Kommentar
07:02 Uhr, 07.07.2018

Zinswende: Ist es dafür in Europa schon zu spät?

Nach der Federal Reserve in den USA und der Bank of England beginnt nun auch die EZB mit einer geldpolitischen Zeitwende. Doch wie viel bleibt davon am Ende übrig?

Früher reichte es, wenn in einem Abschwung die Zinsen auf 2-3 % gesenkt wurden. Das ist mehr, als wir im vergangenen Jahrzehnt in irgendeinem Land gesehen haben, welches sich zu Europa oder Nordamerika zählt. Die USA kommen an die untere Grenze wieder heran. In Europa und Japan sind wie davon noch sehr weit entfernt.

Die Leitzinsen bewegen sich vor allem in der Eurozone und Großbritannien nicht vom Fleck (Grafik 1). Großbritanniens großes QE-Programm, welches im Zuge der Finanzkrise aufgelegt und bis 2012 immer wieder ausgeweitet wurde, war das erste, welches auch wieder beendet wurde. Trotz des frühen Endes kam es nie zu einer Zinswende.

Nach dem Brexit-Referendum wurden die Zinsen noch einmal gesenkt und das QE-Programm wieder aufgenommen. So gesehen hatten wir schon den ersten Fall, in dem es vor der nächsten Zinserhöhung ein neues QE-Programm gab.

In den USA ist das mittlerweile ausgeschlossen. In der Eurozone könnte es noch soweit kommen. Erst werden die Anleihekäufe beendet. Danach wird über einen Zinsschritt nachgedacht. In Großbritannien dauerte das Nachdenken so lange, dass ein neues QE-Programm vor dem ersten Zinsschritt notwendig wurde.

Entsprechen tief sind die Zinsen noch immer. Unter Berücksichtigung von QE sind die Zinsen auch heute noch negativ. Die sogenannten Shadow Rates versuchen den QE-Effekt zu quantifizieren (Grafik 2). In Großbritannien liegen die Zinsen demnach immer noch im negativen Bereich. In der Eurozone sinken sie sogar weiter.

Diese Zinsen lassen sich freilich nicht beobachten und sind daher mehr als Annäherung des QE-Effekts zu verstehen als ein tatsächlicher Zinssatz. Wie dem auch sei, selbst nach QE Ende braucht es Jahre, bis der Zins wieder positiv wird. Bisher hat die einzige Zentralbank, die die Wende gewagt hat, erst danach den Leitzins wieder angehoben.

So ähnlich wird es auch bei uns sein. Ob die Zeit vor dem nächsten Abschwung noch reicht, um für ein paar Zinsschritte zu sorgen, steht in den Sternen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass zumindest die Ära von QE vorerst vorbei ist. Der Leitzins wird dann vielleicht nicht angehoben werden und bleibt wegen eines möglichen Abschwungs einfach bei 0 %, doch QE wird so schnell nicht wieder aufgenommen werden. Dazu muss es schon richtig donnern.

So werden zumindest die Shadow Rates steigen. Auch das ist schon viel wert. Die extreme Geldschwemme hat für viel Leichtsinn gesorgt und bestimmte Vermögenswerte aufgebläht (z.B. Immobilienpreise). Das kann sich nun ganz langsam wieder normalisieren. Eine große Zinswende erwarte ich in der Eurozone nicht. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass sich die Nullzinsphase mit Zinsen von weniger als 1 % über den nächsten Abschwung hinaus ziehen werden.

Aus dem Zinstief kommen wir sicherlich irgendwann wieder heraus. Die Luft anhalten würde ich allerdings nicht. Nach einem Jahrzehnt könnten je nach konjunkturellem Verlauf noch einmal 5-10 Jahre folgen.

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2 Kommentare

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  • CharlieMunger
    CharlieMunger

    warum ist es überhaupt notwendig, die zinsen wieder abzuheben?

    Warum fahren wir nicht dauerhaft mit niedrigen zinsen?

    14:47 Uhr, 08.07. 2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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