Kommentar
02:06 Uhr, 14.06.2008

Wirtschaftsdaten: Stagflation – sozialer Sprengstoff...?

Börsianer haben es nicht leicht: Tag für Tag werden sie mit Wirtschaftsdaten überflutet. Um zur rechten Zeit die richtigen Entscheidungen treffen zu können, sollte man die wichtigsten Informationen nicht nur verstehen, sondern auch einzuordnen wissen.

Wir werden Sie in Zukunft an dieser Stelle über die wichtigsten Wirtschaftsdaten aus Europa und den USA informieren und erläutern, was die Informationen für die Börsen bedeuten.

Montag:
Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist der Gesamtumsatz im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland im April um 4,7 % gestiegen. Im Vormonat hatte das Plus 4,1 % betragen, im Februar wurde ein Anstieg um 6,0 % verzeichnet. Der Inlandsumsatz ist im April-Jahresvergleich um 3,2 % geklettert, der Umsatz mit dem Ausland um 6,6 %.

Im Saison- und arbeitstäglich bereinigten Vergleich zum Vormonat fiel der Umsatz-Volumenindex im April um 0,8 % nach -0,6 % im Vormonat und -0,2 % zwei Monate zurück. Im Inlandsgeschäft sank der Index dabei um 1,5 %, im Auslandsgeschäft fiel er um 0,1 %.

Die deutsche Handelsbilanz weist für April einen Überschuss in Höhe von 18,7 Mrd. Euro aus nach 16,6 Mrd. Euro (revidiert von 16,7 Mrd. Euro) im Vormonat und 15,2 Mrd. Euro ein Jahr zuvor. Aufgelaufen sind im aktuellen Jahr bereits 69,3 Mrd. Euro, verglichen mit 64,6 Mrd. Euro im Vergleichszeitraum im Vorjahr.

Die Leistungsbilanz in Deutschland zeigt im April Saldo ein Plus in Höhe von 14,5 Mrd. Euro. Im Vormonat lag der Überschuss bei 17,5 Mrd. Euro (revidiert von 17,2 Mrd. Euro), im Vorjahr bei 13,4 Mrd Euro. In den ersten vier Monaten 2008 lag der Überschuss bei 62,9 Mrd. Euro, im Vorjahr zur gleichen Zeit betrug das Plus 59,8 Mrd. Euro.

Die Ausfuhren sind im April zum Vorjahr um 13,9 % auf 89,8 Mrd. Euro geklettert. Bis zum April waren es im Jahr 2008 insgesamt 342,3 Mrd. Euro, verglichen mit 317,6 Mrd. Euro im Vorjahr. Die Einfuhren nach Deutschland sind gegenüber dem Vorjahres-April um 11,7 % auf 71,0 Mrd. Euro gestiegen. Im Jahr 2008 bis zum April waren es 272,9 Mrd. Euro nach noch 253,1 Mrd. Euro im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Dienstag:

Die deutschen Großhandelspreise sind im Mai gegenüber dem Vormonat um 1,4 % gestiegen nach +0,6 % im Vormonat. Im Jahresvergleich ist der Preisindex des Großhandels in Deutschland um 8,1 % geklettert nach zuvor +6,9 % beziehungsweise 7,1 % im Monat zuvor.

Die US-amerikanische Handelsbilanz weist für April ein Defizit in Höhe von 60,9 Mrd. US-Dollar aus. Erwartet wurde ein Minus im Bereich 59,5 bis 60 Mrd. US-Dollar. Im Vormonat hatte das Defizit noch bei 56,5 Mrd. US-Dollar gelegen. Somit wurde der Vormonatswert von zunächst veröffentlichten 58,2 Mrd. US-Dollar revidiert.

Unser Kommentar:

Die Großhandelspreise zeigen, was auch jeder Bürger im Supermarkt und an der Tankstelle zu spüren bekommt: Die Inflation steigt, und zwar deutlich.

Mittwoch:
Die Dienstleistungsbilanz der EU zeigt im ersten Quartal in der ersten Veröffentlichung einen Überschuss in Höhe von 16,3 Mrd. Euro. Im Vorquartal lag das Plus bei 21,4 Mrd. Euro, im Vergleichsquartal ein Jahr zuvor bei 18,9 Mrd. Euro.

