Kommentar
14:08 Uhr, 26.08.2016

Zinsschritt in den USA: Für die Banken schon Realität

Während der Markt noch darüber rätselt, ob es noch in diesem oder doch erst im nächsten Jahr den nächsten Zinsschritt geben wird und sich die US-Notenbanker wieder vermehrt für eine Anhebung aussprechen, hat er für Banken bereits stattgefunden.

In den vergangenen Wochen und Monaten machte die US-Notenbank immer wieder eine 180°-Wende. Im Januar und Februar ruderte sie mit ihrem Zinsanhebungsplan zurück. Im Mai hieß es dann, der Markt würde die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts unterschätzen. Kurz vor und nach dem Brexit war von einer Zinsanhebung keine Rede mehr. Jetzt ist plötzlich sogar der September wieder im Spiel.

Während die Fed keine klare Linie findet, viel redet, aber nie handelt, hat sich auf dem Interbankenmarkt bereits der nächste Zinsschritt durchgesetzt. Die Grafik zeigt dies anhand des raschen Anstiegs des 3-Monats LIBORs. Dieser Zinssatz gibt an, zu welcher Rate sich Banken untereinander Dollar für drei Monate leihen.

Innerhalb von nur 6 Wochen stieg der Satz von 0,61 % auf 0,82 %. Das ist deutlich höher als das obere Zielband der Fed Funds Rate. Diese wurde im vergangenen Dezember von einer Range von 0-0,25 % auf 0,25-0,5 % angehoben. Bis es soweit war pendelte der LIBOR um das obere Ende dieser Range. Die Differenz lag in diesem Jahr lange Zeit konstant bei gut 0,1 Prozentpunkten.

Inzwischen ist der LIBOR 0,3 Prozentpunkte über dem oberen Ende des Zielbandes der Fed und sogar 0,4 Prozentpunkte oberhalb der tatsächlichen Fed Funds Rate. Mit einer Anhebung der Zinsen in die Range von 0,5-0,75 % würde der LIBOR schon jetzt das adäquate Niveau anzeigen.

Jetzt wird darüber gerätselt, woher dieser Anstieg kommt. Einige Beobachter führen dies auf eine Änderung der US-Regeln für Geldmarktfonds zurück. US Geldmarktfonds notierten bisher immer zu einem Dollar. In der Finanzkrise stellte sich heraus, dass dies die Realität nicht widerspiegelt. Der eigentliche Wert mancher Fondsanteile sackte unter den Nominalwert von einem Dollar. Das führte zu einer großen Panik, denn eigentlich sind Geldmarktfonds dazu da, den Nominalwert zu erhalten und einen kleinen Zins zu zahlen.
In der Finanzkrise stellte sich heraus, dass Geldmarktfonds doch nicht zu 100 % sicher sind. Das führte zu einer Flucht aus Geldmarktfonds. Normalerweise sind diese in Krisenzeiten sehr beliebt, weil keiner mehr Risiko auf sich nehmen will.
Weil der Nominalwert nicht in jedem Fall gehalten werden kann sind Geldmarktfonds ab Mitte Oktober dazu verpflichtet den wahren Wert der Fondsanteile auszuweisen. Bisher waren sie einfach pauschal auf einen Dollar festgeschrieben, egal, was mit den zugrundeliegenden Assets wirklich geschah.

Aufgrund dieser neuen Regeln haben sich viele Geldmarktfonds dazu entschlossen ihre Anlagestrategie zu ändern. Bisher gab es eine breite Diversifizierung zwischen kurzlaufenden Anleihen und Commercial Paper (kurzlaufende Unternehmensdarlehen). Commercial Paper sind risikoreicher als Staatsanleihen. Aus diesem Grund stellten viele Fonds ihr Modell auf Staatsanleihen um.

Die Nachfrage nach Anleihen stieg, während die Nachfrage nach Commercial Paper sank. Das galt insbesondere für Commercial Paper von Finanzinstituten, sodass die Zinsen in diesem Bereich rasch anstiegen. Das wiederum übte einen entsprechenden Aufwärtsdruck auf den LIBOR aus.

Letztlich ist der LIBOR ein Maßstab für Angebot und Nachfrage. Die Nachfrage nach Commercial Paper ist gerade klein, sodass die Zinsen steigen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Dollarliquidität groß. Investoren außerhalb des Dollarraums kaufen US-Assets, weil sie höhere Renditen bringen, sichern sich allerdings gegen die Währungsschwankungen ab. Das führt zu einer hohen Nachfrage nach Währungsswaps. Die hohe Nachfrage erhöht den Preis (den Zinssatz).

Für viele Banken und Investoren hat der nächste Zinsschritt bereits stattgefunden, noch bevor die Fed überhaupt etwas getan hat. Das kann mittelfristig zum Problem werden. Steigt der LIBOR weiter kräftig an, dann zeigt das fehlende Dollarliquidität an. Wenn Banken auf einmal die Dollar ausgehen, kann das schnell problematisch werden.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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