Trading und Investieren, faktenbasiert!
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Viel zu oft interpretieren wir an der Börse irgendwelche Dinge, schaffen uns damit unsere eigene Realität und wundern uns hinterher, dass der tatsächliche Ausgang völlig anders ausfällt.
Ich denke es hat etwas damit zu tun, dass unser Gehirn ständig versucht Ordnung in das vor uns liegende Informationschaos zu bringen.
Die moderne Hirnforschung hat herausgefunden, dass unser gesamtes Denken im Wesentlichen aus der Erkennung und Veränderung von Mustern besteht. So ist das menschliche Gehirn in der Lage bis zu 300 Millionen verschiedene Muster zu unterscheiden. Wie ein Computer-Algorithmus wertet unser Verstand die über unsere Sinne hereinkommenden Informationen aus. Um die Mustererkennung in Sekundenbruchteilen zu vollziehen, arbeiten sich die Informationen durch unsere Erfahrungsdatenbanken. Beim Lesen werden dann aus Kreisen, Quadraten und Linien Buchstaben, die dann zu Wörtern, später ganzen Sätzen werden, bis sich uns am Ende eines Artikels, Kapitels oder Buches der Inhalt erschließt.
Die Herausforderung an der Börse ist jedoch, dass nicht jede Information so eindeutig wie ein Kreis oder ein Buchstabe ist.
In der Charttechnik z.B. kann eine Trendlinie eine Unterstützung sein, auf der die Kurse aufsetzen und sich wieder erholen. Sie muss aber keine Unterstützung sein, denn eine Trendlinie kann auch gebrochen werden. Es gibt keine Garantie dafür, dass Kurse auf Trendlinien aufsetzen und sich wieder erholen.
Das Verwirrende für unser Gehirn ist demnach, dass eine Information, die wir irgendwann mal in der Vergangenheit abgespeichert haben, richtig und falsch zugleich sein kann.
Das wäre so, als könnte der Buchstabe A auch die Bedeutung B haben.
Eine ziemlich anstrengende Übung für unser Gehirn.
Um diesem Stress auszuweichen, investiere und trade ich nach klaren Regeln, die sich in der Vergangenheit als evident erwiesen haben. Das hilft mir dabei, das tägliche Informationschaos der mehrdeutigen und manchmal zugleich richtigen und falschen Informationen der Börse zu bewältigen.
Was sich im ersten Moment mehr als logisch und vernünftig anhört, ist in der Praxis oft gar nicht so einfach. Welches Handelssignal ist denn nun „richtig“ oder welcher Investmentansatz nachweislich erfolgreich?
Die empirische Kapitalmarktforschung und Ökonometrie hat hierzu in den letzten Jahrzehnten einige Erkenntnisse geliefert, obgleich die Ergebnisse bei der vermeintliche Fülle zur Verfügung stehender Informationen und Marktdaten recht bescheiden ausfallen.
Denn nur sehr wenige Strategien, wie z.B. die Faktorenprämien Value und Size beim langfristigen Investieren, haben sich bei der Überprüfung langer Zeitreihen als stabil erwiesen.
Noch dünner werden die Ergebnisse bei kurzfristigen Algorithmen, wie wir sie beim Trading einsetzen. Umso länger die Untersuchungen ausfallen, desto eher nähern sich Trading-Strategien nach Kosten wieder einer durchschnittlichen Marktrendite an. (1)
Oder anders gesagt: Die Qualität der meisten Trading-Signale verpufft im langfristigen Vergleich. (2)
Der Finanzmathematiker und Buchautor Nassim Taleb erklärt warum:
"Wenn rationale Händler ein Muster entdecken, bei dem Aktienkurse am Montag steigen, dann wird ein solches Muster, sobald es erkennbar wird, wohl von Marktteilnehmern ausgeglichen werden, die in Erwartung dieses Ereignisses am Freitag Aktien kaufen. Es hat keinen Zweck, nach Mustern zu suchen, die für alle Marktteilnehmer offensichtlich sind." (3)
Als eine Koryphäe auf dem Gebiet der Börsenmodelle gilt James Simons, der mit seinen Renaissance-Fonds seit 1982 jedes Jahr positive Erträge erwirtschaftet hat.
