Kommentar
16:03 Uhr, 29.06.2022

Wieso man sich nicht auf Notenbanker verlassen sollte

Selten hörten Anleger, Politiker, Ökonomen und inzwischen auch Verbraucher den Notenbanken so genau zu wie jetzt. Man erwartet klare Hinweise darauf, wohin es mit der Wirtschaft, der Inflation und dem Aktienmarkt geht.

Notenbanker haben viel zu sagen und selten zuvor wurde ihnen so gespannt zugehört wie jetzt. Die wirtschaftliche Entwicklung ist sehr dynamisch und jeder möchte von den Notenbankern gerne wissen, wie sich die Dinge entwickeln werden. In unzähligen Auftritten geben Notenbanker ihre Erwartungen preis. Formal tun sie es auch jedes Quartal mit der Veröffentlichung ihrer Erwartungen bezüglich Wachstum, Inflation und Arbeitslosenrate. An Meinungen und Prognosen mangelt es nicht, auch nicht an Zuhörern. Nur: Man sollte das, was man hört, am besten gleich wieder vergessen. Auf die Prognosen ist derzeit so wenig Verlass wie selten zuvor. Das gibt zumindest die US-Notenbank auch indirekt zu.

Die vierteljährliche Veröffentlichung der Erwartungen der Notenbanker beinhaltet nicht nur die Werte zum Wirtschaftswachstum, der Inflation usw., sondern auch ein Unsicherheitsmaß. Erwartet ein Notenbanker z.B. im kommenden Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,3 % wird zusätzlich angegeben, wie sicher man sich der Prognose ist.

Wie unsicher sich Notenbanker derzeit sind, zeigt Grafik 1. Ein Wert von 1 bedeutet, dass die Unsicherheit sehr hoch ist. Wenn die Prognose bei 1,3 % Wachstum liegt, die Unsicherheit jedoch so groß ist wie jetzt, bedeutet dies, dass man eigentlich keine Ahnung hat, was geschehen wird. Das Wachstum könnte genauso gut bei 0 % oder 4 % liegen.


Ob Wirtschaftswachstum, Arbeitslosenrate oder Inflation, die Notenbank ist sich sehr unsicher. Damit die Angaben trotzdem eine Aussage haben, geben Notenbanken einen weiteren Datenpunkt an. Sie geben an, ob die Risiken bzw. die Unsicherheit auf der Ober- oder Unterseite besteht (Grafik 2).

Beim Wirtschaftswachstum wird derzeit ein hohes Risiko auf der Unterseite gesehen. Im Mittel schätzte die Notenbank im Juni, dass das Wachstum im kommenden Jahr bei 1,7 % liegen wird. Da die Unsicherheit groß ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Wert erreicht wird, gering. Da größtenteils Abwärtsrisiken gesehen werden, kann man davon ausgehen, dass das Wachstum tiefer ausfallen wird.

Das Wachstum dürfte also tiefer ausfallen, die Inflation höher und auch die Arbeitslosenrate dürfte stärker ansteigen als im Mittel erwartet. Die Erwartungen haben sich im Vergleich zum März bereits eingetrübt. Gleichzeitig ist die Unsicherheit unverändert hoch und die Risiken steigen. Versteckt drückt die Notenbank so aus, dass es wahrscheinlich noch schlimmer kommen wird, ohne es explizit in den Prognosen auszudrücken.

Was gesagt wird und was tatsächlich gemeint ist, divergiert in diesen Tagen. Gleichzeitig ist die Unsicherheit groß. Das wissen Notenbanker auch selbst. Als Anleger sollte man sich einfach darüber im Klaren sein, dass Notenbanker ebenso blind herumstochern wie die meisten in diesen Zeiten. Entsprechend wahrscheinlich ist es, dass sich die Aussagen und Prognosen auch schnell ändern können. Nichts ist in Stein gemeißelt und Anleger müssen flexibel bleiben.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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