Kommentar
09:08 Uhr, 23.05.2016

Wozu noch sparen?

Das weltweite Wirtschaftswachstum siecht vor sich hin. Es gäbe für dieses Problem einen einfachen Ausweg. Staaten müssten lediglich ihre Ausgaben erhöhen, doch gerade in der Eurozone ist das etwas, was man in einigen Ländern nicht gerne hört.

Der Grund, weshalb Länder wie Deutschland und Finnland auf solide Staatshaushalte bestehen, liegt auf der Hand. Zu hohe Verschuldung führt irgendwann nicht mehr zu höherem Wachstum, sondern zu geringerem. Selbst bei niedrigen Zinsen steigen die Kosten für die Staatshaushalte an, wenn die Schulden Jahr um Jahr ungebremst wachsen. Die Zinslast wird irgendwann so groß, dass der Staat seinen Handlungsspielraum vollkommen verliert.

Die Eurokrise hat gezeigt, wie real diese Gefahr ist. In Spanien stieg die Staatsverschuldung von 35 % vor der Finanzkrise auf 100 % der Wirtschaftsleistung an. Eigentlich hätte man denken sollen, dass eine so geringe Verschuldung für ausreichend Spielraum in Krisenzeiten sorgt. Dem ist nicht so, denn Spaniens Verschuldung stieg so schnell an, dass sich der auf den ersten Blick große Spielraum rapide verkleinerte.

Der Anstieg der Verschuldung von teilweise mehr als 10 % der Wirtschaftsleistung innerhalb eines Jahres machte Investoren klar, dass Spanien diesen Weg nicht ewig weitergehen kann. Ohne Sparmaßnahmen läge die Verschuldung heute nicht bei 99 %, sondern vielmehr bei 115 % und bis Ende des Jahrzehnts bei 140 %.

Investoren und auch Regierungen mussten einsehen, dass so etwas auf Dauer einfach nicht gutgehen kann. Die Schuldentragfähigkeit ist unter einem solchen Trend nicht mehr gegeben. In der Eurozone äußerte sich das, indem die Renditen für Staatsanleihen rasch anstiegen. Bevor die EZB eingriff stiegen die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen für Spanien und Italien auf 7 %, für Irland auf 12 % und für Portugal auf 16 %.

Man muss nicht lange rechnen, um zu verstehen, dass so hohe Zinsen nicht tragbar sind. Muss ein Staat für neu ausgegebene Anleihen 10 % zahlen und sinkt der Zins über viele Jahre hinweg nicht, dann steigt die Umlaufrendite aller Anleihen immer höher. In einem Extrembeispiel kann man sich vorstellen, dass ein Land mit 100 % der Wirtschaftsleistung verschuldet ist und für diese Schulden 10 % an Zinsen zahlen muss. Ohne überhaupt Ausgaben für Bildung und Gesundheit getätigt zu haben muss der Staat bereits 10 % der Wirtschaftsleistung allein für Zinsen aufbringen.

Durch diese hohe Zinslast und den Zinseszinseffekt kommt irgendwann der Punkt, an dem die Schulden einfach nicht mehr tragfähig sind. Da Schulden nicht ins Unendliche steigen können, bleibt nur der Bankrott als Ausweg.
Auf dem Weg in den Bankrott waren viele Euroländer im Jahr 2012. Dann kam die EZB und drückte die Zinsen, indem sie erst verbal intervenierte und später direkt durch Anleihenkäufe in den Markt eingriff. Die Schuldentragfähigkeit ist durch die Eingriffe der EZB vorerst gesichert, doch auf Dauer wird auch das nicht reichen.

Die Eurozone bewegt sich dabei in einem unauflöslich scheinenden Dilemma. Einerseits müssen Regierungen ihre Ausgaben kürzen, da die Zinsen andernfalls wieder zu steigen beginnen und ein Niveau erreichen, welches die Schuldenlast untragbar macht. Andererseits begrenzen die Sparmaßnahmen das Wirtschaftswachstum. Ohne Wachstum lässt sich die Verschuldung jedoch nicht senken.

Es geht letztlich auch nicht nur um die Verschuldung, sondern auch um die Arbeitslosigkeit. Es ist kein besonders nachhaltiges Wirtschaftsmodell, wenn 10 %, 15 % oder sogar 25 % der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos sind. Hohe Arbeitslosigkeit begünstigt den Aufstieg radikaler Parteien.

