Kommentar
11:05 Uhr, 24.11.2010

Zertifikatemarkt – Keine Spur von Herbst-Tristesse

Wer in diesem Jahr damit rechnete, der September würde seinem Ruf als „Crash-Monat" gerecht werden, sah sich getäuscht, starteten die Märkte doch gerade ab da ihre bis zuletzt andauernde fulminante Herbst-Rally. Auch der Zertifikatemarkt wurde von dieser Entwicklung mit einem Plus von einem Prozent weiter getrieben, wie die von der European Derivatives Group (EDG) im Auftrag des Deutschen Derivate Verbands (DDV) monatlich bei 16 Banken erhobenen Zahlen zum Marktvolumen ergaben. Hochgerechnet auf den Gesamtmarkt waren damit erstmals seit langer Zeit wieder 108 Mrd. Euro in derivativen Wertpapieren investiert.

Anleger entdecken Partizipations-Produkte und Outperformer wieder

Auf Produktkategorie-Ebene konnten die Garantie-Papiere ihre Vormachtstellung mit 62,8 Prozent weiter eindrücklich behaupten, bei denen die strukturierten Anleihen mit fast 42 Prozent Marktanteil am Gesamtkuchen nochmals leicht zulegen konnten. Nicht mehr ganz so stark wie im Vormonat fiel der Zugewinn bei den Aktienanleihen mit 3,5 Prozent aus. Allerdings konnte deren Anteil inzwischen schon auf vier Prozent anwachsen. Bezeichnend der gleichzeitige Einbruch bei den wirtschaftlich gleichgestellten Discountern um 5,2 Prozent auf ein Gesamtgewicht von 7,9 Prozent, denen die mit einer festen Kuponzahlung ausgestatteten Aktienanleihen immer mehr den Rang abzulaufen scheinen. Allerdings muss zur Ehrenrettung der Rabatt-Papiere auf die hohe Zahl an ausgelaufenen Produkten hingewiesen werden, die laut DDV noch nicht entsprechend kompensiert wurde. Dagegen konnten Bonus-Zertifikate mit einem stabilen Plus von 2,8 Prozent auf insgesamt 5,5 Prozent weiter auf eine treue Anlegerschaft vertrauen, die diese attraktive Produktstruktur pflegt. Zu den Lieblingen am Anlagemarkt entwickelt sich aber immer mehr das Heer an unterschiedlichsten Express-Papieren, die schon wieder ein Plus von 5,7 Prozent verzeichnen konnten und mit einem Marktanteil von nunmehr neun Prozent ihren zweiten Rang hinter den kapitalgeschützten Produkten weiter zementieren konnten, nachdem ihre bislang stärksten Widersacher, die Discounter so stark einbrachen. Ein deutliches Indiz für den Wunsch der Investoren nach mehr Flexibilität im Anlagebereich in Verbindung mit einer erfolgreichen Vermarktungsmaschinerie. Ein gutes Gespür bewiesen Anleger auch bei den zuvor noch mit negativen Vorzeichen belasteten Partizipations-Produkten, sowie Outperformern und Sprintern, bei denen zugunsten einer möglichst attraktiven Beteiligungsrate gewöhnlich auf einen Teilschutz verzichtet wird. Pünktlich zum Beginn der Herbst-Rally konnten diese Produkt-Kategorien auf Monatssicht um 5,4 bzw. 6,3 Prozent zulegen und gehörten damit neben den Express-Papieren zu den eindeutigen Gewinnern im September. Im „Zocker"-Bereich, der volumenmäßig auch weiterhin nur ein Prozent des Gesamtmarktes umfasst, konnten Knock-Out-Produkte mit einem Zugewinn von fünf Prozent wie schon im Vormonat deutlich gegenüber Optionsscheinen aufholen. Das Verhältnis beträgt damit nur noch 52,2 zu 47,8 Prozent.

Spekulanten verlieren Interesse an Rohstoffen, Währungen und Renten

Bei den Basiswerten gab es im Anlagebereich mit jeweils einem kleinen Plus nahezu ein „totes" Rennen zwischen Aktien (51,4 Prozent Marktanteil) und Renten (44,8 Prozent). Dagegen konnten sich Währungen und Rohstoffe als Basiswert mit einem Plus von 5,5 Prozent signifikant nach vorne arbeiten. Ihr Anteil ist mit jetzt 2,5 Prozent aber noch immer unwesentlich, was man bezogen auf den Hebel-Bereich nicht sagen kann. So betrug die Gewichtung dort immer noch stolze 21,4 Prozent, obwohl es im September bei Rohstoffen und Währungen zu einem herben Einbruch um 18,7 Prozent kam. Dies war wohl ebenso ein Zugeständnis zu den deutlichen Gewinnen noch im Monat zuvor wie auch bei den Renten, die mit einem Minus von fast 31 Prozent der Verdopplung im August Tribut zollen mussten, nachdem die Luft aus der Spekulation mit dem Euro-Bund-Future entwichen war.

Börsenumsätze laufen heiß

Neben der Marktvolumens-Statistik fiel auch die monatliche Feststellung der Börsenumsätze in Stuttgart und Frankfurt mit einer Zunahme beim Handelsvolumen im Oktober um 6,3 Prozent auf 4,79 Mrd. Euro sehr positiv aus, wobei sich Anlage- und Hebel-Papiere diesmal das Plus mit 5,7 bzw. 7,0 Prozent aufteilten, nachdem im Vormonat noch Zertifikate fast die ganze Bürde allein zu tragen hatten. Bei den Produktklassen stießen Strukturierte Anleihen mit einem Umsatzsprung um knapp 192 Prozent, sowie Bonus- und Index- bzw. Partizipations-Zertifikate mit Zugewinnen von 16 und 18,8 Prozent auf reges Anlegerinteresse, aber auch Optionsscheine wurden zu 22,7 Prozent stärker gegenüber dem Vormonat gehandelt. Wenig Neues gab es in Sachen Beliebtheit der Basiswerte, bei denen auch im Oktober die Indizes insgesamt klar dominierten. Dabei waren zumindest im Anlage-Sektor Aktien ähnlich gefragt, während sich Rohstoffe als Spekulationsobjekte besonders im „Zocker"-Bereich relativ gesehen besser entwickelten.

500.000-Produkte-Schallmauer pulverisiert

Wie ein heißes Messer durch die Butter ging es im Oktober bei der Anzahl der gelisteten Produkte durch die Marke von 500.000. Dabei blieb der Gesamtwert am Monatsende erst bei irrwitzigen 511.994 Papieren stehen, nachdem nur ein Monat zuvor mit gut 473.000 auch schon eine Zahl in der Nähe des bisherigen Rekordstandes aus dem vorangegangenen August erreicht worden war. Die Emittenten trugen mit 79.045 Neuemissionen ihren Teil dazu bei. Fragt sich nur, ob der Anleger eine solch gigantische Menge an handelbaren Produkten wirklich braucht? Aber dem besonders lukrativen Kurzfristhandel von Derivaten wird wohl mittlerweile jede nur erdenkliche Entfaltungsmöglichkeit eingeräumt.

Deutsche Bank zieht davon

In der Emittentenrangliste hängte der Klassenprimus die Deutsche Bank mit einem Marktanteil von 29,33 Prozent ihren schärfsten Verfolger die Commerzbank (18,66 Prozent) diesmal auf Monatssicht deutlich ab. Auf den weiteren Plätzen blieb mit der BNP Paribas (8,79 Prozent), der Royal Bank of Scotland (7,87 Prozent) und der DZ-Bank (5,89 Prozent) alles beim Alten.

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/Zertifikate

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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