Kommentar
11:10 Uhr, 14.05.2021

Wie stark belastet höhere Inflation den Aktienmarkt?

Angesichts der unerwartet hohen Inflation in den USA zeigen sich selbst Notenbanker überrascht. Was bedeutet das für den Aktienmarkt?

Dem Aktienmarkt bekamen die Zahlen vom Mittwoch nicht gut. Die Inflationsrate stieg in den USA über die Marke von 4 %. Es wurde weniger erwartet. Dass die Zahlen Marktteilnehmer überraschten, war allerdings selbst eine Überraschung. Hohe Inflation musste man erwarten. Im Januar verfasste ich dazu einen Artikel. Die Inflationsrate sollte im Frühjahr (also jetzt) 3,5 % bis 4 % betragen. Der damalige Prognosechart ist mit den aktuellen Daten aktualisiert (Grafik 1). Der Chart zeigt dabei für April 3,58 %, also am unteren Ende der Bandbreite. Im April lag die Inflation nun effektiv bei 4,2 %. Das ist mehr als von den meisten erwartet. Man kann aber nicht sagen, dass es vollkommen außerhalb des Rahmens liegt. Insofern überrascht es ein wenig, dass Anleger heftig reagierten. Zur Ehrenrettung von Anlegern muss man fairerweise sagen, dass es tatsächlich einen Aspekt gab, der von den meisten nicht vorhergesagt wurde.

Die Kerninflation stieg allein von März 2021 bis April 2021 um fast 1 %. Dieser monatliche Anstieg war der höchste seit 1981 (Grafik 2). Die US-Notenbank beachtet vor allem die Kerninflation. Wenn nun diese unerwartet stark ansteigt, könnte das am Ende doch zu einer früheren geldpolitischen Wende führen.

Noch sieht es danach nicht aus. Die meisten Notenbanker bleiben gelassen. Nicht zum ersten Mal prognostizieren sie wieder rückläufige Inflationsraten in den kommenden Monaten, weil viele Preistreiber vorübergehender Natur sind. Zu diesen vorübergehenden Faktoren gehört der Basiseffekt.

Der Verbraucherpreisindex fiel zu Beginn der Pandemie. Das führt nun, ein Jahr später, zu einem niedrigen Vergleichswert. Hätte sich der Trend vor Krisenbeginn fortgesetzt, läge die Inflation nun 1,9 % tiefer (Grafik 3). Rechnet man den Preisrückgang vor einem Jahr aus den Daten heraus, wäre die Inflation heute 1,1 % tiefer als die angegebenen 4,2 %.

Viele zeigen sich auch deswegen gelassen, weil insbesondere drei Preistreiber ausgemacht werden konnten. Die Preise für Gebrauchtwagen stiegen so schnell wie seit den frühen 80er Jahren nicht mehr. Übernachtungen zeigten den größten Preisanstieg seit Beginn der Datenreihe und auch Flugtickets wurden deutlich teurer (Grafik 4).

Gebrauchtwagenpreise werden nicht ewig steigen. Es macht keinen Sinn. Irgendwann wären Gebrauchtwagen teurer als Neuwagen. Einige Preistreiber sind vorübergehend. Bevor man sich nun aber in Sicherheit wiegt und denkt, dass die Inflation bald wieder fällt, lohnt ein Blick auf die Dienstleistungsinflation (Grafik 5).

Dienstleistungen machen den Großteil der Verbraucherpreisindizes aus. Nun öffnet die Wirtschaft wieder, Arbeitnehmer lassen sich nicht finden und die Nachfrage ist hoch. Dienstleistungen dürften über mehrere Monate deutlich teurer werden. Das ist vermutlich kein vorübergehender Faktor.

Die Inflationsrate dürfte für längere Zeit höher bleiben. Das wird für den Aktienmarkt als problematisch angesehen. Grundsätzlich folgt die Inflation dem Aktienmarkt und nicht umgekehrt (Grafik 6). Historisch sind Inflationsraten über 4 % jedoch nicht mehr positiv für den Aktienmarkt.


Im Normalfall ist die Korrelation positiv. Steigt die Inflation, steigen auch Aktien. Steigen die Preise mit mehr als 4 %, sinkt die Performance von Aktien. Es ist nicht garantiert, dass wir nun längere Zeit mehr als 4 % Inflation sehen werden. Kommt es jedoch dazu, wird das den Aktienmarkt eher belasten.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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