Kommentar
16:52 Uhr, 30.11.2012

Zentralbankgold gehört dem Geldhalter

Die Forderung des Bundesrechnungshofes, angesichts des beträchtlichen Wertes der bei ausländischen Notenbanken gelagerten deutschen Goldbestände eine Inventur vorzunehmen, hat Wirkung gezeigt. Die Bundesbank hat nun Auskunft gegeben über die Lagerstätten: Von den 3.396 Tonnen Gold, über die die Bundesbank offiziell verfügt, lagern 45 Prozent bei der Federal Reserve Bank of New York, 13 Prozent bei der Bank of England in London, 11 bei der Banque de France in Paris, und 31 Prozent werden in eigenen Tresoren im Inland verwahrt. Um künftig für eine „ausgewogenere“ Lagerung des Goldes zu sorgen, will die Bundesbank zudem in den kommenden drei Jahren jährlich jeweils 50 Tonnen des Goldes von New York nach Deutschland holen.

Quelle: Deutsche Bundesbank. Auf einer Sitzung im Mai 1997 beschloss der Zentralbankrat der Bundesbank, die Gold- und Devisenreserven deutlich höher zu bewerten (und den Bewertungsgewinn teilweise an den Bund zur Tilgung von Staatsschulden (Erblastentilgungsfonds) auszuschütten). Anfang 1999 wurden 7 Millionen Feinunzen Gold an die EZB über-tragen. Der Bewertungsgewinn, der mit dem Übergang zur Bilanzierung zu Marktpreisen des Goldes ab 1. Januar 1999 erfolgte, wurde nicht ausgeschüttet, sondern in einen Neubewertungsposten eingebracht.

Es sind vor allem zwei drängende Fragen, die es zu klären gilt. Die erste Frage lautet: Ist das gesamte Gold noch da? Diese Frage lässt sich – wenngleich mit Aufwand verbunden – vermutlich unzweifelhaft beantworten, soweit unabhängige Prüfer eingebunden werden: Da die Bundesbank über nummerierte Goldbarren verfügt, sollte es möglich sein, die Existenz der Goldbarren festzustellen. Die zweite Frage ist schon schwieriger zu beantworten: Wenn das Gold noch da ist, wem gehört es? Es kann ja durchaus sein, dass die ausländischen Zentralbanken, bei denen das deutsche Gold lagert, es (1) verkauft haben, es aber weiterhin bei sich lagern und/oder (2) das deutsche Gold im Zuge von Markttransaktionen verliehen haben (wie zum Beispiel im Zuge von Goldleihgeschäften), es möglicherweise aber nicht mehr zurückerhalten werden, weil zum Beispiel Goldleiher nicht in der Lage oder willens sind, die Transaktionen rückabzuwickeln.

Der Blick auf die Bilanzzahlen der Zentralbanken (die übrigens von namhaften Wirtschaftsprüfungsgesellschaften testiert werden) ist zur Beantwortung der zweiten Frage wenig hilfreich. Zentralbanken weisen ihr physisches Gold in einer Sammelposition aus, die „Gold und Goldzertifikate“ heißt. Außenstehende können folglich nicht erkennen, ob Zentralbanken physisches Gold oder lediglich „Papiergold-Forderungen“ haben.

Solange also eine physische Herausgabe beziehungsweise eine Verlagerung in eine neutrale Depotstelle unterbleibt, lässt sich über die Eigentums- beziehungsweise Besitzverhältnisse des Goldes kein zweifelhafter Aufschluss gewinnen; vor allem eine mögliche Veruntreuung durch die jetzigen Lagerstätten – unautorisierte Ausleihungen des zu verwahrenden Goldes – wäre nicht ohne weiteres nachzuweisen.

Die Klärung der Frage, ob und wie viel Gold sich noch in den Händen der Zentralbanken befindet, ist keinesfalls eine „Phantom-Debatte“ und von „irrationaler Furcht“ getrieben, wie es jüngst ein Bundesbank-Vorstandsmitglied bezeichnete. Vielmehr ist sie von allergrößter Bedeutung für die Geldhalter.

Denn ökonomisch gesehen ist das Gold der Zentralbanken die „Deckung“ ihrer Banknoten und Giroguthaben. Gerade mit Blick auf den Niedergang des Papier-Euros ist das bedeutsam: Je weniger Zentralbankgold im Verhältnis zu ausstehenden Geldmenge vorhanden ist, desto drastischer wird der künftige Wertverfall der ausstehenden Zahlungsmittel ausfallen; im Extremfall könnte es sogar einen Totalverlust des Geldes geben, und zwar dann, wenn die Zentralbank keinerlei Gold mehr vorhält.

Die „Transparenzmaßnahmen“, die die Bundesbank nun ergreifen will, werden also wohl nicht ausreichen, um die drängenden Fragen über das Schicksal großer Teile der deutschen Goldreserven zufriedenstellend zu klären.

Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH

Degussa Goldhandel GmbH, Kettenhofweg 29, 60325 Frankfurt am Main, Tel: 069/860068-0, Fax: 069/860068-222, Mail: info@degussa-goldhandel.de

http://www.degussa-goldhandel.de

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