Kommentar
13:45 Uhr, 23.10.2020

Wirtschaftlicher Rebound? Die Euphorie weicht

Nicht nur der Aktienmarkt hat einen stattlichen Rebound eingepreist. Nun aber bröckeln die Prognosen zum Wirtschaftswachstum. Das kann auch dem Aktienmarkt gefährlich werden.

Aus der Entfernung betrachtet lässt sich die Krise für die Wirtschaft und den Aktienmarkt einfach zusammenfassen. Bis Ende März herrschte Panik. Die Erwartung war, dass die Wirtschaft kollabiert. Dann kamen geldpolitische und fiskalische Hilfen und seitdem wird auf einen schnellen V-förmigen Rebound gewettet. Mehr ist in den sieben Monaten am Aktienmarkt nicht geschehen. Es gab nur zwei Themen. Erst war es die Angst vor dem Kollaps, dann die Freude über einen schnellen Rebound. In den kommenden Wochen könnte ein drittes Thema hinzukommen. Die aktuellen Prognosen zum Wirtschaftswachstum sind optimistisch. Analysten trauen der US-Wirtschaft, aber auch Europa und dem Rest der Welt einen schnelleren Rebound zu als sonst üblich. Vergleicht man die Prognosen mit dem Trendwachstum, das vor der Krise bestand, schließt die Wirtschaft schnell zu diesem Trend auf. Die Realität ist für gewöhnlich eine andere. Nach der Finanzkrise dauerte es 10 Jahre, bis die Wirtschaft wieder auf Trend lag. Im Durchschnitt der Rezessionen seit 1960 verhielt es sich nicht wesentlich anders. Der Einbruch war weniger stark ausgeprägt, aber die Rückkehr zum Trend dauerte ähnlich lang.


Die derzeitigen Prognosen sehen vor, dass die Wirtschaft bis Ende 2022 nur noch 1 % unter Trend liegt. In allen vorherigen Rezessionen dauerte das nicht zwei Jahre, sondern 8 Jahre. Es steckt also viel Optimismus in den Vorhersagen.

Langsam relativiert sich das. Der Eurozone wurde bis vor kurzem im vierten Quartal ein Wachstum von fast 3 % zugetraut (Grafik 2). Aktuell sind es noch 2 % und der Trend ist klar fallend. Wegen erneut steigender Infektionszahlen und zunehmenden Restriktionen dürfte sich der Negativtrend fortsetzen.


Keiner weiß, wie lange die zweite Welle anhält. Das Winterhalbjahr hat gerade erst begonnen. Es war von steigenden Fallzahlen auszugehen, doch dass sie so schnell und so früh im Winterhalbjahr ansteigen, ist eine Überraschung. Im schlimmsten Fall stehen der Nordhalbkugel sechs Monate Stillstand bevor.

Der bisherige Wachstumsoptimismus ist dann kaum noch angebracht. Die Börse reagiert bisher gelassen. Manchmal dauert es bis sich neue Themen in den Köpfen von Anlegern setzen. Man kann inzwischen aber klar sagen, dass das, was der Markt eingepreist hat und das, was tatsächlich kommen wird, auseinanderklaffen.

Wann die neuen Wachstumsprognosen ihren Weg in die Kursgestaltung finden, kann man nicht mit Sicherheit vorhersagen. Es sollte aber niemand überrascht sein, wenn die Kurse in den kommenden Wochen plötzlich 10 % oder 15 % tiefer stehen.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • Tüskendör
    Tüskendör

    Szenario:

    ... weil das Risiko der Stimuli (Gefahr "Ausbruch nach oben") über dem Markt schwebt, werden keine Shorts gekauft, die längst angemessen wären.

    Deshalb wird der Markt fallen, weil der Gegenpol fehlt, der ihn bisher oben gehalten hat.

    Hinterher heisst es dann: Die geringe Höhe der Stimuli hat den Markt enttäuscht.

    13:07 Uhr, 24.10.2020
  • Dr. Kurt Weinknecht
    Dr. Kurt Weinknecht

    Ob Welle alles egal solange es Stimuli gibt gehts hoch !

    20:19 Uhr, 23.10.2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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