Kommentar
09:24 Uhr, 08.08.2017

Zins-Mysterium: Der Markt muss eine Entscheidung treffen!

Das Verhältnis zwischen Notenbanken und Anlegern wird immer bizarrer. Den bisherigen Gipfel sehen wir gerade jetzt.

In den letzten Wochen ist ein neuer Trend entstanden, der bisher noch recht unbemerkt bleibt. Kurzfristig ist das kein Problem. Langfristig dürfte es für Notenbanken aber Schwierigkeiten bedeuten.

Am deutlichsten zeigt sich der Trend in Japan. Dort hat die Notenbank eine Zinskontrolle eingeführt. Die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen wurde auf 0-0,1 % eingefroren. Das funktioniert überraschend gut. Die Notenbank muss auch immer weniger dafür tun, um diesen Zinssatz zu halten.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Bilanzsumme der Bank of Japan sowie das Wachstum der Bilanz auf Jahressicht. Es gab Zeiten (2014 bis 2016), in denen die Bilanz um 800 Mrd. auf Jahressicht wuchs. Aktuell sind es weniger als 600 Mrd. Dollar. Die Notenbank muss immer weniger intervenieren, um ihre Ziele zu erreichen.

Die Notenbank will bis zu 70 Mrd. pro Monat in den Markt pumpen, wenn es notwendig sein sollte. Das ist es nicht. In den letzten drei Monaten waren durchschnittlich nur noch 23 Mrd. notwendig. Das ist schon etwas bizarr. Noch vor einem Jahr konnte der Markt gar nicht genug frisches Geld bekommen, jetzt verzichtet er freiwillig darauf.

Notenbanken hatten lange Zeit Schwierigkeiten, die Zinsen so weit nach unten zu knüppeln wie sie wollten. Zinsen wurden ins Negative gesenkt und QE immer größer. Jetzt interessiert das plötzlich niemanden mehr. Die Zinsen bleiben von ganz alleine historisch tief.

Das ist absolut bemerkenswert, um nicht zu sagen schizophren. Rund um den Globus geben Notenbanken bekannt, dass sich die wirtschaftliche Lage aufhellt und mittelfristig weniger aggressive Politik notwendig sein wird. Der Markt glaubt das einerseits und reagiert darauf (z.B. steigender Euro). Andererseits tut sich an der Zinsfront nichts. Ohne höhere Zinsen machen Neubewertungen wie ein stärkerer Euro aber überhaupt keinen Sinn.

Wie unsinnig die Situation ist, zeigt sich auch in der Eurozone anhand der Renditen kurzfristiger Anleihen (Grafik 2). Deutsche Anleihen mit einer Laufzeit von 2 Jahren rentieren nahe ihrer Allzeittiefs, dabei boomt die Eurozone beim Konsum wie lange nicht. Der Aufschwung ist sichtbar, die Notenbank wird darauf reagieren, Anleger glauben das und preisen Assets wie den Euro neu, doch die Zinsen bewegen sich nicht.

Das ist ein breites Phänomen. Bei zweijährigen Anleihen kann man noch sagen, dass die Notenbank die Zinsen so schnell nicht anheben wird. Die Zinskurve ist in Deutschland bis 6 Jahre allerdings negativ. Der Markt glaubt derzeit nicht daran, dass die Zinsen in 6 Jahren über 0 % stehen werden. Das widerspricht der Lage, den Aussichten und den Notenbanken auf ganzer Linie.

Selbst die mittel- und langfristigen Inflationserwartungen sind für Deutschland und die Eurozone wieder auf 1,5 % angestiegen. Diese Rendite ist selbst bei 30-jährigen Anleihen (1,2 % Rendite) nicht zu holen. Das macht vorne und hinten keinen Sinn.

Früher oder später muss der Markt eine Entscheidung treffen. Glaubt er an die Zinswende (so wie es einige Marktbewegungen suggerieren), dann müssen auch die Zinsen folgen. Glaubt er es nicht, dann können die Zinsen bleiben, wo sie sind, doch Inflationserwartungen und Währungen müssten sich wieder deutlich verschieben.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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    einfach

    selbst wenn die zentralbanken 100% der ausstehenden staatsanleihen besitzen, ist das kein problem, da die vorherigen inhaber ihre sicherheiten wieder in geld umtauschen.

    selbst die käufe von negativ verzinsten staatsanleihen ist im ersten moment für die käufer (die meistens institutionelle händler sind) kein problem, da der erwerb von staasanleihen für sie ohne hinterlegung von sicherheiten abwickelbar ist.

    ab dem moment des besitzes sind sie aber beleihbar und für kapitalgeschäfte mit sicherheitshinterlegung nutzbar.

    diese art des handelns, belastet das eigenkapital so lange nicht, als erträge daraus höher sind als die gezahlten zinsen.

    13:14 Uhr, 08.08.2017
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Was macht da keinen Sinn?? - es wird keine wie auch immer geartete Zinswende mehr geben. Weder jetzt noch in 5 Jahren, der Laden fliegt allen um die Ohren und das wars dann.

    11:11 Uhr, 08.08.2017
  • Elchness
    Elchness

    Setzt diese Betrachtung nicht voraus, dass die Zins- bzw. Anleihenmärkte noch korrekt und vor allem frei funktionieren?

    Bei den Summen, die mittlerweile bei den Notenbanken liegen und auch immer noch jeden Monat gekauft werden, stellt sich mir die Frage, in welchem Ausmaß die "normalen" Marktteilnehmer überhaupt noch die Kurse beeinflussen können.

    10:28 Uhr, 08.08.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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