Kommentar
06:55 Uhr, 18.12.2015

Zeit für Gier?

Ein Hauch von Panik geht durch die Reihen der Anleger (nicht bei Aktien). Ist das bereits wieder das Einstiegssignal?

Noch bis Anfang der Woche musste man im DAX ganz klar von einer Korrektur sprechen. Der Index Verlor vom Hoch bis zum Tief 10%. Die Rallye nach der US Zinswende hat einen Großteil der Verluste inzwischen wieder wettgemacht. Die US Indizes waren etwas weniger dynamisch, zeigten aber in die gleiche Richtung. Auch das fand gestern ein Ende. US Aktien feierten die Zinserhöhung. Heute ist schon wieder ein wenig Katerstimmung.

Einen offensichtlichen Grund für die Stimmungsschwankungen von Ende November bis Mitte Dezember gab es eigentlich nicht. Der Weg der US Zinspolitik ist seit Jahren Thema. Das, was vorgestern verkündet wurde, konnte für niemanden mehr eine Überraschung sein. Trotzdem folgte der Korrektur eine massive Rally nach dem Zinsentscheid – zumindest in Europa.

Man muss sich auch sehr bemühen, den Schwarzen Peter für die Stimmungsschwankungen der EZB zuzuschieben. Die EZB hat den Markt zweifelsohne Anfang Dezember enttäuscht. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die EZB trotz aller Enttäuschung ihre Lockerung noch einmal unterstrichen und ausgedehnt hat.

Als Gründe bleiben noch die undurchsichtigen Aktionen der chinesischen Notenbank, die den Yuan gegenüber dem Dollar wieder stärker abwerten lässt. Die Erinnerungen an August werden wach. Wirklich neu ist das jedoch auch nicht und wer die weitere Abwertung des Yuan nicht erwartet hat, hat die vergangene Monate verschlafen oder war so naiv der Notenbank blind zu vertrauen („Wir sind an einem stabilen Wechselkurs interessiert“, „Der Yuan wird stark bleiben“ usw.).

Mit etwas Fantasie lässt sich auch der fortlaufende Preisverfall von Rohstoffen anführen. Hier gilt allerdings ebenso wie bei den bereits genannten Auslösern, dass es sich um nichts Neues handelt. Die Börse reagiert im Normalfall auf Neuigkeiten und nicht auf Themen, die bereits durch eine Korrektur verarbeitet wurden. An wirklich handfesten Gründen mangelt es – bis auf einen.

Es geht die Angst um, dass die Anleihenblase platzen könnte. Diese Blase wird als Mutter aller Spekulationsblasen bezeichnet. Anleihen sind so hoch gestiegen wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Gleichzeitig haben sich Unternehmen und Staaten mit Schulden vollgesogen, als gäbe es kein Morgen mehr. Im Blickpunkt stehen insbesondere Unternehmen mit geringer Bonität. Diese Sorgen sind berechtigt und drängen sich nach dem gestrigen Freudentaumel über die Zinserhöhung heute in den USA schon wieder in den Vordergrund.

Der Markt für Ramschanleihen ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. Grafik 1 zeigt die Marktgröße für High Yield und Investment Grade Bonds. Der Markt für Ramschanleihen hat sich seit 2009 verdoppelt. Zuletzt gab es ein solches Wachstum zwischen 1996 und 2001. Damals endete es nicht gut. Viele haben Angst, dass es auch jetzt zu einem Einbruch kommen wird.

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Das Ausgabevolumen von Ramschanleihen ist bereits seit 2012 rückläufig. Zwischen 2008 und 2012 stieg die Ausgabe von "Junk Bonds" deutlich an. Von weniger als 100 Mrd. pro Jahr stieg der Wert auf über 300 Mrd. Unternehmen nutzten den aufnahmefähigen Markt gerne. Einerseits waren Banken mit der Kreditvergabe restriktiver, andererseits ermöglichten niedrige Zinsen und der Renditehunger von Anlegern günstige Fremdkapitalausgabe.

Mit den sinkenden Rohstoffpreisen sind immer weniger Investoren bereit, Unternehmen Geld zur Verfügung zu stellen. Die Ausfallquoten steigen zudem seit einiger Zeit an. Neues Geld ist schwer zu bekommen und wenn, dann nur zu sehr viel höheren Kosten. Die Rendite des gesamten Ramschanleihenmarktes ist von 5% auf knapp 9% gestiegen. Für Rohstoffunternehmen, vor allem Öl- und Gasunternehmen, stieg die Rendite von 5% auf 14%. Zu so hohen Zinsen wollen sich die meisten Unternehmen kein Geld mehr beschaffen, weil sie die Kosten ohnehin nicht tragen könnten.

Die Ausfallquoten liegen derzeit bei 2,8% und könnten im kommenden Jahr bis auf 4,5% steigen. Das sieht niemand gerne. Anleger verkaufen ihre Anteile an ETFs und Fonds in Scharen. Die Kurse der ETFs und Fonds stürzen entsprechend ins Bodenlose. Grafik 2 zeigt den Kursverlauf des Fidelity Capital & Income Fonds. Die Korrektur läuft schon seit Monaten und beschleunigt sich gerade. Vergangene Woche verloren die meisten Instrumente zwischen 3 und 6%. Für Anleihenindizes ist das sehr viel und kommt schon crashartigen Zuständen gleich.