Staaten können ihre Ausgaben nicht mehr steigern, zumindest dann nicht, wenn man unterstellt, dass wirtschaftliche Logik Anwendung findet. Seitdem die Notenbanken so stark in den Markt eingreifen, kann man daran zweifeln, dass wirtschaftliche Logik überhaupt noch zum Tragen kommt.

Die EZB bzw. die nationalen Notenbanken kaufen Anleihen in hohem Tempo auf. Dadurch sinken die Zinsen und das Angebot an Staatsanleihen verkleinert sich. Die Notenbanken verdienen durch die gekauften Anleihen viel Geld. Grafik 1 zeigt die Gewinne der Notenbanken im vergangenen Jahr. Spitzenreiter ist die US-Notenbank mit einem Jahresgewinn von 88 Mrd. Euro. Es folgen die EZB und nationalen Notenbanken der Eurozone mit 17 Mrd.

Ein Großteil der Gewinn fließt von den Notenbanken wieder zurück an die Regierungen. Je mehr Anleihen eine Notenbank kauft, desto mehr Zinsen zahlt der Staat an sich selbst. Die Deutsche Bundesbank erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Gewinn von etwas über 3 Mrd. Euro (Grafik 2). Rechnet man dies mit den Zinsausgaben von 21 Mrd. gegen, dann zahlt Deutschland ungefähr 14 % der Zinsen an sich selbst. Je länger das Anleihekaufprogramm der Notenbank andauert, desto höher wird dieser Prozentsatz.

Die Zinslast der Euroländer verringert sich durch die Gewinnabführung der Notenbanken erheblich. Am Ende des QE Programms könnten sich Staaten bis zu 25 % der Zinszahlungen durch die Gewinnabführung sparen. Nimmt man nun an, dass die Zinsen konstant niedrig bleiben, dann könnten Staaten doch 25 % mehr Schulden aufnehmen, ohne tatsächlich mehr Zinsausgaben zu haben als heute, oder?

Das QE-Programm erhöht die Schuldentragfähigkeit deutlich. Die gekauften Anleihen verschwinden in den Bilanzen der Notenbanken. Man könnte fast sagen, dass sie nicht mehr existent sind. Rein formal gibt es diese Schulden noch, doch da sie nicht auf dem freien Markt sind und die Zinserträge wieder an die Staaten zurückfließen, kann man sie durchaus so behandeln als seien sie nicht vorhanden.

Jeder Staat hat ein bestimmtes Verschuldungsniveau, welches man als tragfähig bezeichnen kann. Nehmen wir an, es liegt bei 100 %. Schöpfen die Notenbanken nun sämtliche Schulden ab, die über 100 % hinausgehen, dann steigt zwar formal die Verschuldung weiter an, doch das ist wenig relevant. Da der Staat sich die Zinsen für die Schulden, die über 100 % hinausgehen, selbst zahlt, bleibt die Schuldentragfähigkeit konstant.

Die Möglichkeiten für die Euroländer, wieder tief in die Tasche zu greifen und die Wirtschaft anzuschieben, sind vorhanden. Die Sache hat jedoch einen Haken. Solange die Notenbank nicht ganz deutlich sagt, dass sie alle Schulden oberhalb einer bestimmten Grenze aufkauft, kann der Markt nicht von einer nachhaltigen Schuldenpolitik ausgehen. Solange die Notenbank die Aussicht auf ein Ende von QE aufrechterhält, bleibt das Verschuldungsniveau eine relevante Größe.

Die Notenbank kann bzw. darf nicht garantieren, dass sie alle Schulden oberhalb einer bestimmten Grenze aufkauft, weil dies dann offizielle Staatsfinanzierung ist. Zudem: könnten sich Staaten über QE unbegrenzt verschulden, käme es früher oder später zu hoher Inflation, die schwer kontrollierbar wäre.

Die Notenbank kann die Inflation nicht mehr kontrollieren, da sie ja eine Kaufgarantie für Staatsanleihen ausgegeben hat. Hebt sie die Garantie auf, dann explodieren die Zinsen und der Bankrott aller Staaten wartet um die Ecke. Es bleibt also dabei: ein Mindestmaß an Haushaltsdisziplin müssen Staaten auch unter QE wahren. Anstatt also auf mehr Schulden zu setzen, wie es z.B. der Internationale Währungsfonds fordert, sind ein nachhaltiger Haushalt und Strukturreformen bessere Pläne. Das scheint nur leider niemand wahrhaben zu wollen.