Simons beschreibt seine Philosophie:
„Efficient market theory is correct in that there are no gross inefficiencies. But we look at anomalies that may be small in size and brief in time. We make our forecast. Then, shortly thereafter, we re-evaluate the situation and revise our forecast and our portfolio. We do this all day long. We're always in and out and out and in. So we're dependent on activity to make money.“ (4)
Unter diesen kurzfristigen Anomalien hat sich der sogenannte Momentum-Effekt als stabil erwiesen. (5) Im Prinzip geht es bei dieser Strategie nur darum, dem aktuellen Kursverlauf zu folgen. Die Kapitalmarktforschung hat nämlich festgestellt, dass Aktien mit den höchsten bzw. niedrigsten Renditen über einen kurzen Zeitraum diesen Renditetrend fortsetzen. Als Trader kann man also einen kleinen Vorteil erzielen, wenn man diese Auffälligkeiten erkennt und auf ihre Fortsetzung wettet.
In einem Wort könnte man sagen, wenn die Kurse steigen, sollte man kaufen und wenn die Kurse fallen, verkaufen.
"The market is going to go where it is going to go.“
- Eli Tullis (Mentor von Hedgefonds-Milliardär Paul Tudor Jones und ehemaliger Rohstoff-Trader an der New Yorker Börse)
Wie so eine Strategie in der Trading-Praxis aussehen kann, das werde ich in meinem 5-Tage-Online-Coaching, das in der kommenden Woche vom 10.07. - 14.07.2017 stattfindet, zeigen und gemeinsam mit den Teilnehmern handeln.
Mein Fazit: Um der täglichen Informationsflut der Märkte in Form von Kursen, Nachrichten und Signalen Herr zu werden, brauche ich klare Regeln, nach denen ich an der Börse kaufe und verkaufe. Dieses faktenbasierte Vorgehen befreit mich von der unbefriedigenden Aufgabe des „Orakeln und Interpretierens“ und gibt mir die Sicherheit, mein Kapital in vorteilhafte Strategien zu investieren.
Der nur geringe und kurz anhaltende Vorteil von Tradingtaktiken zeigt aber auch, dass der eigene Erfolg nur zu geringem Maße im technischen Bereich entschieden wird und andere Faktoren, wie z.B. Fokus oder Disziplin, einen größeren Einfluss auf Sieg oder Niederlage an der Börse haben, als allgemein wahrgenommen wird.
Viele Grüße
Jakob Penndorf
Mein 5-Tage-Online-Coaching nach Feierabend im Juli.
(1) Studie: Was Daytrader wissen sollten. Handelsblatt Online vom 08.05.2012.
(2) Dr. Christian Hornbach und André Hellenkamp. Fortgeschrittene technische Indikatoren am Aktienmarkt - eine empirische Analyse. Kaiserslautern 2011.
(3) Narren des Zufalls. Die unterschätzte Rolle des Zufalls in unserem Leben von Nassim Nicholas Taleb. Kapitel 6: Schiefe und Asymmetrie, S. 166f.
(4) Jim Simons Quotes. Zitatesammlung auf Quotewise.com, abgerufen am 18.02.2017.
(5) (6) Grafik: Marko Gränitz. Der Momentum-Effekt und Momentum-Handelsstrategien. Eine quantitative Analyse. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Dr. rer. pol.). Vorgelegt im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel. Kassel, Oktober 2014, S. 3.
zitat: Jakob Penndorf
Ich ertappe mich auch heute noch regelmäßig, dass ich irgendwelche Annahmen über den weiteren Kursverlauf der Märkte mache, die sich jeglicher rationaler Grundlage entziehen.
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dann würde ich vorschlagen mit dem Trading aufzuhören. denn das weîtermachen führt irgendwann zum totalschaden. selbsterkenntnis umsetzen, wenn nicht, selber schuld.