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Keiner weiß, ob Anleger überreagieren. Der Situation mangelt es zweifellos nicht an Dramatik. Was, wenn der gesamte Markt zusammenbricht?
Der US High Yield Markt hat eine Größe von 1,8 Billionen Dollar. Das ist in etwa ein Sechstel der Größe des Hypothekenmarktes, der 2008 für Unruhe sorgte. Die Dimension ist also zunächst einmal deutlich kleiner als in der letzten Kreditkrise. Trotzdem wäre es für die Wirtschaft nicht einfach, wenn der Markt für Ramschanleihen austrocknet. Können sich Unternehmen kein frisches Geld beschaffen oder sich refinanzieren, dann drohen viele Insolvenzen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt würde sich definitiv verändern.

Soweit muss es nicht kommen. Persönlich sehe ich vor allem Parallelen zu 1994. In einem solchen Szenario hätten der Ramschanleihenmarkt inzwischen zwei Drittel der Abwärtsbewegung hinter sich. Ganz langsam kann man nach Einstiegspunkten suchen.

Für schwache Nerven ist das nichts. Grafik 2 zeigt, wohin die Reise schlimmstenfalls gehen kann. Der Fidelity Fonds schwankte in den vergangenen 35 Jahren zwischen 10,50 und 5,50 USD. Derzeit steht der Kurs bei 9. Da ist noch viel Luft nach unten, wenn es wirklich hart auf hart kommt.

Die US Zinswende ist übrigens kein allzu großes Problem für Ramschanleihen. Grafik 3 zeigt die Rendite von Ramschanleihen, die Fed Funds Rate und die Rendite 10-jähriger US Anleihen. In der Tendenz laufen die Renditen parallel zum allgemeinen Zinsniveau. Wir kommen aus einer Hochzinsphase der 70er Jahre, als der US Leitzins knapp 20% betrug. Unter solchen Umständen sind natürlich auch die Renditen von Anleihen höher als in Zeiten, wenn der Leitzins bei 0% liegt.
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Ob Zinsen nun steigen oder fallen ist mittelfristig für die Rendite von Ramschanleihen unerheblich. Zwischen 1994 und 1999 blieb der Leitzins relativ stabil. Ramschanleihenrenditen machten hingegen wilde Sprünge. Teilweise ist die Bewegung der Anleihenrenditen parallel zu den Leitzinsen, teilweise konträr. High Yield Bonds bewegen sich mittel- und langfristig eher wie Aktien und nicht wie klassische Anleihen.

Derzeit werden die Anleihen verkauft. Die Renditen sind wieder auf ein anständiges Niveau gestiegen, nachdem sie wirklich auf sehr tiefem Niveau verharrten. Die Panik, die sich auf dem Markt zeigt, kann für langfristig orientierte Anleger eine Chance sein. Die Betonung liegt auf langfristig. Wer heute in den Markt einsteigt und morgen eine hohe Rendite erwartet, der sollte sich von dem Markt fernhalten. Wie volatil die Kurse sein können zeigen die Charts.

Trotz der Volatilität mag ich persönlich Ramschanleihen gerne. Sie erzeugen einen regelmäßigen und hohen Cashflow. Wer bereit ist, mit den Kursen durch dick und dünn zu gehen, kann über viele Jahre gerechnet eine Rendite von 6% bis 9% erzielen – je nachdem wie weit man in den Ramschbereich hineingeht. Der Kurs der Fonds oder ETFs sollte Anlegern wirklich egal sein. Es kommt allein auf die Zinszahlungen an. Wie der Fidelity Fonds zeigt, kann man keine langfristigen Kurssteigerungen erwarten. Eine solche Erwartung ist unrealistisch.

Die nun erfolgte Zinswende wird den Ramschanleihenmarkt nicht zum Einsturz bringen. Ob der Leitzins bei 0% oder 1% liegt ist absolut unerheblich. Der Markt bewegt sich derzeit entgegen der Erfahrung konträr zu Aktien. Dafür laufen die Kurse von Ramschanleihen parallel zum Ölpreis. Hält man die Kurse gegeneinander, dann ist die Korrelation sehr hoch. Der Ramschanleihenbereich hat kein Zinsproblem, sondern ein Ölproblem. Öl befindet sich möglicherweise im finalen Sell-Off, der bis unter 30 USD gehen kann. Entsprechend ist jetzt die Zeit gekommen Ramschanleihen sehr genau zu beobachten. Die Erholung kann jederzeit beginnen. Das bringt nicht nur eine hohe Ausschüttungsrendite, sondern kann zusätzlich noch 15 bis 20% Kurssteigerung bringen.

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2 Kommentare

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  • Weißer Ritter
    Weißer Ritter

    Guten Morgen. Ihre Schlagzeile verstehe ich mal wieder nicht. Derzeit ist wieder so viel Unsicherheit im Markt - wer ist denn da bitte gierig?

    Zur Rolle von EZB, Fed und Co.: Es ist nicht deren Aufgabe, die Märkte glücklich zu machen, sondern dafür zu sorgen, daß das Bankenwesen nicht kollabiert. Das ist doch ein wichtiger Unterschied.

    Dann sprechen Sie in einem Absatz in der Mitte endlich das alles entscheidende Problem an, nämlich die sich immer weiter verschärfenden Staatsschuldenkrise, über die nur plötzlich nicht mehr gesprochen wird. Das ist die Mutter aller Krisen, und von hier aus ließen sich alle weiteren Folgen unschwer aufdröseln. Stattdessen verlegen Sie sich urplötzlich auf den Nebenkriegsschauplatz Junk Bonds, bei dem Sie dann hängen bleiben.

    Zum Schluß herrscht mal wieder große Ratlosigkeit. Bleiben Sie doch mal beim Hauptthema!

    Einen schönen Verfallstag!

    09:44 Uhr, 18.12.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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