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10 Kommentare

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  • Unbedingt
    Unbedingt

    Sparen ist gewöhnlich notwendig, wenn man sich etwas leisten möchte, das man mit den gegenwärtigen Einnahmen nicht bezahlen kann. Es ist gleichzeitig ein Verzicht auf Dinge, die man sich damit noch leisten könnte. Erwirbt man diesen Wohlstand auf Pump, dann verschiebt man diesen Verzicht unter Zuwachs von Zinsen in die Zukunft. Man leiht sich sozusagen in der eigenen Zukunft Geld und verbindet damit die Spekulation - nichts anderes ist das! - mit zukünftig größeren Einnahmen die Lücke in den zukünftigen Möglichkeiten ausfüllen zu können. Bei einer wirtschaftlich orientierten Unternehmung funktioniert das normalerweise auch. Bei privatem Konsum funktioniert es auch, wenn man etwas Glück hat oder außergewöhnlich tüchtig ist, also eine Erbschaft macht, ein Beamtengehalt sicher hat oder seinen Doktor in Medizin oder eben irgend eine andere Segnung, die das Leben so bereit hält. Aber immer, wenn diese Spekulation in die Hose geht, dann muss man später auf mehr verzichten, als man es in der Gegenwart der Schuldenaufnahme hätte aushalten müssen. Grundsätzlich gilt das auch für Staaten. Ich meine, am Aufbau der Wirtschaft in den östlichen Bundesländern lässt sich das gut illustrieren. Und es ist auch anhand des vorzüglichen Beitrags von Herrn Schmale zu sehen, dass für den Fall, dass die Notenbanken auf die Einlösung der Anleiheschulden bei den ausgebenden Institutionen verzichten, irgendwer die Rechnung zu bezahlen hat. Es ist ein typischer "Siewissenschonwer", es einfach Steuerzahler zu nennen, wäre gar nicht richtig. Deshalb finde ich den Begriff Schuldgeldalchemie, den Löwe30 hier benutzt hat, sehr treffend.

    Man sollte meiner Meinung nach nicht mehr so penetrant am absoluten Wachstumsgedanken festhalten, sondern die ganze Ökonomie an der relativen Größe zum Wachstum aller beteiligten Systeme festmachen. Die Verschuldung läßt sich senken, durch Verzicht, das steht ja schon in der Bibel. Nun muss man nur darüber streiten, wer verzichtet, wem es leicht fallen würde, wer die Macht hat, sich zu schonen, welcher Missbrauch möglich ist und welche Effekte erwünscht sind usw.

    10:29 Uhr, 24.05.2016
  • Löwe30
    Löwe30

    Für Star-Ökonomen wie beispielsweise Paul Krugman und Joseph Stiglitz und all die anderen, die auf den Spuren des genialen Gauklers J. M. Keynes wandelnden geldpolitischen Masters of the Universe ist Sparen endlich überflüssig geworden. Ersetzt wird es durch die moderne Schuldgeldalchemie. Geld und Kredit entsteht auf Knopfdruck aus dem Nichts. Ganz ohne die spießige Mühsal des Sparens. Genial, nicht wahr?

    19:11 Uhr, 23.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Hein_Bloed
    Hein_Bloed

    „Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff‘ es denn“ – so sagt der Kaiser zu Mephisto, der auch schon eine Idee hat: Papiergeld. In Goethes „Faust“, dem zweiten Teil der Tragödie, scheint die zauberhafte Zettelwirtschaft zunächst alle Finanzprobleme leichthin zu lösen. Der Staat kann sich seiner Schulden entledigen, die private Konsumnachfrage steigt, es gibt einen Wirtschaftsaufschwung. „Im weiteren Verlauf artet das Treiben jedoch in Inflation aus und das Geldwesen wird infolge der rapiden Geldentwertung zerstört“, erinnerte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann...................

    19:00 Uhr, 23.05.2016
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Scheiße, lese gerade:

    Van der Bellen ist Bundespräsident ...

    Mist ... !!!

    15:47 Uhr, 23.05.2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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