Kommentar
08:06 Uhr, 23.10.2015

Abschwung in Sicht?

Geht die Jahresendrally so weiter wie bisher, dann erreichen die US Indizes bald neue Allzeithochs. In Europa sieht die Lage noch anders aus. Allerdings hat die EZB gestern dafür gesorgt, dass auch europäische Indizes wieder Höhenluft schnuppern können.

Während in den USA noch immer von höheren Zinsen geträumt wird, bereitet sich die EZB auf eine Ausweitung ihres Anleihenkaufprogramms vor. Vor der Sommerpause kaufte die EZB überdurchschnittlich viele Anleihen. Die Begründung: Das Volumen ist im Sommer geringer als üblich. Dadurch würden die Käufe den Markt stärker beeinflussen als beabsichtigt. Kurzerhand wurden Ankäufe von Anleihen vorverlegt. Das hat problemlos funktioniert. Die EZB dürfte sich daher recht sicher fühlen, wenn sie in Zukunft noch einmal 10 bis 30 Mrd. mehr pro Monat in das Kaufprogramm steckt.

Während die Ausweitung schon kurz nach Beginn des Programms praktisch getestet wurde, sind inzwischen auch die Regeln soweit angepasst, dass eine Ausweitung umsetzbar ist. Bisher durfte die EZB nicht mehr als 25% einer bestimmten Anleihe halten, um die Sperrminorität nicht zu überschreiten. Das wurde überdacht. Die EZB traut sich nun 30% Anteil zu.

Mehrere EZB Ratsmitglieder äußern sich wohlwollend in Bezug auf eine Ausweitung des Kaufprogramms. Die wirtschaftliche Notwendigkeit dafür ist nicht gegeben. Im Notfall muss das Totschlagargument Inflation herhalten, um eine Ausweitung des Kaufprogramms zu rechtfertigen.

Eine wirtschaftliche Notwendigkeit für eine Ausweitung des europäischen QE gibt es nicht. Auch die niedrige Inflation ist nur ein Vorschubargument. Der EZB geht es vermutlich auch weniger um Inflation als um den Euro-Wechselkurs. Dieser zeigte sich in den vergangenen Monaten wieder recht robust. Eine Abwertung wäre willkommen.

Eine Euroabwertung hat auch mit Inflation zu tun (Importpreise steigen), doch vielmehr dürfte es um die Exporte gehen. Der Abschwung in den Schwellenländern senkt nicht nur die Nachfrage nach europäischen Produkten. Die Währungen der Schwellenländer haben inzwischen so stark nachgegeben, dass sie Produkte zu Schleuderpreisen anbieten können. Ein europäischer Exportboom ist so kaum zu erwarten.

Während sich die Eurozone in einem moderaten Aufschwung befindet, ist die US Wirtschaft in voller Fahrt. Inzwischen dauert der US Aufschwung jedoch schon so lange an, dass die nächste Abkühlung nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Dieser Meinung sind auch viele Anleger und Investoren. Die Zinsen für Unternehmensanleihen, insbesondere für Schuldner geringerer Bonität, steigen rasant an.

Grafik 1 zeigt den Spread (Zinsdifferenz) von Ramschanleihen (High Yield Bonds) zu US Staatsanleihen. Die Zinsdifferenz fiel über die letzten fünfeinhalb Jahre. Seit einem Jahr steigen sie wieder an. Das ist mehreren Faktoren geschuldet. Zu den wichtigsten Faktoren gehört der niedrige Ölpreis. Viele Schieferölunternehmen hatten sich über Junk Bonds finanziert und überschuldet. Kreditausfälle lassen sich hier kaum vermeiden.

Ginge es nur um die Ölindustrie, dann dürften die Spreads nicht so stark und schnell ansteigen wie sie es tun. Die Öl- und Rohstoffindustrie macht nicht mehr als 15 bis 20% des ausstehenden Gesamtvolumens aus. Für Anleger scheint das von geringer Bedeutung zu sein. Sie verlangen Aufschläge satt. Der Spread weitete sich inzwischen um über zwei Prozentpunkte aus.

In der Vergangenheit kam es nach solch großen Spreadausweitungen für gewöhnlich mit mehreren Quartalen Verzögerung zu einem wirtschaftlichen Abschwung. Es ist dabei nicht davon auszugehen, dass sich der Trend zu höheren Spreads bald umkehrt und dadurch Entwarnung gibt.

Grafik 2 zeigt die Ausfallquoten für Ramschanleihen. Diese Ausfallquoten folgen einem einfachen Modell. Zieht man die Fed Funds Rate von 10-jährigen US Staatsanleihen ab dann erhält man ein relativ zuverlässiges Vorhersagemodell.

Das Modell beschreibt letztlich wie steil die Zinskurve ist. Diese flacht derzeit ab. Eine Abflachung der Zinskurve ist ein Indiz für einen Abschwung. Ein Abschwung wiederum sorgt für weniger Umsätze und Gewinn bei Unternehmen. Schulden können nicht mehr so leicht bedient werden. Ramschanleihen reagieren auf die wirtschaftliche Entwicklung daher sehr stark und relativ früh.

Der Anstieg der Spreads hat wenig mit einer möglichen Zinswende zu tun. Zwischen 2003 und 2007 stiegen die Zinsen in den USA. Die Rendite für langlaufende US Anleihen blieb relativ stabil bei 5%. Die Rendite für Junk Bonds sank hingegen von 14 auf 7% und lief damit dem Zinstrend vollkommen entgegen.

Die Spreads für High Yield Bonds zeigen an, dass Anleger eine deutliche Verlangsamung des Aufschwungs erwarten und sich sogar auf einen moderaten Abschwung vorbereiten. Das macht Sinn, denn auch das Vorhersagemodell zeigt eher steigende als fallende Kreditausfälle an. Noch ist die Welt in Ordnung. Die US Konjunktur ist immer noch robust. 2016 könnte jedoch ein Wendejahr werden.

In Europa wird einem solchen Szenario vorgebeugt. Draghi deutete heute mehrere Möglichkeiten für weitere Lockerung an. Zu diesen Möglichkeiten gehört nicht nur eine Ausweitung des Anleihenkaufprogramms, sondern auch die Streichung des bisherigen Ablaufdatums (September 2016) und eine weitere Senkung des Einlagenzinssatzes. Während das den Euro schwächt und Banken unter Druck bringt freut es Unternehmen. Unternehmen, die in einem Umfeld von 2% Zinsen nicht überlebensfähig werden, erhalten derzeit zu guten Bedingungen Geld. Das hilft auch der Wirtschaft. Es schafft Arbeitsplätze. Dass diese Unternehmen langfristig gar nicht überlebensfähig sind interessiert dabei in diesen Zeiten niemanden.

In den USA steigen die Zinsen für Unternehmen, insbesondere Unternehmen im Non-Investment-Grade Segment. Das allein wird den Aufschwung hemmen und kann zu höheren Kreditausfällen führen. Der Aufschwung wäre damit beendet. Abwenden kann das die Fed eigentlich nur, indem sie die Zinsen wieder senkt. Dazu muss sie die Zinsen nicht effektiv anrühren. Es reicht, wenn sie die Zinswende abbläst.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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