Die Leistungsbilanz aller 27 EU Mitgliedsstaaten weist im ersten Quartal in der ersten Veröffentlichung ein Defizit in Höhe von 23,7 Mrd. Euro aus. Im vorangegangenen Quartal lag das Defizit bei 2,8 Mrd. Euro. Im Vergleichsquartal des Vorjahres hatte die Bilanz ein Minus in Höhe von 30,4 Mrd. Euro ausgewiesen.

Die US-amerikanischen Rohölvorräte (Crude Oil Inventories) sind in der vorangegangenen Woche um 4,56 Mio. Barrel gefallen, nach zuvor -4,8 Mio. Barrel.

Die Benzinvorräte (Gasoline Inventories) haben sich in den USA im Wochenvergleich um 1,0 Mio. Barrel ausgeweitet .

Die Vorräte an Destillaten (Distillate Inventories), die auch das Heizöl beinhalten, sind gegenüber der Vorwoche in den Vereinigten Staaten um 2,3 Mio. Barrel geklettert.

Das US-amerikanische Haushaltsdefizit liegt im Mai bei 165,9 Mrd. US-Dollar. Erwartet wurde ein Defizit in Höhe von 151,0 Mrd. US-Dollar. Ein Jahr zuvor hatte das Defizit in den Vereinigten Staaten bei 159,3 Mrd. US-Dollar gelegen.

Die US-Notenbank weist in ihrem „beige book“ erneut auf die Gefahr hin, die von hohen Inflationsraten ausgeht. Im Mai waren die Ausgaben der Verbraucher von den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen belastet worden, was sich auch an den schwachen Einzelhandelsumsätzen ablesen lasse. Neben den Verbrauchern war auch die Industrie von den starken Preiserhöhungen bei Rohstoffen betroffen. Die Automobilverkäufe würden sich schwach entwickeln. Höhere Energiepreise würden den Tourismus belasten. Zudem stehe der Immobilienmarkt weiterhin unter erheblichem Druck.

Unser Kommentar:

Der Bericht der Notenbank macht das ganze Dilemma deutlich: Die schwache Wirtschaftsentwicklung würde eigentlich weitere Zinssenkungen erfordern. Die hohen Inflationsraten von rund vier Prozent verbieten aber genau das. Um die Inflation einzudämmen wären im Gegenteil höhere Zinsen notwendig. Man darf gespannt sein, wie die Fed das Problem lösen wird. Aussitzen vielleicht, bis eine Rezession von selbst die Inflation dämpft? Womöglich steht das Schreckgespenst der Politiker ja schon vor der Tür: Stagflation, eine schwächelnde Wirtschaft bei gleichzeitig hohen Inflationsraten. Was harmlos klingt, kann dramatische Formen annehmen: Steigende Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig steigenden Preisen für die Güter des täglichen Bedarfs birgt erheblichen sozialen Sprengstoff...

Donnerstag:

Die Industrieproduktion in der Euro-Zone ist im saisonbereinigten Monatsvergleich im April um 0,9 % geklettert. Im Vormonat war die Produktion der Eurozonen-Industrie um 0,5 % (revidiert von -0,2 %) gesunken. Im Jahresvergleich hat die Produktion in der Industrie um 3,9 % zugenommen nach zuvor +1,6 %. Damit wurde der für März veröffentlichte Anstieg von 2,0 % nach unten revidiert.

Der US-amerikanische Umsatz im Einzelhandel ist im Mai um 1,0 % gestiegen. Erwartet wurde ein Umsatzanstieg von 0,5 bis 0,6 %. Im Vormonat war der Umsatz des Einzelhandels in den Vereinigten Staaten um 0,4 % gestiegen (revidiert von -0,2 %).

Ohne die Autoverkäufe ist der Einzelhandelsumsatz in den USA um 1,2 % gestiegen. Gerechnet wurde mit einem Bereich von +0,6 bis +0,7 %. Einen Monat zuvor war noch ein Anstieg um 1,0 % zu verzeichnen gewesen (revidiert von +0,5 %).

Die US-amerikanischen Importpreise sind im Mai um 2,3 gestiegen nach zuletzt +2,4 % (revidiert von 1,8 %). Ohne Öl sind die Einfuhrpreise in den Vereinigten Staaten um 0,5 % geklettert nach zuvor +1,3 % (revidiert von 1,1 %).

Die Zahl der Erstanträge ist in den USA auf 384.000 gestiegen. Erwartet wurden 370.000 neue Anträge nach zuvor 359.000 (revidiert von 357.000).

