Fundamentale Nachricht
17:40 Uhr, 21.04.2015

Zentralbanken befinden sich in einer Zwickmühle

Nach Einschätzung von Didier Saint-Georges von Carmignac Gestion ist es in einer instabilen Welt von Bedeutung, das Exposure in Aktien zügig anpassen zu können sowie Investitionen in Unternehmen den Vorzug zu geben, die selbst flexibel sind, kaum Schulden haben und Cashflow generieren.

Paris (Godmode-Trader.de) – Nach Einschätzung von Didier Saint-Georges, Mitglied des Investmentkomitees bei Carmignac Gestion, befinden sich die Zentralbanken in einer Zwickmühle. Sie unterstützen die Märkte und benutzen gleichzeitig das Ausbleiben von Resultaten als Rechtfertigung dafür, an ihrer Unterstützung festzuhalten. Dieser Widerspruch sei sowohl die Ursache für den jüngsten Marktaufschwung als auch für die wachsende Anfälligkeit des Finanzsystems, meint der Experte. „Wenn Anleihen im Wert von mehr als 2.000 Milliarden Dollar weltweit heute eine negative Rendite erzielen, dann verwandeln die zusätzlichen massiven Liquiditätsspritzen die Märkte in Fässer, die kurz vor dem Überlaufen sind“, sagt Saint-Georges. „Dadurch, dass die Anleger diese nun meiden, übertragen sich die sehr hohen Preise für risikofreie Anleihen auf alle Anlageklassen.“ Der durch das Schrumpfen der Anleiherenditen bedingte Anstieg der Risikoprämie, also Renditeaufschlag für Aktien im Vergleich zu Staatsanleihen, biete so eine Rechtfertigung für die hohen Bewertungen an den Aktienmärkten.

In den USA werde noch immer über die Wirksamkeit des Quantitative Easings diskutiert. Zwar habe der Aktienindex S&P500 circa 170 Prozent zugelegt, das Wirtschaftswachstum betrage aber nach wie vor nicht mehr als 2,5 Prozent. Das durchschnittliche jährliche Haushaltseinkommen in den USA sei zudem noch immer neun Prozent niedriger als im Jahr 1999. „Der wirtschaftliche Ertrag des Quantitative Easings ist gering, da der positive Effekt für das Vermögen der Banken und wohlhabendsten Sparer nicht ausreicht, um die Beeinträchtigung des Konsums und der Investitionen durch den Schuldenabbau auszugleichen“, so Saint-Georges.

In der Eurozone könne man sich schlecht vorstellen, welche verheerenden Auswirkungen die geldpolitische Lockerung auf die Wirtschaft haben könnte. So erreiche das Wachstum in der Eurozone angesichts des unverhofften Zusammenspiels eines seit Juni 2014 um 25 Prozent gefallenen Euros, historisch niedriger Zinsen, rekapitalisierter Banken und des Sicherheitsnetzes der Europäischen Zentralbank im laufenden Jahr mit viel Mühe 1,5 Prozent.

Der Widerspruch, der sowohl die Ursache des Marktaufschwungs als auch der wachsenden Anfälligkeit des Finanzsystems sei, bestehe darin, dass das fehlende Resultat für die Zentralbanken die Rechtfertigung für das Festhalten an der finanziellen Unterstützung je nach Bedarf und in all ihren Formen darstelle, analysiert der Experte. Mario Draghi habe sich für den Kauf von Anleihen im Wert von 60 Milliarden Euro pro Monat bis September 2016 verpflichtet, und Janet Yellen gab an, dass die Bedrohung durch die Deflation sowie die Instabilität der US-Wirtschaft keine schnelle Normalisierung der Geldpolitik der Fed zulasse. Die Bank of Japan werde innerhalb des Archipels weiter gegen eine Inflationsrate kämpfen, die im Februar wieder auf minus 0,2 Prozent gesunken sei, während die chinesische Volksbank ihre geldpolitische Lockerung beschleunigen müsse, um den Wachstumsrhythmus der chinesischen Wirtschaft zu stabilisieren. „Die mit Liquidität überschwemmten Märkte werden also weiter von diesem Glücksfall profitieren.“

Der weltweite Wirtschaftsaufschwung, der sich seit einigen Monaten erahnen lasse, verleihe dem Optimismus der Anleger bezüglich Aktien Auftrieb. Und die Einstellung der Zentralbanker, allen voran Mario Draghi, bestärke sie in dem Glauben, dass die Zinsen vor diesem Hintergrund trotzdem weiterhin äußerst niedrig bleiben. „Der Wunsch, von dieser heilen Welt zu profitieren, ist durchaus legitim, und auch wir möchten nicht darauf verzichten. Das geht jedoch nur unter der Bedingung, bei der Verwaltung umso mehr Flexibilität aufzubieten, als das Finanzsystem schon so viel davon verloren hat“, so Saint-Georges. In einer instabilen Welt ist es dem Experten zufolge von entscheidender Bedeutung, das Exposure in Aktien, Zinssätzen und Devisen zügig anpassen zu können sowie Investitionen in Unternehmen den Vorzug zu geben, die selbst flexibel sind, d. h. kaum Schulden haben und Cashflow generieren.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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