelungen (Grafik 1).


Der Wachstumsschwäche 2015/16 konnte die Notenbank wenig entgegensetzen. Sie kaufte ja bereits Anleihen. Also führte sie Negativzinsen ein. Das führte dazu, dass die Renditen von Anleihen auf ein Rekordtief sanken. Geradezu panikartig bracht die Rendite 10-jähriger Anleihen von immerhin noch 0,3 % auf -0,3 % ein.

Das war selbst der BoJ nicht geheuer. Daher führte sie das nächste Experiment durch, indem sie die Zinskurvenkontrolle einführte. Ziel war es, die Zinsen der 10-jährigen Anleihen bei ungefähr 0 % zu halten. Das funktionierte, obwohl die Notenbank weiterhin Anleihen kaufte

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2019 kam die große Überraschung. Obwohl die Notenbank einen Zinssatz von 0 % verordnet hatte, fielen die Zinsen auf ein neues Rekordtief. Daher wurde im Herbst das nächste Experiment begonnen: die Zinskurvenkontrolle II (Grafik 2).


Die BoJ kauft nun vermehrt Anleihen mit kürzerer Laufzeit. Sie will nämlich nicht, dass die Langfristzinse zu stark fallen. Im September erreichten die Zinsen selbst von 40-jährigen Anleihen fast die 0 % Marke. Das war der BoJ nicht geheuer und zwar aus zwei Gründen: sie will die Rentner nicht noch weiter belasten und sieht zu tiefe Langfristzinsen als Signal, dass niemand an einen Aufschwung glaubt.

Japan altert so schnell wie keine andere Gesellschaft und viele sind auf Zinsen angewiesen. Es ist nobel, dass die Notenbank daran denkt. Der zweite Grund ist allerdings fragwürdig. Einerseits will die Notenbank niedrige Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Andererseits will sie sie nicht, weil es signalisiert, dass die Geldpolitik nicht funktioniert.

Durch die Veränderung ihres QE Programms sollen die kurzfristigen Zinsen sehr niedrig bleiben, dafür sollen die Zinsen am langen Ende der Kurve steigen. Im Notfall werden dafür sogar wieder Anleihen verkauft. Die Notenbank will eine steilere Zinskurve erzwingen und Erfolg verordnen.

Ob die verordnete, steilere Zinskurve wirklich einen realen Effekt hat, bleibt abzuwarten. Die Zinskurve wird durch die Geldpolitik ja künstlich hingebogen. Es ändert auch wenig an dem Paradox, dass die BoJ nun die Zinsen am langen Ende anhebt und das als Lockerung verkaufen will.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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