Kommentar
10:33 Uhr, 25.08.2016

Wird dieses Land im Alleingang die Ölkrise beenden?

Der Ölpreis hat gerade einen der kürzesten Bärenmärkte überhaupt überwunden und befindet sich nach nur zwei Wochen wieder im Bullenmarkt. Was steckt dahinter?

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Dass der Ölpreis sehr volatil ist, weiß inzwischen jeder, doch die Preisbewegungen in den letzten 10 Wochen waren trotz des Ausnahmezustands ungewöhnlich. Erst verlor der Ölpreis innerhalb von zwei Monaten über 20 % und rutschte dadurch wieder in Bärenmarktterritorium. Seit Anfang August explodiert der Preis förmlich und war zwischenzeitlich mit über 20 % im Plus und somit erneut im Bullenmarkt. Aktuell läuft eine Konsolidierung.

Viele Anleger und Beobachter sind verwirrt und können sich das Geschehen nicht erklären. Es heißt, dass die Bewegung absolut nichts mit den Fundamentaldaten zu tun hat. Diese deuten weiterhin auf fallende Preise hin. Saudi-Arabien vermeldete gerade erst wieder eine Rekordproduktion.

Die OPEC brachte Anfang August wieder die Einfrierung der Produktion ins Gespräch. Nach mehreren gescheiterten Versuchen dürfte das jedoch kaum für die Rallye verantwortlich gewesen sein. Die Ankündigungen blieben bisher das, was sie sind: leere Worte. Wer aufgrund dieser Andeutungen Öl kauft, dürfte enttäuscht werden. Wenn nun aber nicht die Möglichkeit von Produktionsobergrenzen für die Rallye gesorgt hat, was war es dann?

Auf den ersten Blick wirkt es so, als würde sich der Ölpreis tatsächlich von den Fundamentaldaten komplett lösen. Das ist nicht der Fall. Der Fokus der meisten Analysten liegt auf den großen Ölexporteuren der OPEC. Dabei gehen die vielen anderen Länder, die Öl fördern, unter. Es sind jedoch genau diese Länder, die für ein Gleichgewicht sorgen.

Konkret ist es Venezuela. Die Ölproduktion in Venezuela ist vom mehrjährigen Hoch von knapp 3 Mio. Barrel pro Tag im Jahr 2014 auf 2,15 Mio. Barrel im Juli gesunken. Anfang des Jahres wurde die weltweite Überproduktion auf 1,5 Mio. Barrel geschätzt. Ein Drittel dieser Überproduktion ist seit Jahresbeginn weggefallen, nur weil Venezuela weniger fördert.

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Venezuela fördert nicht freiwillig weniger Öl. Die niedrigen Ölpreise haben das Land zu einer Reduktion der Förderung gezwungen. Durch die niedrigen Ölpreise kommen weniger Devisen ins Land. Inzwischen sind die Dollarreserven des Landes aufgebraucht. Es ist allerdings für die Ölförderung auf die Dienstleistungen und Vorprodukte aus anderen Ländern angewiesen. Nachdem diese nicht mehr gezahlt werden können kommt es zu Engpässen und die Produktion kann nicht aufrechterhalten werden.

Die Ölfirmen Schlumberger und Halliburton haben ihre Aktivitäten drastisch heruntergefahren, da ihnen inzwischen knapp 2 Mrd. Dollar geschuldet werden. In der Folge wird weniger gebohrt und weniger gefördert. Solange Venezuela seine Rechnungen nicht zahlt, wird sich daran auch nichts ändern.

Venezuelas Ölproduktion könnte um weitere 400.000 Barrel pro Tag sinken. Das weltweite Überangebot hätte sich dann auf 600.000 Barrel pro Tag reduziert. Das Nachfragewachstum, welches auf 1,5 Mio. Barrel in diesem und 1,2 Mio. Barrel im kommenden Jahr geschätzt wird, sorgt dann ganz alleine für ein Gleichgewicht auf dem Markt.

Venezuela braucht dringend Ölpreise von mehr als 50 Dollar je Barrel, um den Bankrott zu vermeiden. Bisher wurden Anleihen noch bedient, doch das wird trotz diverser Tricks nicht mehr ewig möglich sein. Mit Ölpreisen von mehr als 50 Dollar kann ein Bankrott vermieden werden. Die Schulden bei anderen Unternehmen wie Schlumberger lassen sich damit jedoch noch nicht begleichen.

Die Produktion in Venezuela wird vorerst weiter sinken. Es ist schwer zu sagen, welchen Preis das Land braucht, um wieder ausreichend Dollarliquidität zu generieren, damit es seine Zulieferer bezahlen kann. Vermutlich wird ein Preis von mehr als 60 Dollar benötigt. Solange der Preis also darunter notiert, dürfte es überraschend schnell zu einem Gleichgewicht auf dem Markt kommen, vorausgesetzt, andere OPEC Länder weiten ihre Förderung nicht noch mehr aus.

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6 Kommentare

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  • netzadler
    netzadler

    das scheint mir unvollständig

    Libyen, Nigeria, Irak haben noch deutlich Luft nach oben.

    Darüber hinaus werden die nachfragesteigerungen laufend nach unten korrigiert. Es ist nicht zwingend von 1 Mio Barrel + × auszugehen, es geht eher darunter

    Die Öl Staaten müssen weiter assets verkaufen, um die haushaltsdefizite auszugleichen, es werden sicher auch Ausgaben gekürzt.

    Das geht zu lasten der wachstumsraten

    17:11 Uhr, 25.08.2016
  • 1 Antwort anzeigen
  • Chronos
    Chronos

    Und wen interessiert Venezuela, außer als Urlaubsland?

    Ist auch nur eine weitere US-Ukraine.

    Dabei ist der Nahe Osten gar nicht mal so weit weg.

    Die Kurse werden über Iran gemacht, auch Lybia, Azer, Turkmenistan hätten als Thema

    europäisch was hergegeben...

    12:40 Uhr, 25.08.2016
  • jazzfan
    jazzfan

    Alles sehr plausibel, klasse Analyse - Danke!

    Besteht eigentlich die Möglichkeit des weiteren heftigen Produktionsausfalls, wenn Venezuela eine Staatspleite hinlegt (was wohl SEHR wahrscheinlich ist)?

    Oder sind die Ölförderprojekte unabhängig vom Staat Venezuela?

    Ich weiß, nicht ganz einfach zu beantworten...

    11:28 Uhr, 25.08.2016
  • Eddie Morra 91
    Eddie Morra 91

    Hallo Herr Schmale,

    die Bewegungen am Ölmarkt machen vollkommen Sinn, sofern man die Produktionsdaten ggü. der Martkerwartung sieht und diese nicht nur auf den jetztigen Zeitpunkt, sondern in die Zukunft projiziert ;)

    Aber zur eigentlichen Frage: woher haben Sie denn die Info über 50USD je Barrel für Venezuela?

    Viele Grüße

    10:52 Uhr, 25.08.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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