Die US-amerikanischen Exportpreise sind im Mai insgesamt um 0,3 % gestiegen nach zuvor +0,5 % (revidiert von +0,3). Ohne landwirtschaftliche Erzeugnisse sind die Ausfuhrpreise um 0,4 % geklettert nach zuletzt +0,7. Damit wurde der Vormonatswert von zunächst veröffentlichten +0,6 % nach oben revidiert.

Die US-amerikanischen Lagerbestände sind im April um 0,5 % gewachsen. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,3 bis 0,4 % nach noch +0,2 % im Vormonat (revidiert von +0,1%. Die Umsätze sind gleichzeitig um 1,4 % gestiegen. Das Verhältnis Lagerhaltung zum Umsatz (Inventories/Sales Ratio) liegt in den USA bei 1,25.

Die US-amerikanischen Erdgasvorräte ("Nat Gas Inventories") sind in der letzten Woche um 80 Bcf auf 1.886 Bcf zurückgegangen gestiegen. In der vorangegangenen Woche waren die Bestände in den USA um 105 Bcf geklettert, im Vorjahr hatten sie bei 2.228 Bcf gelegen.

Freitag:

Die Verbraucherpreise in Deutschland sind zum Vormonat um 0,6 % geklettert nach zuletzt -0,2 %. Die Jahresteuerung liegt bei 3,0 % und ist damit im Vergleich zum April-Jahresvergleich von 2,4 % gestiegen. Der für Europa berechnete harmonisierte Verbraucherpreisindex für Deutschland hat sich im Mai gegenüber dem Vorjahr um 3,1 % erhöht. Im Monatsvergleich kletterte der harmonisierte Index um 0,7 %. Die Schätzung vom 28. Mail 2008 wurde damit leicht nach oben korrigiert.

Die Kfz Neuzulassungen sind im Bereich der EU und der EFTA im Mai verglichen mit dem Vorjahr um 7,8 % gefallen nach +9,6 % im Vormonat und -9,5 % im Monat davor. Im Vergleich Januar bis Mai mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum sind die Neuzulassungen bei den Pkws um 0,7 % zurückgegangen.

Der Arbeitskostenindex der Eurozone ist im ersten Quartal zum Vorjahr um 3,3 % gestiegen. Im Quartal zuvor war der Arbeitskostenindex um 2,9 % (revidiert von +2,7 %) geklettert.

Die Zahl der Erwerbstätigen ist in der Eurozone im ersten Quartal zum Vorquartal um 0,3 % bzw. 446.000 Personen gestiegen nach zuvor ebenfalls +0,3 % (revidiert von +0,2 %). Im Vergleich zum Vorjahr kletterte die Beschäftigtenzahl um 1,6 %, verglichen mit 1,8 % (revidiert von 1,7 %) im vorangegangenen Quartal.

Die US-amerikanischen Verbraucherpreise sind im Mai um 0,6 % gestiegen. Erwartet wurde ein Anstieg um 0,5 % nach +0,2 % im Monat zuvor. Auf das Jahr gesehen kletterten die US Verbraucherpreise um 4,2 %. Erwartet wurde hingegen nur eine Jahresteuerung in Höhe von 3,9 %. Die Kernrate ist in den USA um 0,2 % gestiegen. Damit war bereits gerechnet worden. Im Vormonat hatte die Kernrate um 0,1 % zugelegt. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist die Kernrate um +2,3 % geklettert.

Der vorläufige Verbraucherstimmungsindex der Uni Michigan für die USA notiert im Juni bei 56,7. Erwartet wurde er im Bereich 57,5 bis 59,5. Im Vormonat hatte der Index noch bei 59,8 notiert.

Unser Kommentar:

Seltsamerweise hatten die Zahlen zum amerikanischen Verbrauchervertrauen am Freitag keine Auswirkung auf die US-Märkte. Obwohl der Wert schlechter ausgefallen war als erwartet, zeigten sich die US-Börsen bis zum Handelsende stabil, der Dow Jones legte um fast 1,4 Prozent zu. Wenn schlechte Nachrichten keine Kursverluste mehr auslösen, ist das grundsätzlich ein gutes Zeichen. Angesichts der miserablen Stimmung ist eine freundliche Woche in Sicht..

Wie wir die Lage jetzt einschätzen und was wir unseren Lesern raten, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs, die in Kürze erscheint ist.

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Zum Autor:
Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter [Link "www.antizyklischer-börsenbrief.de" auf www.antizyklischer-b%C3%B6rsenbrief.de/... nicht mehr verfügbar] und www.antizyklischer-aktienclub.de

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