Kommentar
13:15 Uhr, 27.06.2022

Zinsen und Aktienmarkt: Erwartungen beginnen zu drehen

Für die Kurse ist nichts so wichtig wie Erwartungen. Bisher trübten sie sich immer mehr ein. Nun gibt es Anzeichen einer Trendwende.

Wie wichtig Erwartungen sind, darüber hatte ich vergangene Woche hier berichtet. Kurz zusammengefasst ist für die Aktienkurse nicht wichtig, was mit der Wirtschaft jetzt gerade geschieht, sondern ob zukünftig eine Verbesserung oder Verschlechterung der Lage erwartet wird. Bisher schraubten Anleger ihre Erwartungen immer weiter nach oben, ob bei der Inflation oder den Zinsen. Das Wirtschaftswachstum wirkte robust. Entsprechend gab es keinen Grund, von einem Rückgang der Inflation auszugehen oder einen weniger aggressiven Zinspfad zu erwarten. Nun trüben sich die Wirtschaftsdaten im Eiltempo ein. Intuitiv möchte man meinen, dass dies schlecht für Aktien ist. In diesem Fall sind „Bad news good news.“ Weniger Wachstum oder gar Rezession bedeutet weniger Preisdruck und weniger aggressive Zinsschritte. Die Lage wird gerade schlechter, dafür hellt sich dadurch der Ausblick auf. Das lässt sich aktuell sehr gut anhand der Zinserwartungen feststellen. Für Juli erwarten Anleger in den USA einen Leitzins von 2,33 %. Der Leitzins liegt derzeit in der Bandbreite von 1,5-1,75 % und effektiv stand er in den vergangenen Tagen bei 1,58 %. Damit erwarten Anleger mit sehr hoher Sicherheit im Juli einen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten. Für September wird ein Leitzins von 2,9 % erwartet. Dies entspricht einem Zinsschritt von 50 Basispunkten. Die Erwartungen bis September sind relativ stabil. Der erwartete Leitzins im November und Dezember hingegen ist rückläufig (Grafik 1). Noch vor kurzem wurden 3,77 % per Jahresende erwartet, nun sind es nur noch 3,47 %, ein ganzer Zinsschritt von 25 Basispunkten weniger.


Noch deutlicher wird der Trendwechsel, wenn man in das Jahr 2023 blickt. Mitte Juni wurde ein Erwartungshoch bei 4,14 % erreicht. Inzwischen liegt es bei 3,5 % (Grafik 2). Bereits Ende 2022 soll ein Leitzins von 3,5 % erreicht werden. Mit anderen Worten: Für 2023 wird gar keine Straffung mehr prognostiziert.

Drückt man die Leitzinserwartung in den jeweils erwarteten Zinsschritten aus, zeigt sich hier ein klarer Abwärtstrend. Für Mai 2023 wird inzwischen ein negativer Wert angezeigt. Das gilt auch für Juni und Juli 2023. Anleger können sich die ersten Zinssenkungen im Frühjahr 2023 vorstellen (Grafik 3).

Anstatt immer höhere Zinsen zu erwarten, werden nun niedrigere erwartet. Das liegt an der wirtschaftlichen Entwicklung. Das Wachstum kühlt sich derzeit in den USA und Europa rasant ab. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die USA bereits in einer Rezession befinden. Das bringt die Inflation zwangsläufig wieder in geordnetere Bahnen und die Geldpolitik kann für den Finanzmarkt freundlicher werden.

Anleger haben die Eintrübung bereits eingepreist und beginnen nun schon damit, den möglichen nächsten Aufschwung zu wittern. Der Markt blickt ungefähr sechs Monate in die Zukunft und in sechs Monaten werden bereits keine Zinserhöhungen mehr gesehen. Auch am Aktienmarkt zeigt sich ein erstes Indiz für einen Stimmungsumschwung.

Gegenüber dem S&P 500 kommt es bei konjunktursensiblen Aktien zu einer Outperformance. Ob Small Caps, Wachstums- oder Technologieaktien, sie alle liefen in den vergangenen Wochen etwas besser als der breite Markt (Grafik 4). Das macht nur Sinn, wenn sich der Ausblick aufgehellt hat.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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