Zentralbanken am Scheideweg
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Die Experten von J.P. Morgan Asset Management gehen davon aus, dass „Divergenz“ auch im nächsten Jahr das bestimmende Thema an den Kapitalmärkten sein wird. Das gelte sowohl für die Wirtschaftsleistung als auch für die Geldpolitik: „Die Maßnahmen von Zentralbanken weltweit werden auch 2015 signifikante Treiber von Kursgewinnen sein“, betont Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. „Investoren müssen zwar mit erhöhter Volatilität rechnen, dennoch ist eine Übergewichtung von Risikoaktiva gegenüber risikoarmen Anlagen sinnvoll – zumindest so lange wie die geldpolitischen Entscheidungsträger ein stärkeres Wirtschaftswachstum und eine höhere Inflation anstreben“, so der Experte.
Voraussichtlich werden sowohl die US-Notenbank als auch die Bank of England 2015 die Zinsen anheben, da sich dort die konjunkturelle Belebung festigt. Das schwache Wirtschaftswachstum und die Sorgen vor Deflation in der Eurozone und Japan bleiben hingegen weiterhin problematisch. Für die Leitzinsen gibt es aus diesem Grund unterschiedliche Markterwartungen, was sowohl Risiken als auch Chancen bietet. Die beiden letztgenannten Notenbanken werden im kommenden Jahr ihre expansiven geldpolitischen Maßnahmen verstärken, um die Konjunktur zu beleben. „Für Investoren sehen wir in diesem Spannungsfeld drei Auswirkungen: einen stärkeren US-Dollar, eine anhaltende Schwäche der weltweiten Rohstoffpreise sowie eine relativ flache Zinsstrukturkurve“, so Galler.
US-Dollar-Stärke: Positive Aspekte überwiegen
Obwohl ein stärkerer US-Dollar einen gegenteiligen Effekt auf einige regionale Aktienmärkte haben könnte, brauchen Investoren diesen nicht zu fürchten, solange die Währungskursentwicklung einigermaßen gemäßigt verläuft, meint Galler. Ein starker US-Dollar sei eine „Win-Win-Situation“ für die globale Wirtschaft, wenn er einerseits hilft, den Inflationsdruck aufgrund der steigenden Auslastung der US-Wirtschaft zu lindern, und andererseits die Nachfrage nach Gütern beispielsweise aus der Eurozone oder den Emerging Markets belebt, da diese durch die Schwäche ihrer Währung gegenüber dem US-Dollar wettbewerbsfähiger sind. Gefährlich werde es allerdings, wenn ein dynamisch aufwertender US-Dollar zu einem massiven Kapitalstrom in Dollar-Anlagen führt. Dieses Szenario wäre insbesondere für die Emerging Markets kritisch, auch wenn sich die Schwellenländer heute aufgrund ihrer höheren Devisenreserven und der flexibleren Wechselkurse in einer besseren Verfassung befinden als in den 90er-Jahren.
Der Weg zur Normalisierung der Leitzinsen im Jahr 2015 sollte in den USA beginnen. „Vermutlich wird dies spätestens Mitte des nächsten Jahres passieren, vorausgesetzt die Arbeitslosenquote in den USA sinkt weiter und das Lohnwachstum beschleunigt sich erwartungsgemäß“, sagt Galler. Er erwartet, dass wenn die US-Notenbank diesen Weg endlich gehen wird, sie die Fed Funds Rate um einen Viertel Prozentpunkt pro Notenbanksitzung anhebt, um den Übergang zu einer geldpolitischen Normalisierung sanft zu gestalten. Die Fed werde außerdem sicherstellen, dass das Niveau von langfristigen Zinsen über dem von kurzfristigen Zinsen liegt. „Infolgedessen lässt 2015 auf negative Gesamtrenditen entlang der gesamten Zinsstrukturkurve von US-Staatsanleihen mit Laufzeiten von mindestens zwei Jahren schließen. Folgerichtig sollten sich im nächsten Jahr US-Staatsanleihen mit kurzer Duration besser entwickeln als die Langläufer. Anders verhält es sich in den Anleihenmärkten expansiver Notenbanken, deren kurzfristige Renditen auf Jahre nahe Null verharren dürften, und die Renditen der mittleren und längeren Laufzeiten durch Käufe der Notenbanken und relativ schwacher Konjunkturaussichten gestützt werden dürften“, erläutert Galler.
Gewinnwachstum – oder zumindest die Erwartung – lockt Aktienanleger
Der Ausblick für 2015 für globale Aktien ist vielversprechender als der für Staatsanleihen: Die Bewertungen sind sowohl in absoluten Zahlen als auch im historischen Vergleich angemessen. Auch im Verhältnis zu Inflation und Zinssätzen wirken sie attraktiv. Dabei sollten sich die Erträge laut Galler im Jahr 2015 wahrscheinlich im einstelligen Bereich bewegen: „Im sechsten Jahr eines historischen Hausse-Markts haben die US-Aktienmärkte trotz fortgeschrittener Bewertung dank solidem Gewinnwachstum noch immer Steigerungspotenzial. Nicht zu vergessen sind auch die immer noch hohen Barmittelbestände, die aus Mangel an Alternativen weiter in Risikowerte fließen sollten.“ Außerhalb der USA sei das Bild zwar weniger positiv und die Rallye sei noch nicht so stark verlaufen. In Europa dürften aber 2015 der schwächere Euro, niedrigere Ölpreise, geringere Sparmaßnahmen sowie die wieder ansteigende Verbrauchernachfrage das europäische Wachstum ankurbeln und zu Gewinnzuwächsen beitragen. Allerdings haben in Erwartung eines besseren Gewinnpotenzials die europäischen Bewertungen bereits etwas angezogen. In Japan gibt es erste Fortschritte im Kampf gegen die Deflation: Erstmals seit 1993 übertrifft das nominale Wachstum des BIP (auf rollierender Drei-Jahre-Basis) die langfristigen Zinsen. Auch erscheinen die Bewertungen in Japan im historischen Vergleich nicht teuer und die Maßnahmen der Bank of Japan sowie eine höhere Allokation des staatlichen Pensionsfonds in Aktien sollte 2015 eine positive Entwicklung begünstigen. Ein Risiko bleibt aber die immense langfristige Staatsverschuldung und die anhaltende Schwäche der Binnenkonjunktur.
Der Ausblick bei Schwellenländeraktien ist wiederum eher ambivalent. Sorge bereiten vor allem das allmählich nachlassende Wachstum in China, die Schwäche der Rohstoffproduzenten, geopolitische Risiken und nicht zuletzt potenzielle Auswirkungen höherer US-Zinsen auf die Kapitalflüsse der Schwellenländer. „Viele dieser Risiken reflektieren sich jedoch schon in den Bewertungen von Schwellenländeraktien, die mit einem Kurs-Buchwert von unter 1,5x deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt handeln. Auch die Schwellenländerwährungen sind nach den Verlusten der letzten Jahre wieder leicht unterbewertet, weshalb Schwellenländeraktien eine der wenigen verbliebenen günstigen Risikoanlageklassen sind“, betont der Experte.
Das Fazit von Tilmann Galler für das Investmentjahr 2015 lautet also: „Der Anlagegrundsatz der letzten Jahre gilt auch weiterhin: Solange die Notenbanken das Ziel verfolgen, die Wirtschaft mit billigem Geld zu reflationieren und Barmittel keine Zinsen bringen, ist es an der Zeit in reale Vermögenswerte und Risikoaktiva zu investieren. Risikoorientierte Anleger werden nach wie vor belohnt!“
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