Kommentar
09:32 Uhr, 27.11.2017

Zentralbänker erblindet? Angeblich keine Marktverzerrung zu sehen

Notenbanker rund um den Globus können beim besten Willen keine Marktverzerrungen erkennen. Da fragt man sich schon, ob Massenblindheit ausgebrochen ist.

Ob EZB, Fed oder BoJ – sie alle haben eines gemeinsam: sie sehen keine Marktverzerrungen. Der eine oder andere Notenbanker lässt sich zwar dazu hinreißen, den Aktienmarkt als überdurchschnittlich hoch bewertet zu bezeichnen, doch von Verzerrungen und Blasen ist nicht die Rede.

Diese Ignoranz ist schon ein starkes Stück. Man muss nur einen Blick auf den Markt für Ramschanleihen werfen. Grafik 1 tut das. Dargestellt sind die Renditen dieser Papiere, die Ausfallquoten und der relative Verschuldungsgrad von Unternehmen. Der relative Verschuldungsgrad ist als Schulden dividiert durch Cashflow definiert.

Die relative Verschuldung steigt in schwierigen Zeiten (Rezession) an. Die Einnahmen der Unternehmen sinken und die Schulden bleiben konstant. Das Verhältnis steigt. Je höher das Verhältnis ist, desto weniger Puffer haben Unternehmen, um ihre Schulden zu bedienen. Das zeigt sich auch anhand der Renditen. Steigt die relative Verschuldung, steigen die Renditen. Das Risiko ist ja auch höher.

Das höhere Risiko zeigt sich auch anhand der Ausfallquoten. Im Prinzip verlaufen die drei Zeitreihen parallel. Höhere Verschuldung bedingt höhere Renditen, die wiederum mit höheren Ausfallquoten einhergehen.

In den letzten Jahren kam es zu einer gehörigen Divergenz. Die Verschuldung stieg rasant an. Die Rendite löste sich zwar von den historischen Tiefständen, doch gemessen an früheren Zyklen war das sehr bescheiden. Immerhin blieben auch die Ausfallquoten unterhalb früherer Hochs.

Anleger reagierten im Gegensatz zu früheren Zyklen deutlich moderater. Das Problem des Ramschanleihemarktes war auch sehr spezifisch. Ölunternehmen gerieten in Schieflage, nicht aber die ganze Wirtschaft. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Verschuldung bei allen Unternehmen sehr hoch ist. Die relative Verschuldung zeigt den Hebel, mit denen alle Unternehmen im Durchschnitt unterwegs sind, nicht nur Unternehmen, die Risikoanleihen begeben.

Für eine Zeit, in der wir uns im konjunkturellen Hoch befinden, ist die Verschuldung abnormal hoch. Hier keine Verzerrung zu erkennen, zumal die Renditen der Anleihen historisch niedrig sind, bedarf schon einer besonderen Ignoranz.

Diese Ignoranz ist bis zu einem gewissen Grad gewollt. So machte etwa Janet Yellen unlängst klar, dass es nicht die Aufgabe der Notenbank ist, sich um die Stabilität des Finanzsystems zu sorgen. Die Notenbank hat ein klares Mandat: Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Sich um zu hohe Aktienkurse zu sorgen ist nicht ihre Aufgabe.

Würde die Notenbank Missstände aufdecken und analysieren, übernimmt sie auch ein wenig Verantwortung dafür, wenn die Blase platzt. Das will sie natürlich nicht. Es ist die Aufgabe der Politik für Regeln zu sorgen, damit Übertreibungen verhindert werden. Die Politik ist dazu freilich nicht in der Lage. Es fehlt das Verständnis und bis ein Gesetz erst verabschiedet ist, ist es vermutlich zu spät.

Die heiße Kartoffel wird herumgereicht. Das ändert nichts daran, dass es Marktverzerrungen gibt, die sich früher oder später auflösen werden. Die Notenbanken wollen diese Verzerrungen nicht im Vorfeld verhindern. Es ist nicht ihre Aufgabe. Aufräumen müssen sie es im Nachgang aber trotzdem.

Clemens Schmale

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13 Kommentare

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  • Morningstar
    Morningstar

    Die EZB ist genauso ein Sammelsurium von Politikern wie in unserer Parteienlandschaft. Haben wir nicht erst vor ein paar Wochen der großen Koalition klar die Rote Karte gezeigt? Und was passiert nun...wir bekommen den gleichen Brei wieder vorgesetzt. Wir können uns doch noch an die großen Worte der SPD Granden erinnern? "Auf jeden Fall gehen wir in die Opposition. Mit uns gibt es keine große Koalition!". Rückratlos, rücksichtslos, skrupellos, verlogen bis in die Haarspitzen. Wir, die rechtsradikalen Wutbürger, wenn du dich nur mal interessehalber mit dem Parteiprogramm der AfD befasst hast, können wählen was wir wollen. Fortschritt, Weitsicht, zukunftsweisend ist mit solcher "Regierungsarbeit" unmöglich. Und genauso agiert die EZB oder eher noch schlimmer. Das hat nichts mehr mit Weitsicht in der Geldpolitik zu tun, dass ist nur noch mit allen Mitteln versuchen Löcher zu stopfen in Italien, ESP, POR ohne wirkliche Veränderungen bzw Verbesserungen anzugehen. Man kann nur ohnmächtig zuschauen und versuchen dass der Blutdruck sich in Grenzen hält.

    14:57 Uhr, 27.11. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Der Politik fehlt das Verständnis??? Vielleicht bei den Hinterbänklern, nicht jedoch bei Leuten wie Schäuble, Alleskönner Altmaier oder gar unserer ewigen Kanzlerin. Die Entscheidungsträger wissen ganz genau, was sie tun und was sie damit anrichten, nichts, aber auch rein gar nichts, geschieht in Berlin durch Zufall.

    Merkel und Konsorten sind sich völlig darüber im Klaren, das ohne die Gelddruckerei der EZB der Euro schon lange Geschichte wäre oder die Eurozone zumindest etliche Mitglieder weniger hätte. Die Folgen einer solchen Entwicklung wären fatal für die verantwortlichen Politiker, denn dann werden die Haftungen aus den Target-2-Salden schlagend und beim eigenen Geldbeutel hört der Spaß für die allermeisten Wähler endgültig auf. Also steckt man den Kopf in den Sand und hofft inständig, man möge nicht mehr im Amt sein, wenn die Rechnung für diese dämliche Politik präsentiert wird.

    11:57 Uhr, 27.11. 2017
  • MrTight
    MrTight

    @einfach

    das die Preise am Immobilienmarkt nichts mit dem Eingreifen der EZB zu tun hat, stimmt so ganz sicher nicht. Vielmehr sind durch die niedrigen Zinsen die Immobilienpreise erst in die Höhe getrieben worden. Das hat zunächst mit der Steuer nichts zu tun und konnte auch durch staatlichen Wohnungsbau allein nicht aufgehalten werden.

    11:31 Uhr, 27.11. 2017
    1 Antwort anzeigen
  • netzadler
    netzadler

    Wahnsinn nach einstein: immer das gleiche tun, aber andere Ergebnisse erwarten.

    10:56 Uhr, 27.11. 2017
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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